Breitband für Alle

Wir wollen keine Staatssubventionen

02.02.2009 von Jürgen Hill
Jürgen Grützner, Geschäftführer des VATM, in dem Verband ist das Gros der Telekom-Konkurrenten organisiert, sagt, wie sich "Breitband für Alle" realisieren lässt. Grützner, der auf die digitale Dividende setzt, warnt zudem vor neuen Monopolbestrebungen der Telekom. Die CeBIT wird dabei für den Verbandschef eine wichtige Rolle beim anstehenden Technologiewandel spielen.

CW: Wird der VATM mit einem eigenen Stand auf der CeBIT vertreten sein, oder engagieren Sie sich bei Ihren Mitgliedern?

VATM-Chef Grützner hält wenig von einem subventioniertem Glasfaserausbau.

GRÜTZNER: Nein, wir sind traditionell nicht mit einem eigenen Stand auf der Messe vertreten, aber wir besuchen gerne die Stände unserer Mitgliedsfirmen. Und nutzen natürlich die Messe, um uns zu informieren.

CW: Haben Sie einen Überblick darüber, ob Ihre Verbandsmitglieder das Messe-Engagement eher vergrößern oder verkleinern?

GRÜTZNER: Hier will ich unseren Mitgliedern nicht vorgreifen, aber ich bin mir ganz sicher, dass Sparsamkeit ein wichtiger Aspekt ist und davon die Messe nicht ganz unverschont bleibt.

CW: Und wie schätzen Sie die CeBIT 2009 ein?

GRÜTZNER: Ich glaube, dass die CeBIT gute Chancen hat, im aktuellen Technologiewandel, den wir jetzt vollziehen, eine wichtige Rolle zu spielen. Deshalb kann die Messe durchaus auf eine sehr große Resonanz stoßen. Nach meinem Gefühl hat die Messe gute Themen, die sowohl die Bürger als auch die Unternehmen interessieren.

CW: Welche Themen meinen Sie?

GRÜTZNER: Wir sehen hier eine zunehmende Komplexität von Geräten auf dem Markt. Sie bieten Daten, Sprache, Bilder in einem. Die Geräte wachsen jetzt so zusammen, wie man es vor Jahren unter dem Stichwort Konvergenz in den Blick gefasst hatte. Jetzt wird dies Wirklichkeit. Auf der anderen Seite versuchen die Unternehmen; bedienungsfreundliche Produkte auf den Markt zu bringen. Ich glaube, dass so etwas wie das iPhone - trotz aller technischen Unzulänglichkeiten - eine wichtige Bedeutung für den Markt hat. Zeigt es doch, dass Features wie ein Touchscreen oder immer intelligentere Telefone, die für die Menschen das Kommunizieren vereinfachen, eine immer größere Rolle spielen. Die so genannte eierlegende Wollmilchsau hat die Branche aber noch nicht erfunden - wie ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen kann. Aber wahrscheinlich sind dafür auch die Bedürfnisse der Benutzer zu unterschiedlich.

CW: Werden Sie selbst auf der CeBIT sein?

GRÜTZNER: Ja, ich will dort den Markt beobachten und möglichst viele Informationen für unsere Mitglieder sammeln und austauschen.

CW: Was bedeutet die Wirtschaftskrise für den TK-Markt in Deutschland?

GRÜTZNER: Die Finanzkrise hat bislang noch keine deutlichen Auswirkungen auf die Branche Dennoch werden auch die TK-Unternehmen bei ihren Ausgaben noch genauer hinschauen. Wir haben aber, was die TK-Branche betrifft, die Erfahrung gemacht, dass wir in Punkten wie Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen sehr stark sind und deshalb die Unternehmen dennoch in Telekommunikationstechnologie investieren. Hier haben wir sicher einen Vorteil gegenüber anderen Branchen, die sich mit ganz anderen Schrumpfungsprozessen konfrontiert sehen. Sicher kann man nie ganz ausschließen, dass das Geschäftsvolumen der TK-Unternehmen leicht sinken wird, wenn es der Wirtschaft insgesamt schlecht geht. Aber wir werden deutlich weniger betroffen sein als andere Industrien.

Der deutsche TK-Markt stagniert

CW: Also eher eine Stagnation?

