Demand-Management

Will der Anwender wirklich, was er fordert?

29.10.2010 von Christoph Dewey
Die Anforderungen an IT-Services und die Erwartungen der internen Kunden sind zweierlei - und passen nicht immer zusammen.
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Nicht nur harten ökonomischen Abwägungen müssen sich die IT-Services heute stellen. Vielmehr treffen sie auch auf emotional bedingte Wahrnehmungen. Freizeit opfern zu müssen, weil beruflich genutzte IT-Services nicht funkionieren, ist eine Erfahrung, die viele Menschen schon gemacht haben und die ihr Urteil über die IT spürbar beeinflusst.

Grundsätzlich ist die Zufriedenheit eines Kunden das Resultat eines Vergleichs zwischen der erhaltenen Leistung und seinen Erwartungen. Also geht es erst einmal darum, die Erwartung des Kunden über den gesamten Lebenszyklus eines IT-Services richtig zu verstehen. Hier sind drei Kundengruppen mit unterschiedlichen Erwartungen zu bedienen:

Die Erwartungen der Schlüsselkunden im Überblick
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Dazu ein Beispiel: Nach einem Unternehmenszukauf ist das Topmanagement daran interessiert, schon in der nächsten Pressekonferenz einen konsolidierten Quartalsabschluss präsentieren zu können. Das operative Management muss die geplante Synergie erzielen; deshalb setzt es seinen Schwerpunkt zum Beispiel bei der Stammdatenintegration für Cross-Selling-Effekte oder Produktionsverbund-Optionen. Der Anwender in der Konstruktionsabteilung will hingegen, dass seine neuen Kollegen möglichst schnell im Active Directory der Firma verfügbar sind.

Was und wie - aber auch warum

Anwender werden unzufrieden, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Und das kann leicht passieren. Nur selten werden die Nutzergruppen repräsentativ im Demand-Management der IT abgedeckt.

Die Erwartungen der Schlüsselkunden verändern sich im Lebenszyklus der IT-Services
Foto: Dewey & Partner

Er reicht meist nicht aus, nur die Anforderungen aufzunehmen, die die Anwender verbal äußern. Denn oft geht aus dem "Was" nicht hervor, was der Kunde wirklich erwartet, also das "Warum". Deshalb ist die Lösung, das "Wie", am Ende häufig eine Enttäuschung. Das Warum muss alle Entscheidungen beeinflussen, die während des Service-Lebenszyklus getroffen werden. Denn "nichts falsch machen" heißt nicht unbedingt "das Richtige machen".

Der Vorteil der internen IT

Interne IT-Organisationen sind hier gegenüber externen Dienstleistern klar im Vorteil. Sie kennen ihre Kunden und können sie von Anfang an in die Servicegestaltung einbinden, sprich: die Erwartung direkt abfragen und gegebenenfalls beeinflussen. Diesen Vorteil sollten sie systematisch nutzen.

Um Kundenerwartung und Kundenanforderungen zu verbinden, muss man verstehen, welchen Nutzen eine erfüllte Anforderung generiert, welche Konsequenzen sie hat und welches Erfahrungswissen der Kunde mitbringt. Wer diese Verbindung kennt, kann die Erwartungen steuern, indem er zielkundengerecht kommuniziert.

Der Kunde artikuliert viele Anforderungen gar nicht, weil sie entweder außerhalb seiner Erwartung liegen oder er sie schlichtweg als selbstverständlich ansieht (Grundanforderungen). Deshalb sollte die interne IT-Organisation weitere Fragen stellen:

Fallbeispiel: ERP-Harmonisierung

Wie das in der Praxis aussehen kann, lässt sich an einem Beispiel darstellen: Ein Konzern will nach intensivem Wachstum durch Akquisitionen das Geschäftssystem der operativen Einheiten vereinheitlichen. Dazu sollen unter anderem alle lokalen ERP-Systeme schrittweise durch einheitliche Services ersetzt werden.

Die Voice-of-Customer-Matrix am Beispiel der ERP-Harmonisierung.
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Nun verfügt die interne IT über eine moderne Organisation mit einem Anforderungs-Management für ERP-Services und einem Kunden-Management, das die segmentspezifischen Anforderungen der internen Kunden kennt. Für die Projektplanung hat der CIO ein Team aus beiden Teilfunktionen zusammengesetzt. Es nimmt die Erwartungen der drei Schlüssel-Kundengruppen auf. Danach wird gemeinsam mit den Kunden eine "Voice-of-Customer"-Matrix erstellt.

