Wird Voice over IP ein Servicegeschäft?

16.03.2005 von Sabine Prehl
Wird Voice over IP ein Servicegeschäft? Hosted-IP-Dienstleistungen sollen Anwendern den Umstieg auf Voice over IP erleichtern.

Hier lesen Sie ...

  • mit welchen Dienstleistungen die Anbieter ihren Kunden den Umstieg auf VoIP schmackhaft machen wollen;

  • welche Vorteile IP-basierende Telefonanlagen bieten;

  • welche Hosted-IP-Services in Deutschland bislang angeboten werden;

  • wohin sich Hosted IP künftig entwickeln wird.

Die CeBIT hat es gezeigt: Voice over IP (VoIP) steht derzeit im Mittelpunkt des Kundeninteresses. Neben der Hardwareausrüstung gelten vor allem Hosted-IP-Dienstleistungen als Wachstumsmarkt. Den Marktforschern von Frost & Sullivan zufolge haben die Anbieter von Services wie der Remote-Verwaltung von IP-basierenden Telefonanlagen 2003 in Europa 45,8 Millionen Euro umgesetzt. Während sich der Markt hierzulande erst zu entwickeln beginnt, sind die Unternehmen in Großbritannien und Spanien schon kräftig dabei, solche Services zu testen. Bis 2008 sollen die Umsätze der Anbieter um mehr als 90 Prozent pro Jahr auf 1,23 Milliarden Euro zulegen. Die Experten von IDC prognostizieren sogar Wachstumsraten von 280 Prozent.

Eine steigende Nachfrage registrieren die Marktforscher vor allem nach Softswitch-Lösungen. Hier wird die herkömmliche TK-Anlage ins Netz des Anbieters verlagert und auf diese Weise durch eine Art "Telefonanlage im Netz" ersetzt. Jedes Telefon bekommt eine eigene IP-Adresse zugewiesen und kommuniziert mit dem Call-Management-Server des Providers, den sich mehrere Kunden teilen.

Der Kunde kann die Lösung über ein Web-Portal konfigurieren und Mehrwertdienste wie Unified Messaging, Webconferencing oder die MS-Outlook-Integration buchen. Ähnlich wie die Bereitstellung von Daten im Internet über den Server eines Providers erfolgt das Hosting dieser virtuellen Telefonanlage durch den Anbieter. Damit richtet sich diese Lösung vor allem an kleinere und mittlere Firmen, die Investitionen in eine IP-Telefonanlage scheuen. Laut Banerjee werden sich mittelfristig aber auch mehr und mehr große Unternehmen mit dem Hosting-Modell anfreunden.

Mehr Funktionen, Kontrollmöglichkeiten und Flexibilität bieten Lösungen, bei denen eine IP-basierte TK-Anlage auf einem dedizierten Server läuft und entweder vom Provider verwaltet wird (Hosted IP PBX), oder im Haus des Kunden verwaltet und vom Provider betrieben wird (Managed IP PBX). Laut Frost & Sullivan sind solche Lösungen vor allem für große Unternehmen interessant. Auch nach Ansicht von Jobst von Garmissen, Leiter Produkt-Management Geschäftskunden bei Arcor, geht die Entwicklung in diese Richtung: "Dedizierte Services werden künftig verstärkt nachgefragt werden."

"Hosted IP-Telefonie bietet Unternehmen kostengünstige Verbindungen über Datennetze, wobei das Technologierisiko vom Dienstleister getragen wird", begründet Shomik Banerjee, Analyst bei Frost & Sullivan, den zu erwartenden Boom. Dadurch werde die Migration auf VoIP flexibler und kostengünstiger. "Spätestens wenn die Miet- oder Leasing-Verträge für die herkömmlichen TK-Anlagen auslaufen, werden die Firmen auf Softwarelösungen umsteigen", prognostiziert der Experte.

Der Management-Beratung Mercer zufolge liegt das Einsparpotenzial durch VoIP je nach Unternehmensgröße und Kommunikationsaufkommen bei bis zu 30 Prozent. Erzielt wird es durch die geringeren Verbindungspreise, vor allem aber durch die sinkenden Kosten für die Infrastrukturverwaltung. Bislang benötigte ein Unternehmen zwei komplette Wartungsteams - eines für die eigene TK-Anlage, die Verkabelung und die Endgeräte, das andere für die gesamte Dateninfrastruktur. Durch die Integration von Voice und Daten hat der Kunde dagegen nur noch eine Welt zu verwalten. "Die Senkung der Betriebskosten ist für Geschäftskunden das wichtigste Argument, auf VoIP umzustellen", so Matthias Feicht, Produkt-Manager bei BT.