GRÜTZNER: Wir haben schon vor der Krise gesagt, dass wir sinkende Umsätze in 2009 erwarten Ich rechne mit keinen deutlichen Gewinnsteigerungen im Markt, denn die Margen sind äußerst knapp. Wir produzieren günstiger als im letzten Jahr, daher schlägt die Wirtschaftslage auf die Gewinne nicht so drastisch durch. Aber die Umsätze werden auch in der TK-Branche zurückgehen, nur wird das im Wesentlichen nicht durch die Finanzkrise bedingt sein, sondern durch die erzielten Effizienzsteigerungen - und die geben wir an die Endkunden in Form von sinkenden Preisen weiter. Dass die Telekom allerdings gerade in dieser Zeit eine völlig unangemessene Erhöhung des wichtigsten Vorproduktpreises für die letzte Meile bei der Bundesnetzagentur beantragt hat, ist unverantwortlich mit Blick auf den Gesamtmarkt.

CW: Also eine Entwicklung, die auch ohne Wirtschaftskrise eingetreten wäre?

GRÜTZNER: Ja, ich glaube, unsere Umsätze wären um drei bis vier Prozent zurückgegangen. Jetzt kommen eventuell noch ein bis zwei Prozent hinzu. Das spielt aber im Vergleich zu dem, was andere Industriekreise zu verkraften haben, kaum eine Rolle.

CW: Wird der deutsche TK-Markt nach der Krise noch genauso aussehen wie jetzt?

GRÜTZNER: Auf der einen Seite haben wir momentan einen relativ stark gesättigten Markt. Das kann sich aber wieder schnell ändern, wenn es neue Produkte gibt, für die der Bürger bereit ist, mehr Geld auszugeben. Deshalb müssen wir auch in unserem Bereich erst einmal Geld einsparen. Hierbei ist Größe ein wichtiger Faktor. Deshalb wird sicher der eine oder andere auf die Idee kommen, jetzt, wo die Unternehmensbewertungen sehr günstig sind, zuzuschlagen. Anderseits könnte die Finanzkrise solche Übernahmen erschweren. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade hier die Bundesregierung helfend eingreift, damit Unternehmenszusammenschlüsse nicht aus Geldmangel scheitern.

CW: Der VATM preschte mit dem Statement "Breitband für alle innerhalb eines Jahres" vor. Wie wollen Sie das realisieren?

GRÜTZNER: Wir haben ja klar gesagt, dass dazu bestimmte Rahmenbedingungen herrschen müssen. So ist unbedingt die Freigabe der digitalen Dividende, der frei werdenden Rundfunkfrequenzen, erforderlich, um die Lücken in der Breitbandversorgung zu schließen. Dazu sitzen wir auch bereits seit rund einem Jahr mit der Deutschen Telekom an einem Tisch. Das gemeinsame Konzept, wie in kurzer Zeit das mobile Internet im ländlichen Raum mit der digitalen Dividende verwirklicht werden kann, steht.

Um Breitband für alle zu realisieren, setzten die VATM-Mitglieder auf Funktechniken für den Internet-Zugang.-
Foto: o2

Unser gemeinsames Ziel war es, eine wirtschaftlich vernünftige Lösung zu finden, die ohne Subventionen auskommt. Dabei sollte sichergestellt werden, dass erst einmal die ländliche Bevölkerung versorgt wird und dann auch für andere Regionen Frequenzen genutzt werden können. Wenn sich die Telekom jetzt von diesem Konzept der digitalen Dividende zu lösen scheint, weil sie dabei keine neuen Monopole durchsetzen kann, dann muss sie auch die politische Verantwortung übernehmen. Denn so fällt es wesentlich schwerer, den Ländern klarzumachen, dass es mit Abstand die bessere Lösung ist, auf ein mobiles Internet zu setzen statt alleine auf Festnetztechnik. Zumal die Telekom völlig zu Recht seit über zehn Jahren sagt, ein flächendeckender DSL-Ausbau sei viel zu teuer. Daher setzen wir auf einen Technologie-Mix mit Mobilfunk, Satellit, WiMAX, PreWiMAX, Richtfunk und Powerline.

Außerdem darf es keinesfalls dazu kommen, dass zugunsten der Telekom der Preis für das wichtigste Vorprodukt, das die Wettbewerber vom Ex-Monopolisten mieten müssen, die Teilnehmeranschlussleitung (TAL), künstlich hoch gehalten wird. Regulierte Preise müssen sich immer an realen Kosten und Marktgegebenheiten orientieren. Zu hohe TAL-Preise erschweren Investitionen - das wirkt sich auch auf die Mittel für einen Breitbandausbau aus.

Um eine aktuelle Datenbasis für eine gezielte und effiziente Schließung der Breitbandlücken zu haben, haben wir zudem gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund im November 2008 eine bundesweite Datenabfrage bei den Kommunen gestartet.

