Softwarelizenzierung in der Automobilindustrie

Wie vernetzte Fahrzeuge neue Geschäftsmodelle ermöglichen

19.07.2016 von Manfred Bauer  IDG ExpertenNetzwerk
Obwohl der Begriff "Connected Car" bereits in aller Munde ist, liegt ein Großteil der zu erwartenden Innovationen noch vor uns. Der überwiegende Anteil aller neuen Technologien wird getrieben von Elektronik und Software.
Connected Car: Das vormals rein physische Produkt "Fahrzeug" wird zunehmend digitaler.
Foto: Syda Productions - shutterstock.com

Geschäftsentscheidende Innovationen werden auch in der Automobilindustrie in Zukunft immer stärker in Software realisiert. Infotainment-Systeme, GPS-Navigation, in der Cloud gespeicherte Wartungshistorie oder eine Autopilot-Funktion via Software-Update - das vormals rein physische Produkt "Fahrzeug" wird zunehmend digitaler. Mit dem "Fahrzeug-as-a-Service" können Hersteller ihre Kundenbeziehungen vertiefen und fortlaufend Lösungen anbieten, die auf die wechselnden Kundenbedürfnisse abgestimmt sind. Gleichzeitig erzielen sie höhere Gewinne durch wiederkehrende Erträge aus verkauften Hardware-Upgrades, Apps und Service.

Diesem Trend folgen auch die Geschäftsmodelle. Dabei liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Kombination einer Hardware-Plattform (in diesem Fall das Fahrzeug) mit Softwareanwendungen, die entsprechende Features und Funktionalitäten steuert. Lizenzierung und Berechtigungsmanagement steuern den Zugriff von Kunden auf Funktionen und Services, entsprechend der erworbenen Nutzungsrechte.

Durch diesen Wandel sind Hersteller in der Lage, den Kundenkontakt und die Services über den Kauf des Fahrzeugs hinaus kontinuierlich auszubauen und zu verbessern. Funktionen und Services können bei Bedarf bereitgestellt oder durch den Kunden erworben werden. Hersteller profitieren damit von wiederkehren Umsätzen über den kompletten Lebenszyklus des Fahrzeugs, Kunden nutzen aktuelle Services und sind erstmalig in der Lage Konfiguration und Software-Ausstattung eines bestehenden Fahrzeugs zu ändern und damit an sich ändernde Bedürfnisse anzupassen.

Beispiele für neue Geschäftsmodelle

Die Geschäftsmodelle, die heute bereits Anwendung finden oder in Planung sind, zeigen eine deutliche Ähnlichkeit zu Modellen, die in der Softwarebranche lange etabliert sind. Einige Beispiele:

Flexibler Bezug von Software und Funktionen

In der "Sharing Economy" wird vieles zeitlich limitiert genutzt. Wo bisher der Kauf im Vordergrund stand, abonnieren Kunden die Nutzung von bestimmten Funktionen über einen bestimmten Zeitraum. Kunden möchten nicht mehr pauschal für eine unbefristete Nutzung bezahlen, sondern erwarten Pakete aus Produkt und Service, die sich flexibel und schnell an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen lassen. Das gilt gleichermaßen für die IT, in der Software und Infrastruktur zunehmend in die Cloud ausgelagert und pro Monat oder Quartal bezahlt werden oder auch aus dem Consumer-Bereich, in dem Dienste wie Spotify längst den Kauf von Alben in den Schatten gestellt haben.

Neben rein zeitlich begrenzten Abo-Modellen wie Drive Now ist künftig auch Pay-per-Use denkbar.
Foto: DriveNow GmbH

Die Vorteile dieser Abo- oder Subscriptions-Modelle: Anwender können bei den Anschaffungskosten sparen, die Investition als Betriebskosten verbuchen und die Nutzung flexibel kündigen oder verlängern. Das lässt sich auch auf das Connected Vehicle anwenden, etwa im Bereich Entertainment, in dem bestimmte Funktionen nur für eine bestimmte Zeit interessant sind oder wo z. B. bei Leasingfahrzeugen der Nutzer nach einer bestimmten Zeit wechselt und damit völlig neue Ansprüche an die Entertainment-Funktionen zum Tragen kommen.

