CSC-Chef im Interview

"Wir tanzen nicht auf jeder Hochzeit"

12.08.2009 von Joachim Hackmann und Heinrich Vaske
Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis. Gerhard Fercho, zuständiger CSC-Manager für Deutschland und Zentraleuropa, konzentriert sich in Krisenzeiten ganz auf die Key-Accounts.

CW: CSC legt bekanntlich einen geschäftlichen Fokus auf die Finanzbranche. Wie stark leiden Sie unter der Wirtschaftskrise?

Will nicht um jeden Preis mitbieten: CSC-Chef Gerhard Fercho.
Foto: CSC

Fercho: Den Kostendruck spüren wir selbstverständlich auch. Aber ich freue mich sagen zu können, dass CSC in Deutschland den Marktanteil unter unseren Key-Accounts, insbesondere den Großbanken, um 15 Prozent steigern konnte vom vorletzten aufs letzte Geschäftsjahr. Dort herrscht ein harter Verdrängungsmarkt.

CW: Gibt´s zurzeit überhaupt noch Neukundengeschäft für Sie?

Fercho: Wir fokussieren uns seit einiger Zeit auf das Key-Account-Management, auf Bestandskunden also. Aufgrund unserer 40jährigen Historie verfügen wir über eine große und stabile Kundenbasis, daher ist das für uns der sinnvollste Weg.

CW: Sie wollen keine Neukunden?

Fercho: Natürlich nehmen wir Neukunden gerne auf. Wir möchten uns aber auf die Kunden konzentrieren, denen wir auch wirklich einen Beitrag liefern können. Wir wollen nicht auf jeder Hochzeit tanzen, sondern nur dann anbieten, wenn wir auch wirklich etwas haben, womit wir uns differenzieren und dem Kunden weiterhelfen können.

CSC Deutschland hat Nachholbedarf bei Healthcare

CW: Traditionell ist CSC weltweit nicht nur auf die Finanzbranche, sondern auch auf den öffentlichen Sektor spezialisiert. Sind das ihre Schlüsselmärkte?

Fercho: Das sind in diesem Geschäftsjahr sicherlich zwei ganz wichtige Märkte, in denen wir weiteres Wachstum erwarten. Wir haben mit meinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren eine klare vertikale Struktur etabliert. Für uns sind insgesamt fünf Marktsegmente relevant. Neben Financial Services und dem Public Sector sind das Manufacturing, Health Services und der Komplex Technologie- und Handelsunternehmen sowie Versorger. CSC ist weltweit Marktführer im Healthcare-Bereich - ein klar strategischer Markt. Hier haben wir in Deutschland Nachholbedarf.

CW: Ist Ihnen diese von der US-Mutter übergestülpt worden?

Fercho: Im Gegenteil. Als ich angetreten bin, habe ich diese Organisationsform für meinen Verantwortungsbereich gewählt. Inzwischen hat der Konzern weltweit denselben Weg eingeschlagen. Allen Gesellschaften ist mittlerweile vorgegeben, diese Struktur zu leben. Für uns in Deutschland ist das von Vorteil, wir müssen uns nicht mit uns selbst beschäftigen. Wir gehen jetzt in das dritte Jahr mit einer nahezu unveränderten Organisationsstruktur.

Zur Person

Wer ist Gerhard Fercho?

  • Gerhard Fercho ist bei CSC als CEO verantwortlich für den Großraum Zentraleuropa. Außerdem ist er Vorsitzender der Geschäftsführung von CSC Deutschland.

  • Zuvor war Fercho CEO Central Europe und Deutschland-Chef von Atos Origin.

  • Der Manager hatte in seiner Karriere eine Reihe von Toppositionen bei IT-Unternehmen inne.

CW: Als wir uns vor etwa zwei Jahren gesprochen haben, lief bei CSC gerade das internationale Accelerate-Programm an. In dessen Rahmen wollte sich der Konzern neu aufstellen.