Nehmen wir an, hier wird zu einem frühen Zeitpunkt offenbar, dass sich die artikulierten Anforderungen kaum eignen, um wesentliche Ziele der ERP-Harmonisierung zu erreichen, sprich: die Kommunikation und Kooperation zwischen den aus unterschiedlichen Ländern stammenden Kollegen zu verbessern. In diesem Fall muss der IT-Demand-Manager unbedingt eine weitere Iterationsschleife einlegen.

Auf der anderen Seite gibt es zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch Serviceanforderungen, die wenig zur Erfüllung von Kundenerwartungen beitragen. Es lohnt sich, diese Anforderungen ein weiteres Mal zu betrachten - hinsichtlich ihres Wertbeitrags und Kosteneffekts. Möglicherweise lassen sie sich ja streichen, um ein kostengerechtes Servicedesign zu gewährleisten.

Was bedeutet kohärente Planung?

Nachdem die Kundenanforderungen ermittelt und in Bezug zu den wirklichen Erwartungen gesetzt sind, beginnt die Entwicklung der Design-Charakteristika (Qualitätsforderungen). Hier müssen die Kundensprache ("Was") und die Lösungssprache ("Wie") zueinander passen. Welche Charakteristika der Services entsprechen den Kundenanforderungen und tragen gleichzeitig dazu bei, die Kundenerwartung zu erfüllen? Das Designteam, idealerweise ein Cross-funktionales Team aus Anwendungsentwicklung, Infrastruktur, Betrieb sowie Qualitäts- und Prozessverantwortlichen, erstellt eine möglichst vollständige Liste von Servicecharakteristika. Dabei konzentriert es sich aber vor allem auf die Anforderungen, mit denen sich die Kundenerwartungen umsetzen lassen. Das versteht man unter einer kohärenten Planung.

Misslingt sie, so zeigen sich die Symptome beispielsweise im User Helpdesk: Ein Kunde, der schon beim Erstkontakt eine Lösung bekommen will (First Call Resolution), wird unzufrieden reagieren, falls sein Problem zunächst nur aufgenommen wird. Sogar dann, wenn es innerhalb der gesetzten Frist gelöst ist, stellt sich höchstens eine moderate Zufriedenheit ein. Begeisterung ist "per Service-Design" ausgeschlossen.

Soll ein kohärentes Bild zwischen Serviceangebot und Kundenzufriedenheit entstehen, müssen alle Serviceelemente (Applikationen, Prozesse, Operation) durchgängig zur Kundenerwartung in Bezug gesetzt werden. Und es ist unbedingt darauf zu achten, dass diese Verbindung hat über den gesamten Lebenszyklus erhalten bleibt. Sonst verändern sich in Zeiten knapper Ressourcen oder steigender Compliance-Anforderungen möglicherweise die Parameter der Lösung, ohne dass die Wirkung auf die Kundenzufriedenheit geprüft wird.

Sieben Regeln für die Zufriedenheit der IT-Kunden

  1. Kundenzufriedenheit beginnt im Management. Nur durch Kundenorientierung in der gesamten IT-internen Kooperationskette entsteht exzellenter Kundenservice.

  2. Design und Management von IT-Services müssen die rationale, aber auch die emotionale Ebene berücksichtigen.

  3. Das Service-Design sollte zielgruppenspezifisch vorgehen und Anforderungen sowie Erwartungen in angemessener Gewichtung repräsentieren.

  4. Das Service-Management muss über den gesamten Service-Lebenszykus sicherstellen, dass die Kundenerwartung Einfluss auf jede Änderungsentscheidung in der Servicegestaltung hat.

  5. Wichtig ist der Zusammenhang zwischen explizit geäußerten Anforderungen und impliziten Erwartungen. Besteht hier Unsicherheit, so sollten zusätzliche Gespräche geführt werden.

  6. Der interne Service-Provider sollten den Vorteil der Kundenintimität strukturiert und systematisch nutzen, also ein kohärent auf die Kundenzufriedenheit ausgerichtetes Vorgehen wählen.

  7. Die Kohärenz zwischen der Kundensprache (Was?) und der Lösungssprache (Wie?) muss ebenfalls sichergestellt sein.