Dynamische Geschäftsmodelle werden es ermöglichen, kundenindividuelle Konfigurationen über Abo-Modelle zu realisieren. Neben rein zeitlich begrenzten Modellen sind künftig auch andere Bezugsformen denkbar, zum Beispiel nutzungsbasierte Preismodelle (Pay-per-Use), bei denen der Kunde nur noch bezahlt was er wirklich nutzt, die Zahlung eines Sockelbetrags und Nachzahlung bei Übernutzung (Pay-for-Overage) oder Testversionen. Erste Studien beispielsweise von Accenture oder dem Fraunhofer Institut für Arbeitstechnik belegen, dass Anwender durchaus bereit sind für derartige Mehrwerte zu zahlen, z. B. für ein Software-Update das autonomes Fahren ermöglicht.

Freischalten und Aktivieren von Funktionen (Features):

Jeder kennt die Situation: Nach langen Überlegungen wird ein Fahrzeug mit einer bestimmten Konfiguration gekauft. Bei der Nutzung stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass bestimmte Funktionen fehlen oder der Hersteller verbessert sein Angebot und stellt Funktionen bereit, die es zum Kaufdatum schlicht noch nicht gab. Früher war dies nicht bzw. nur durch den Kauf eines neuen Wagens zu lösen, heute ist die nachträgliche Freischaltung oder Ergänzung von Funktionen denkbar und in vielen Branchen bereits Realität.

Die einzige Anforderung dafür ist, dass der Hersteller bereits bei der Entwicklung berücksichtigt, dass Funktionen später per Lizenz aktiviert werden können. Sind Hardware und Software entsprechend vorbereitet, können bereits vorhandene Funktionen auf Kundenwunsch aktiviert werden oder gänzlich neue Funktionen per Update zur Verfügung gestellt werden. Die Bestellung kann dank der fortschreitenden Vernetzung in Zukunft direkt durch den Kunden erfolgen und direkt eine Online-Aktivierung auslösen. So können sie z. B. Spielfilme oder Videospiele kurzfristig freischalten und zahlen dabei statt einem monatlichen Abopreis lediglich für die Dauer der nächsten Ferienfahrt. Das einzelne Softwareprodukt (Infotainmentsystem) wird damit in seine Leistungsmerkmale aufgeteilt und in individuellen Paketen zu unterschiedlichen Preisen angeboten, ohne dass Herstellungskosten für die Hardwareausstattung anfallen.

Regelmäßige Update von Softwarekomponenten im Fahrzeug werden damit zum Standard und werden künftig kontinuierlich durchgeführt und nicht mehr ausschließlich beim Werkstattbesuch. Erste Beispiele sehen wir bereits heute beim Update von Kartenmaterial oder Entertainment-Funktionen. Automatische Helfer können mit verbesserter Software im Auto erneuert werden, wie zum Beispiel Personen-Erkennung auf der Straße, Abstandswarner, Autopilot-Funktionalitäten.

Nutzen von Daten, um Kunde und Hersteller näher zusammenzubringen

Erfolgreiche Kundenservices setzen eine Kenntnis des Nutzungsverhaltens und der Kundenpräferenzen voraus. Neue servicebasierte Geschäftsmodelle, die mit dem Internet der Dinge in viele Branchen Einzug halten, sind darauf ausgelegt, das Kundenerlebnis zu optimieren indem der Zugang zu einem Produkt und dessen Nutzung so einfach und komfortabel wie möglich gestaltet werden und gleichzeitig Transparenz hinsichtlich Verbrauch und Nutzung für Kunde und Anbieter hergestellt werden. Das Gerät wird zum Service, die Bezahlung erfolgt nicht mehr für das Gerät selbst, sondern vielmehr für den Verbrauch oder sogar für das erzeugte Ergebnis. Beispiele gibt es etwa im Bereich medizinischer Geräte, die pro Einsatz bezahlt werden. Das zugrundeliegende Geschäftsmodell basiert auf den zur Verfügung gestellten Nutzungsdaten.

Mit veränderten Mobilitätsanforderungen haben wir das gleiche Thema "Vehicle-as-a-Service", das entsprechend der Kundenbedürfnisse unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Denkbar sind etwa fahrerlose Transportsysteme, sowohl im LKW- als auch im PKW-Bereich.

Von dieser Entwicklung profitieren Kunden und Hersteller gleichermaßen. Kunden werden neue Services sehen, die maßgeschneidert für ihre Ansprüche sind und Hersteller werden durch die Analyse von Nutzungsdaten ein sehr viel besseres Verständnis davon haben, wie das Endprodukt eingesetzt wird und können mithilfe dieser Informationen gezielt an Produktverbesserungen und -erweiterungen arbeiten. (mb)