Dream Team für IT-Projekte

Wo Itil und Prince2 sich treffen

19.10.2009 von Oliver Buhr
IT-Service- und Projekt-Manager haben viele Berührungspunkte. Auch ihre Methoden - Prince2 beziehungsweise Itil - greifen ineinander.

Sowohl der Service-Management-Standard "IT Infrastructure Library", kurz Itil, als auch die Projekt-Management-Methode "Projects in Controlled Environments", als Prince2 bekannt, liegen seit kurzem in aktuellen Versionen vor. Viele Unternehmen überlegen derzeit, ob sie den einen oder die andere einführen sollen. Die Frage sollte aber nicht "entweder - oder" lauten. Denn beide Beste-Practice-Sammlungen ergänzen sich.

Unternehmen, die Itil-Prozesse implementiert haben, setzen damit einen Rahmen für Prince2-Projekte; Itil unterstützt die Projektarbeit durch fachliches Know-how. Die Itil-Organisation kann quasi als Tagesgeschäft angesehen werden; sie stößt Projekte an, und sie profitiert als Kunde von den Projektergebnissen.

Insbesondere die aktuelle Itil-Version 3 spannt - durch die Einbindung von Prince2-Projekten in den Servicelebenszyklus - den Bogen von der Projektentstehung bis zur Übergabe an den Betrieb. Diese theoretische Verzahnung funktioniert dann perfekt, wenn die Prozesse im Unternehmen nicht nur ansatzweise, sondern vollständig umgesetzt sind und die sieben Prinzipien von Prince2 zielgerichtet eingesetzt werden.

Aus derselben Kinderstube

Best Practices für die Umsetzung von Projekten und zur Ausgestaltung der IT - das liefern Prince2 beziehungsweise Itil (siehe auch die ausführliche Beschreibung der fünf neuen Itil-Bücher). Die Methoden haben sich aus der Praxis entwickelt und werden von der Praxis weiterentwickelt. Als Herausgeber fungiert das Office of Government Commerce (OGC). Es ist an einer weiteren Integration der Methoden interessiert. Als Beleg dafür mag unter anderem die Entwicklung der Itil-Version 3 dienen, die wesentlich stärker als die Version 2 an Prince2 andockt. Im Gegenzug wurden beim Update 2009 von Prince2 die Einsatzmöglichkeiten mit Itil verbessert.

Das Prozessmodell von Prince2
Foto: Copargo

Beide Methoden basieren auf Prozessmodellen. Da Prince2 ursprünglich für IT-Projekte entwickelt wurde, passt die Methode auch sehr gut auf die IT-Organisation im Unternehmen. Diese Gemeinsamkeiten sind eine ideale Grundlage für die Zusammenarbeit der Methoden.

Spätestens wenn im IT-Bereich eines Unternehmens Veränderungen anstehen, ist der Moment gekommen, beide Methoden gemeinsam zu betrachten. Eigentlich ist es egal, ob die derzeit noch vorwiegend genutzte Itil-Version 2 im Einsatz ist oder die aktuelle Itil-Version 3; in jedem Fall beschreibt Itil Standardprozesse im IT-Umfeld. Prince2 erklärt, wie Projekte zu Änderungen in dieser Umgebung gemanagt werden sollten. Anhand von drei Szenarien lässt sich aufzeigen, wie Unternehmen von einem parallelen Einsatz von Itil und Prince2 profitieren können.

Itil-Umsetzung als Prince2-Projekt

Generell gilt: Sowohl die Einführung einer Itil-Umgebung als auch die Überführung von Itil-Version 2 auf Version 3 sind komplexe Vorhaben. Werden diese Projekte mit Prince2 umgesetzt, so ist die Erfolgswahrscheinlichkeit wesentlich höher als mit einer anderen Methode. Das beginnt schon bei dem für Prince2 maßgeblichen Prinzip der geschäftlichen Rechtfertigung, auch Business Case genannt. Dass der Nutzen der Itil-Einführung klar formuliert wird, erleichtert den Stakeholdern die Einsicht in die Notwendigkeit des Projekts. Aufgrund der Transparenz steigen Akzeptanz und Unterstützung für die Einführung der neuen Methode.

Wird Itil mit Prince2 eingeführt, so geschieht das nach dem Prinzip der Steuerung über Phasen stufenweise. Am Ende jeder Phase bewertet ein Lenkungsausschuss, ob und wie die nächste Phase ablaufen soll. Das macht es möglich, den Service-Management-Standard in für das Unternehmen leicht verdaubaren Häppchen einzuführen. Gewinnbringend schlägt sich auch das Prinzip des Lernens aus Erfahrungen nieder: Die Erkenntnisse aus Vorprojekten oder vorhergehenden Phasen werden gesammelt und explizit für die Verbesserung des Projekterfolgs berücksichtigt.

Itil und Prince2 im Umgang mit Changes

In Itil ist deutlich beschrieben, wie mit Änderungen in der IT-Landschaft (Changes) umzugehen ist. Dabei kann es sich um kleine Modifikationen, zum Beispiel die Änderung von Jobs, Batchläufen oder Sicherungen, handeln. Dafür ist keine spezielle Projekt-Management-Umgebung notwendig - also auch kein Prince2.

Anders liegt der Fall, wenn ein Request for Change (RfC) aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Maßnahmen als Projekt identifiziert wird. Hier kann Prince2 dafür sorgen, dass die Änderungen in der IT-Landschaft erfolgreich umgesetzt und gesteuert werden.

