Rekordsumme

Wikipedia sammelt Spenden für Computer und Köpfe

07.01.2010
Die letzte Sprendenrunde lief gut für die Enzyklopädie Wikipedia. Das Geld wird aber auch an allen Ecken gebraucht.

Das Online-Lexikon Wikipedia ist kostenlos und werbefrei. Doch das "Wissen der Welt", das die Macher in ihrer Enzyklopädie sammeln wollen, gibt es nicht zum Nulltarif. Server, hauptamtliche Mitarbeiter und Förderprogramme kosten Geld. Daher gilt für den Etat das gleiche für die Artikel: Die Nutzergemeinde ist gefragt. Bei der jährlichen Spendenaktion, die von Anfang November bis jetzt lief, sammelte die Mitmach-Enzyklopädie eine Rekordsumme. Damit kann der große Rivale der traditionellen Lexikon-Verlage auch im neuen Jahr in Computer und Köpfe investieren.

Das organisatorische Rückgrat des Internet-Portals ist die Wikimedia Foundation. Die amerikanische Stiftung hält die Rechte an der mittlerweile weltweit bekannten Marke und betreibt die technische Infrastruktur. Lokale Vertretungen unterstützen die Arbeit der Zentrale - hier der Verein Wikimedia Deutschland. "Wir sind ein eigenständiger gemeinnütziger Verein", sagt Geschäftsführer Pavel Richter. Damit seien auch Spenden an die deutsche Sektion steuerfrei.

Bei der Spendenkampagne über den Jahreswechsel erhielt Wikimedia Deutschland mit 614 000 Euro fast doppelt so viel wie im Vorjahr. 20.000 Spender beteiligten sich. "Wir sind überwältigt von diesem Zuspruch", sagte Sebastian Moleski, Vorsitzender von Wikimedia Deutschland. Die US-Stiftung nahm acht Millionen US-Dollar (5,6 Millionen Euro) ein, ein Plus von fast zwei Millionen Dollar.

Dass Wikipedia nicht ohne die Beiträge der Internetnutzer kann, zeigt ein Blick in den derzeit aktuellsten Jahresbericht aus dem Jahr 2008. 444.000 Euro nahm der Verein damals ein, 84 Prozent davon (376.000 Euro) stammten aus Spenden. Ohne sie sähe es düster aus.

Den größten Batzen seiner Einnahmen gibt Wikimedia Deutschland für das Personal aus - 2008 rund ein Drittel des Etats. Derzeit hat der Verein zehn hauptamtliche Mitarbeiter, die sich auf sechs volle Stellen verteilen. Sie managen das Projekt, kümmern sich um die Technik oder geben der Presse Auskunft. Drei weitere Stellen hat der Verein ausgeschrieben, unter anderem für einen Fundraiser, der Spenden organisieren soll.

Beträchtliche Summen kostet auch die technische Infrastruktur, die für die Speicherung der Millionen von Artikeln und Fotos nötig ist. Die US-Stiftung plant 2010 dafür allein 3,3 Millionen Dollar ein. Und der deutsche Förderverein hat 20 Server in Amsterdam aufgestellt, um die Rechner in den USA zu entlasten und die Leser schneller zu bedienen. Ausbau und Betrieb kosteten den Verein im vergangenen Jahr rund 100.000 Euro.

Ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht

Doch das Mitmach-Lexikon wäre nichts ohne seine ehrenamtlichen Mitarbeiter. Deswegen investiert der Verein nicht nur in Computer, sondern auch in Köpfe. "Ein Großteil der Autoren ist 20 bis 30 Jahre alt, männlich und Internet-affin", sagt Richter. Der Verein will daher Schüler und Ältere anlocken.

In einem Schulprojekt etwa können Lehrer und Referendare lernen, wie man das Lexikon im Unterricht nutzen kann. "Als Hilfe bei den Hausaufgaben ist Wikipedia ja jetzt schon beliebt", sagt Richter augenzwinkernd. Auch auf die Erfahrung der Generation 50+ wollen die Macher nicht verzichten. Daher arbeitet Wikimedia Deutschland mit Seniorenverbänden zusammen.

Werbung machen, schulen, motivieren: Dafür stehen Posten wie die rund 20.000 Euro, die Verein 2008 für Lehrfilme ausgab, oder die rund 12.000 Euro für Veranstaltungen der Community. Oder die 8.000 Euro Preisgeld für die Zedler-Medaille, mit der die besten neuen oder überarbeiteten Artikel ausgezeichnet werden.

Die Spendenaktion zeigte auch, welches Thema im neuen Jahr eine große Rolle spielen dürfte. Über eine Kommentarfunktion machten viele Nutzer ihrem Ärger über die rigide Löschung von Einträgen Luft. Diese Relevanz-Debatte erhitzt seit mehreren Monaten die Gemüter, mancher ehrenamtliche Autor hat sich gar von der Wikipedia verabschiedet. Ein Michael kommentierte daher seine Ein-Euro-Gabe: "Dies war einmal eine 100-Euro-Spende. Leider wurden 99 Euro davon mangels Relevanz gelöscht!" (dpa/ajf)

Mehr dazu?

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales im CW-Interview