Wo Frauen in der IT Karriere machen können

09.09.2004 von Eva Pisinger
Frauen in Führungspositionen sind bisher selten in Deutschlands IT-Unternehmen anzutreffen. Dabei kommen Allrounderinnen mit vielen Aufgaben besser zurecht als männliche Spezialisten. Einige Firmen haben dies erkannt.

"Frauen in die IT" - groß ist die Zahl an öffentlichen Einrichtungen, Institutionen und Ministerien, die sich dieses Motto auf die Fahnen geschrieben haben, und das bereits seit ein paar Jahren. Getan hat sich dennoch nicht viel - noch immer liegt der Anteil der in der Informationstechnologie beschäftigten Frauen unter 18 Prozent. In den Führungsetagen sind es laut Statistik der Europäischen Union (EU) sogar nur zehn.

"Nachvollziehen kann ich das nicht", kommentiert Susanne Steidl, Project Manager Key Accounts beim Münchener Softwarehersteller Axxom die Zahlen. "Obwohl sich hier mehr Männer als Frauen bewerben, hält sich die Geschlechterverteilung bei uns die Waage. Und dies durch quasi alle Abteilungen hindurch." Der Grund: Die weiblichen Kandidaten passen öfter ins Anforderungsprofil. Gefragt ist bei Axxom eine Kombination aus exzellentem Fachwissen und Internationalität, denn die Kunden sind über den ganzen Erdball verteilt - von Australien über Norwegen bis nach Brasilien und den USA. Gerade in puncto Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung aber haben Frauen häufig mehr vorzuweisen, dasselbe gilt für ebenso wichtige Eigenschaften wie Koordinationstalent und Networking-Qualitäten.

"Hinzu kommt, dass unser Unternehmen noch stark im Wachstum ist," ergänzt der Axxom-Direktor für Finanzen Claus Tropitzsch, "da ändern sich die Strukturen schnell. Wer heute noch im Projekt-Management war, ist vielleicht schon morgen für Marketing oder Vertrieb tätig. Da ist Flexibilität ein großes Plus."

Junge Unternehmen bieten demnach für Allrounder oftmals die größeren Chancen. Dasselbe gilt für den Mittelstand: Auch hier muss der Einzelne die verschiedensten Aufgaben im Alleingang bewältigen, denn die Abteilungsgröße übersteigt selten drei Mitarbeiter. Spezialisten mit einem eng abgesteckten Aufgabenfeld können sich nur die großen Konzerne leisten - und gerade hier sind zahlenmäßig auch die meisten männlichen Mitarbeiter zu finden. Zufall oder logische Konsequenz? Vermutlich Letzteres. Denn Frauen und Männer haben tatsächlich verschiedene Arbeitsweisen - und verschiedene Fähigkeiten. Kein Wunder also, dass Unternehmen mit unterschiedlichen Strukturen auch ebenso unterschiedliche Mitarbeiter suchen. Das Multi-Talent Frau wird folglich besser in jungen oder mittelständisch geprägten Unternehmen zu schätzen gewusst.

Allein unter Logistikern und Ingenieuren

Rund 30 Mitarbeiterinnen sind bei Axxom unter Vertrag - ein paar in klassischen Funktionen in Kommunikation, Marketing und Vertrieb, die überwiegende Mehrheit jedoch ist im Projekt-Management, Consulting oder der Softwareentwicklung aktiv. Wenn auch das interne Zahlenverhältnis die Mitarbeiterinnen noch nicht zu Exoten macht - draußen in der Kundenwelt sieht das anders aus. Pharma- und Chemieindustrie, Logistik, Distribution und Prozessindustrie machen die Zielmärkte von Axxom aus. Die patent-geschützte Planungssoftware des Unternehmens optimiert Abläufe in Produktion und Lager - Bereiche, in denen hauptsächlich Männer anzutreffen sind.

"Exot zu sein hat aber Vorteile", sagt Dagmar Ludewig, promovierte Ingenieurin und Projekt-Managerin bei Axxom. "Man bleibt besser im Gedächtnis verankert, und in der Regel positiv." Denn Fakt ist nun einmal: Verhaltensmuster wie Rücksichtnahme und Höflichkeit werden einer Frau oft bereitwilliger und selbstverständlicher entgegengebracht als ihrem männlichen Pendant. Kollegin Steidl ergänzt: "Unerfreuliche Dinge kann man dem Kunden als Frau besser beibringen, zum Beispiel wenn sich mal ein Projekt verzögert oder etwas anders abläuft als vorgesehen". Ein weiterer Aspekt, von dem Frau im Berufsleben profitieren kann, ist Charme. Ob Klischee oder nicht, Tatsache ist, dass Frauen damit über eine zusätzliche Kommunikationsebene verfügen, die dem männlichen Kollegen nicht offen steht.