Der flächendeckende Glasfaserausbau ist momentan nicht finanzierbar

CW: Aber setzen Sie mit Funk am Beginn des Glasfaserzeitalters nicht auf Steinzeittechnik?

GRÜTZNER: Nein, wer bei 3 Mbit/s von Steinzeittechnik redet, redet das kaputt, was machbar ist. Und wenn wir es in Deutschland schaffen, immer von dem zu reden, was wir übermorgen haben wollen, und nicht das tun, was wir heute haben können, dann begehen wir einen massiven Fehler - und den schon viel zu lange. Wir sollten endlich versuchen, das zu tun, was wir können. Glasfaser auf dem Land wird es geben. Nach meiner Vorhersage sogar eher als in jeder Stadt, aber das ist in zwei oder drei Jahren nicht getan. Das ist aber auch nicht erforderlich, da die von den Kunden nachgefragten Bandbreiten für die heutigen Anwendungen nicht so hoch sein müsen wie das, was die Unternehmen derzeit schon teilweise anbieten. Dies geschieht oft auch aus Werbezwecken und um Kunden zu binden. Dass wir heute bis zu 25 Mbit/s anbieten, bedeutet nicht, dass diese Geschwindigkeiten wirklich von jedem gebraucht werden.

CW: Aber haben Sie heute - während der Finanzkrise - nicht die einmalige Chance, sich den bundesweiten Glasfaserausbau mit 40 bis 50 Milliarden Euro subventionieren zu lassen?

GRÜTZNER: Kein Mensch kann sich 40 bis 50 Milliarden Subventionen für den Glasfaser-Breitbandausbau leisten. Das ist nicht notwendig, und wir wollen das auch nicht. Die TK-Wirtschaft muss das tun, was Wirtschaft und Bürger benötigen. Wenn die Bürger diese Bandbreiten wünschen, dann werden sie auch dafür bezahlen. Künstlich Geld in einen Ausbau zu pumpen, der vom Bürger nicht nachgefragt wird, ist möglicherweise eine Investition zur Unzeit. Investiert man zu früh, dann investiert man zu teuer. Und wenn wir zu teuer investieren, sind wir mit dem Ausland genauso wenig konkurrenzfähig, als wenn wir zu spät investieren. Wenn wir die jetzige Phase nutzen, um flächendeckend in Glasfaser zu investieren, dann lösen wir uns von den volkswirtschaftlichen Zusammenhängen. Das ist weder gut noch gesund. Wir wollen keinen subventionierten TK-Markt, sondern einen, der sich selbst trägt. Das muss das Ziel sein. Alles andere sind Strohfeuer. Zudem können Sie kein Netz bauen, ohne hinterher auch den entsprechenden Content zu haben. Und wenn ich das Programm der Regierung analysiere, dann sind die Ziele und Fristen darin sehr ambitioniert. Es ist nicht Aufgabe des Staates vorher zu sagen, wie viel Mbit/s der Bürger braucht.

CW: Da wird Ihnen aber der Bürger, speziell die Generation Warcraft, etwas anderes erzählen.

GRÜTZNER: Dann sollen sie die Bandbreite auch bezahlen.

CW: Da schweigt diese Generation dann.

GRÜTZNER: Daher müssen wir mehr aus dem Cash flow ausbauen und nicht zusätzlich Milliarden Schulden machen ohne zusätzliche Einnahmen zu generieren..

CW: Bleiben wir beim Bezahlen. Wo würden Sie den mobilen Internet-Anschluss im ländlichen Raum preislich ansiedeln?

GRÜTZNER: Wir werden uns, egal welche Technik wir einsetzen, nicht stark von den bisherigen Internet-Tarifen differenzieren. Schließlich kostet auch eine Funktechnik Geld. Und wenn man auf dem Land ein paar Vorteile wie eine günstigere Miete hat, dann sind die Verbraucher vielleicht auch bereit, für den Internet-Zugang fünf Euro pro Monats-Flatrate mehr zahlen, weil die Technik aufwendiger ist. Das sind aber keine Differenzierungsmerkmale, die für ernsthafte Bauchschmerzen sorgen sollten, denn insgesamt lebe ich auf dem Land immer noch günstiger. Preissprünge von zehn bis 20 Euro wird es eher nicht geben - eventuell jedoch etwas weniger Bandbreite als in der Stadt.

CW: Was sind für Sie im ITK-Bereich die interessantesten Zukunftstechnologien?

GRÜTZNER: Hier muss ich leider passen, denn ich bin kein Techniker oder technischer Visionär. Ich denke, dass Touchscreens eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Aber gehen wir doch auf einfach auf die CeBIT, dort können wir uns das alles ansehen.