Fercho: Die Vertikalisierung ist Bestandteil des weltweiten Strategie-Programms "Accelerate" Wir waren in Deutschland gewissermaßen Vorreiter. Accelerate umfasst exakt diese Struktur mit den fünf vertikalen Bereichen und unseren Service-Lines. Über diese erzielen wir Skalen- oder Know-how-Effekte und in den vertikalen Bereichen die Lösungskompetenz für die jeweiligen Branchen. Hier ist der Konzern noch auf dem Weg, das weltweit auszurollen. In manchen Ländern wird schon so gearbeitet.

CW: Wie entwickelt sich denn der CSC-Umsatz in Deutschland aktuell? Ist in diesen Zeiten Wachstum möglich, wenn man sich nur um Bestandskunden kümmert?

Fercho: Wir haben im letzten Geschäftsjahr unseren Umsatz in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent gesteigert. Damit lagen wir deutlich über dem durchschnittlichen Marktwachstum von drei Prozent.

Weitere aktuelle Beiträge zum IT-Dienstleister CSC

Interview mit Gerhard Fercho vom Juni 2008 (COMPUTERWOCHE)

Cloud-Computing-Strategie von CSC (IT-Director.com)

CSC will zügig expandieren (Handelsblatt)

IT-Service-Markt - wer ist vorn? (COMPUTERWOCHE)

Keine schillernden Einzelprojekte

CW: Und wie haben Sie das erreicht?

Fercho: Meine Intention bei CSC ist es, Substanz zu schaffen. Die gute Entwicklung ist nicht auf schillernde Einzelprojekte zurückzuführen. Natürlich haben wir auch großvolumige Systemintegrations-Projekte. Aber was uns nach vorne gebracht hat, sind Kontinuität und Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren Bestandskunden. In Deutschland hat CSC im letzten Geschäftsjahr zum ersten Mal seit neun Jahren sämtliche Budgetvorgaben des Konzerns im Sinne von Ertrag, Umsatz und Cashflow übertroffen.

CW: Sie haben vor ein paar Jahren im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE gesagt, die Big Deals kämen bald. Wo sind sie geblieben? Sie sagten damals, um Aufmerksamkeit zu erlangen, seien solche großen Abschlüsse unabdingbar…

Die Hauptniederlassung von CSC in Wiesbaden.
Foto: CSC

Fercho: Ich bin schon sehr zufrieden mit den Big Deals, die wir abgeschlossen haben. Zum Beispiel Nobel Biocare, den wir Ende Juni unterschrieben haben, oder ein großes Storage-Projekt bei einem führenden Automobilhersteller - das sind schon Big Deals…

CW: Wie big denn?

Fercho: Es geht hier um hohe zweistellige Millionenbeträge. Darüber hinaus haben wir uns für weitere Großprojekte positioniert und sind aufgefordert worden, Angebote abzugeben. Aber wir betreiben den Aufwand nicht, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen. Es ist für einen IT-Dienstleister aufwändig, in einen Outsourcing-Wettbewerb um ein Großprojekt einzusteigen. Es gibt Projekte mit kompetenten Namen und hohen Volumen dahinter, wo wir frühzeitig entschieden haben, nicht mitzubieten.

CW: Gibt es derzeit noch viele Großausschreibungen?

Fercho: Es gibt viele Rebits im Markt, wo also bestehende Verträge auslaufen und neue Ausschreibungen stattfinden. Die Kunden möchten nicht einfach nur verlängern, sondern benchmarken. Da muss man als Anbieter im Vorfeld sehr genau qualifizieren. Ich bin hungrig auf Outsourcing-Deals, aber sie müssen passen und dürfen unsere Ertragsstärke nicht beeinträchtigen.

CW: Welche Größenordnung haben diese Rebits?

Fercho: Die sind schon ziemlich groß. Der Bombardier-Deal im letzten Jahr war eine Erneuerung und mit einem Volumen von knapp 800 Millionen Euro auch einer der größten Aufträge für uns. Wir haben zurzeit im Outsourcing-Bereich ein Angebot mit dreistelligem Millionenvolumen draußen. Ich hoffe, dass wir demnächst einen erfolgreichen Abschluss melden können. Er hat klare Auswirkungen auf Deutschland. Aber wir werden deswegen nicht nervös. Ich denke, es ist wichtig, in diesem schwierigen Wirtschaftsumfeld mit ruhiger Hand und mit Kontinuität und Nachhaltigkeit weiterzuarbeiten.