Axxom-Kunde Bernd Kuropka von der Schering AG beschreibt den Unterschied am Beispiel Online-Hilfe: "Als Mann tut man sich leichter, bei Supportbedarf eine Frau zu kontaktieren."

Frauen und Männer greifen jedoch nicht nur auf verschiedene Arten der Kommunikation zurück, sondern haben auch unterschiedliche Vorgehensweisen bei der täglichen Arbeit. Beispiel Projekt-Management. Dagmar Ludewig, bei Axxom zuständig für Kunden wie den Chemiegiganten Degussa oder den Pharmakonzern Pfizer, erklärt: "Unsere Mitarbeiterinnen gehen ein Thema in der Regel von der Anwenderseite an. Ausgehend vom gewünschten Endergebnis werden alle Schritte und Maßnahmen, die auf dieses Ziel hinführen, geplant. Damit eignen sich die Kolleginnen gut für die Leitung in der Konzeptions- und Designphase und für das Controlling." Das Gros der männlichen Kollegen, so bestätigt auch Vorstand Christoph Plapp, gehe dagegen sehr technisch orientiert und entsprechend detailliert vor.

Das sei besonders gut in der Umsetzungsphase, wenn es um Themen wie die Definition von Schnittstellen ginge. Die Kombination aus beiden Vorgehensweisen ergibt folglich das Optimum für den Kunden. Deshalb setzt Axxom-Chef Plapp gezielt auf das gemischte Doppel: für Aufgaben in Konzeption, Koordination und Integration werden vorwiegend die weiblichen Mitarbeiter herangezogen, für mathematische und technisch-detaillierte eher die männlichen.

Gemischte Teams arbeiten besser zusammen

Das Tandem hat aber noch weitere Vorteile: "Je nach Kunde kann es schon mal sein, dass das eine oder andere Geschlecht die besseren Karten hat", erklärt Plapp. "Liegt auf Kundenseite zum Beispiel die Projektverantwortung bei einer Frau, läuft die Zusammenarbeit oft harmonischer ab, wenn unser männlicher Mitarbeiter der Ansprechpartner ist. Das liegt daran, dass Frauen, die in so männerdominierten Branchen wie die unserer Kunden arbeiten, oft noch fordernder als die Männer sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Mann hier manchmal doch weiter kommt." Umgekehrt gilt dies jedoch ebenso.

Gerade mal 3,4 Prozent aller Führungspositionen werden in Deutschland von Frauen bekleidet, immerhin mehr als dreimal so viel sind es in der IT-Branche und mehr als zehnmal soviel bei Axxom. Während Frauen in vielen Unternehmen die Führungsetage nicht erreichen, weil sie wegen einer möglichen Schwangerschaft als Unsicherheitsfaktor eingestuft werden, ist das bei dem Münchner Softwarehaus kein Thema. "Wir sind fast alle Akademikerinnen," so Managerin Steidl, "und die wollen in der Regel ja doch recht schnell wieder zurück in den Beruf. Bei uns hat jeder die Möglichkeit, seine Arbeitszeit individuell zu gestalten - schließlich möchten wir das Know-how unserer Mitarbeiter im Unternehmen halten."

"Softwareentwicklung ist ideal für Frauen mit Familie"

Und so arbeiten die Mütter halb- oder dreivierteltags, nutzen das Home Office oder sind nur vier Tage in der Woche beschäftigt. Ayumi Scherf, Mitglied des Axxom-Entwicklerteams, fügt hinzu: "Gerade Berufe wie die Softwareentwicklung sind für Frauen mit Familie ideal, weil die Arbeit flexibel gestaltet werden kann - zum Beispiel durch Home-Office-Möglichkeiten." In Japan, ihrem Heimatland, stehe daher die Softwareentwicklung bei den weiblichen Studienanfängern hoch im Kurs. Ein Trend, der sich in Deutschland fortsetzen könnte. Denn von Frauen traditionell bevorzugte Bereiche wie Medizin, Sozial- oder Rechtswissenschaften sind personell nahezu gesättigt, während in techniklastigen Branchen noch immer ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern herrscht.

"Gerade Projekt-Management ist eine Aufgabe, die eigentlich wie gemacht für Frauen ist", schwärmt Ingenieurin Ludewig und hebt die Kombination aus Betriebswirtschaft und Technik hervor. "Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, wenn es heute noch wenig weibliche Vorbilder in einem Berufsfeld gibt - wer durch Kompetenz punkten kann, wird auch überall akzeptiert." Marketing-Leiterin Corinna Washtell sieht ebenfalls gute Chancen für die weibliche IT-Karriere: "In unserer Branche ist der Mitarbeiterstamm recht jung. Frauen stehen damit alle Möglichkeiten nach oben offen, denn die Management-Strukturen sind noch nicht festgefahren -und damit auch nicht überwiegend männlich besetzt". (iw)

*Eva Pisinger ist Mitarbeiterin im Bereich Unternehmenskommunikation bei Axxom.