Virtuelle Call-Center

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Anwender Mehrwertdienste wie CTI (Computer-Telefonie-Integration), Click-to-Dial oder Call-Center-Funktionen unter VoIP wesentlich einfacher und kostengünstiger nutzen und ihre Geschäftsabläufe verbessern können. Vor allem die Integration von Anwendungen - etwa durch Unified Messaging - gilt als Mittel zur Produktivitätssteigerung. Jörg Bielefeld von QSC, dem drittgrößten deutschen TK-Anbieter mit eigener Netzinfrastruktur, räumt zwar ein, dass solche Funktionen bislang noch kaum genutzt werden: "Die Firmen werden diese Anwendungen nicht sofort komplett integrieren, sondern schrittweise nutzen", glaubt der Produkt-Manager. Trotzdem wollen die Anbieter gewappnet sein. T-Systems etwa bietet bereits Unified Messaging und CTI auf VoIP-Basis an. QSC will im Frühjahr virtuelle Call-Center-Funktionen vorstellen. Mehrwertdienste wie CTI, Unified Messaging und Videoconferencing sind ebenfalls geplant.

Hinzu kommt, so die Anbieter, dass diese Mehrwertdienste skalierbar und damit leicht kalkulierbar sind. Auch für die Hardware zahlt der Kunde etwa bei BT je nach Anzahl der benötigten Endgeräte nur einen Preis - Installation, Wartung und Support inbegriffen. Experten halten jedoch selbst komponentenbezogene Berechnungen noch für zu kompliziert: "Was die Kunden wollen, ist nur ein einziger Preis pro Arbeitsplatz", so Steve Koppman, Analyst bei Gartner. Preismodelle, für die die Integration von Sprache und Daten ideale Voraussetzungen bietet, meint Arcor-Produkt-Manager von Garmissen: "Ich kann mir vorstellen, dass künftig ein fester Preis für die Ausstattung eines Mitarbeiters berechnet wird, der nicht nur Hardwaremiete und Service, sondern auch die Verbindungspreise und das Datenvolumen enthält."

Auch wenn die Anbieter die VoIP-Welt in rosigen Farben malen - ein wesentlicher Hemmschuh für die Migration bleibt: Viele Firmen-LANs sind für VoIP bislang nicht oder nur bedingt geeignet. Sollen Zweigstellen angebunden werden, muss zudem neben der LAN- auch die WAN-Infrstruktur auf ihre VoIP-Tauglichkeit überprüft und gegebenenfalls ausgebaut werden. Hier besteht laut BT-Produkt-Manager Feicht noch viel Nachholbedarf: "Nach der ersten Euphorie geht es jetzt darum, zu analysieren, was noch alles zu tun ist, damit das auch funktioniert."

Leistungen aus einer Hand

Die Anbieter erweitern ihre Dienstleistungen mit dem Ziel, dem Kunden alles aus einer Hand liefern zu können. Bei BT zum Beispiel kann der Kunde sein Firmennetz im Rahmen eines so genannten LAN-Assessments auf VoIP-Tauglichkeit prüfen lassen. Auch der Service AAI (Application Assured Infrastructure) zielt darauf ab, die Infrastruktur zu verbessern. "Das Problem sind ja weniger die einzelnen Komponenten an sich, sondern das Zusammenspiel von Endgeräten, WAN, LAN und Services", erläutert Feicht. "Wenn ein Glied in der Kette versagt, steht das Unternehmen still."

Auch T-Systems setzt mit den "Business Voice Solutions" auf Leistungen aus einer Hand: Die Telekom-Tochter analysiert das Netz des Kunden und hilft ihm dabei, eine geeignete VoIP-Lösung aufzubauen und zu be- treiben. Bei Bedarf übernimmt T-Systems auch den kompletten Betrieb des Sprach- und Datennetzes.

Der Markt steht erst am Anfang

Arcor bietet ebenfalls einen LAN-Check-Service an. Für eventuelle Änderungen ist jedoch der Systemintegrator des Kunden zuständig - oder ein Partner, mit dem Arcor zusammenarbeitet. Für Integrations- und Betriebsdienste ist der Markt nach Ansicht von Produkt-Manager von Garmissen noch nicht reif genug: "Wir können ja nicht vom ersten Tag an mit einem riesigen Strauß an Möglichkeiten an den Start gehen." Mit der Zeit werde sich abzeichnen, wonach die meiste Nachfrage bestehe inwieweit man sie komplett erfüllen könne.