Unternehmenskultur klingt langweilig, ist aber entscheidend

CW: Das sind so Begriffe, die zurzeit inflationär gebraucht werden - auch in der Politik. Wie leben Sie diese Begriffe bei CSC?

Fercho: Auf der Geschäftsebene geht es um langfristige, gute Kundenbeziehungen und um Geduld. Man muss nicht bei jedem größeren Deal dabei sein. Intern geht es um Unternehmenskultur. Für viele mag das langweilig sein, für CSC ist das tatsächlich ein entscheidendes Thema. Als ich vor zweieinhalb Jahren antrat, gab es eine Reihe von Mitarbeitern, die sich nicht richtig ans Unternehmen gebunden fühlten. Also habe ich damals entschieden, dass mein primärer Kunde erstmal nicht der Kunde draußen am Markt ist, sondern der eigene Mitarbeiter.

Bei einem IT-Dienstleister ist der Mensch entscheidend. Er macht die Differenzierung aus. Deshalb sind Mitarbeiter, die stolz und selbstbewusst sind und sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen, absolut erfolgskritisch. Wir haben hier eine Menge Dinge unternommen. Gleich zu Anfang haben wir beispielsweise mit Unterstützung von Gallup eine Mitarbeiterbefragung gestartet. Basierend auf dem Feedback der Kollegen konnten wir intensive Aktionen aufsetzen, deren Fortschritte wir dann beobachtet haben - auch auf Geschäftsführungsebene. Das hat sich ausgezahlt. An der letzten Befragung beteiligten sich 86 Prozent unserer Mitarbeiter, deutlich mehr als je zuvor. Die Zahl derer, die voll committed sind, hat sich verdreifacht. Gallup sieht eine signifikante Verbesserung des Verhältnisses der Mitarbeiter zum Unternehmen.

CW: Ist Mitarbeiterzufriedenheit deshalb so entscheidend, weil Sie als Outsourcer immer wieder vor dem Problem der Personalübernahme stehen?

Fercho: Mitarbeiter, die durch einen strategischen Beschluss plötzlich nicht mehr zu dem Unternehmen gehören sollen, für das sie sich ja irgendwann einmal bewusst entschieden haben, fühlen sich zunächst verstoßen. Das kann auch negative Auswirkungen auf die verbleibenden Beschäftigten haben. Jedes Unternehmen, das auslagert, sollte sich deshalb unbedingt aufzeigen lassen, wie die Mitarbeiterintegration im neuen Unternehmen aussehen soll. Viele achten zu sehr auf Service Level Agreements, Preise, Verfügbarkeiten etc. Das ist ja auch in Ordnung, aber in Wirklichkeit ähneln sich die Kostenstrukturen der Anbieter weitgehend. Das Zünglein an der Waage ist das HR-Konzept. Wie integriert das neue Unternehmen die Mitarbeiter? Wie sieht der Prozess, die Governance dazu aus? Dieses Thema ist eine persönliche Leidenschaft von mir.

CW: Ihre Vorstellungen von Unternehmenskultur passen ja eigentlich ganz prima zu dem, was früher schon Klaus Plönzke ausgezeichnet hat: Hohe Wertschätzung der Mitarbeiter und deren Ausbildung als Kernkompetenz. Fühlen Sie sich als Seelenverwandter?

Fercho: Wir bekennen uns zu unseren Wurzeln. Das Unternehmen hat in Deutschland eine 40jährige Historie. Das ist eine starke Substanz, von der wir kommen. Andererseits glaube ich, dass eine Kultur genauso wie Technologien oder Verfahren dem Wandel unterworfen sind. Die Kultur war in der Vergangenheit gut und richtig, aber die heutige differenziert sich schon deutlich von der vor 40 Jahren. Und das ist auch gut so. Heute sind wir Teil eines globalen Konzerns und mit rund 92.000 Mitarbeitern weltweit die Nummer Drei - das muss sich auch in der Unternehmenskultur widerspiegeln (Lesen Sie auch, was Klaus Plönzke heute macht).