Um Bürokratie zu vermeiden, kommt in diesem Fall das Prince2-Prinzip der Anpassung der Methode auf das Projekt zum Tragen. Abhängig vom Umfang der Änderungen und der Komplexität des Vorhabens wird Prince2 gezielt eingesetzt. Möglicherweise generiert ein Unternehmen für verschiedene Arten von IT-Projekten unterschiedliche Modelle. Genauso verschieden kann die Definition der Produkte ausfallen, die im Rahmen der Projekte erstellt werden sollen. Das Prince2-Prinzip des Fokus auf Produkte stellt dabei sicher, dass an alle Ergebnisse des Projekts gedacht und für jedes Produkt die vom Kunden erwartete Qualität geliefert wird.

Im Vorfeld definiert Prince2, was geklärt werden muss, welche Rollen und Verantwortlichkeiten es geben soll, welche Qualität erwartet wird und wie die Steuerungsmechanismen aussehen. Diese Punkte werden vom Lenkungsausschuss freigegeben, der häufig durch das in Itil beschriebene Change Advisory Board (CAB) oder durch Teile davon repräsentiert wird und alle wesentlichen Entscheidungen für das Projekt trifft. Der Projekt-Manager steuert Konzeption und Umsetzung eines Change bis zu dessen erfolgreicher Überführung in das Tagesgeschäft und der Abnahme durch die Benutzer. Dank des gesteuerten Abschlusses setzt Prince2 dem Projekt einen klaren Schlusspunkt.

Prince2-Projekte in der Itil-Welt

Wenn im Unternehmen die Itil-Prozesse bereits umgesetzt sind, kann sie der Projekt-Manager für IT-Vorhaben nutzen. Zum einen liefern ihm die Prozesse Input für die verschiedenen Projektphasen, zum anderen muss er an die IT zurückgeben, welche künftigen Anforderungen die Implementierung der Projektergebnisse an sie stellt.

Beispielsweise braucht der Projekt-Manager beim Kapazitäts-Management für seine Neuentwicklung die Information, welche Rahmenbedingungen im Unternehmen bezüglich der Infrastruktur gelten. Andererseits muss er auch die Entwicklung mit der erforderlichen Infrastruktur beauftragen sowie die Anforderungen für den späteren Betrieb beschreiben und abstimmen. Dies geschieht wiederum nicht auf der "grünen Wiese", sondern wird eng mit der vorhandenen Infrastruktur abgestimmt.

Ähnliches gilt für Financial-, Availability- und IT-Service-Continuity-Management sowie für das Configuration-, Change- und Release-Management. Speziell im Configuration- und Change-Management kann das Prince2-Projekt die mit Itil definierten Prozesse für die Konfiguration und Änderungssteuerung nutzen. Beispiele für Synergien sind die direkte Übernahme der im Projekt erstellten Produkte in die Konfigurations-Management-Datenbank oder die Nutzung gemeinsamer Eskalationsmechanismen.

Warum die Itil-Version 3 Vorteile hat

Charakteristisch für Itil V3 ist der Service Lifecycle.

Itil V3 trägt der Trennung zwischen Tages- und Projektgeschäft noch stärker Rechnung als die Vorgängerversion. Damit ist die neue Version des Service-Management-Standards auch enger mit Prince2 verknüpft. So gibt es beispielsweise im Prozess Transition Planning and Support einen direkten Absprung ins Projekt-Management. Dazu wird explizit der Einsatz von Prince2 empfohlen.

Generell beschreibt V3 den Lebenszyklus eines Services. Ein Projekt bildet einen Ausschnitt aus diesem Lebenszyklus ab. Der große Vorteil von V3 ist, dass diese Version eine klare Rollenverteilung innerhalb des IT-Projekts unterstützt: Prince2 liefert das Management (die Steuerung), Itil die Facharbeit sowohl für das Projekt als auch für den Betrieb. Da Itil V3 und Prince2 beide den Lebenszyklus-Gedanken umsetzen, lassen sich die Itil-Prozesse den Phasen eines Projektes zuordnen, für deren Ausgestaltung sie jeweils den Input liefern.

Der Servicelebenszyklus schließt den Projektlebenszyklus ein. Deshalb gibt es klare Absprungpunkte von Itil in die Prince2-Projektumgebung. Die Itil-Bücher "Service Strategy" und "Service Design" geben Anstöße, welche Projekte umgesetzt und gesteuert werden sollen, liefern Business Cases und unterstützen die Festlegung des Rahmens für die Initiierungs- und Konzeptionsphase. So lassen sich beispielsweise die Entwicklung zusätzlicher Services aus dem Service-Level-Management oder der Ausbau neuer Rechenzentren aus dem Capacity Management heraus als Projekte starten.

Die im vierten Buch von Itil V3 beschriebene "Service Operation" wird in die Aktivitäten des Prince2-Prozesses "Abschließen des Projektes" eingebunden. Abnahme durch den Betrieb, Beschreibung der "known errors" oder Empfehlungen für das Tagesgeschäft sind nur einige Punkte, die in der letzten Phase des Projekts die Erfordernisse des Betriebs berücksichtigen. So lässt sich sicherstellen, dass die IT-Organisation den Business Case des Projekts auch erreicht.

Herausforderungen in der Praxis

Damit Itil das Leben eines Projekt-Managers erleichtert, sollte es komplett implementiert sein; das ist in der Praxis eher die Ausnahme als die Regel. Also muss der Projekt-Manager in der Initiierungsphase prüfen, welche Itil-Bestandteile im Unternehmen genutzt und wie sie in den Projektverlauf eingebunden werden.

Sind sowohl Prince2 und als auch Itil fest im Unternehmen implementiert, macht sich die gemeinsame Kinderstube bezahlt. Die beiden Methoden ergänzen sich nahtlos. Man kann sie zu Recht als Dream-Team der IT bezeichnen. (qua)