Insider-Wissen

Wie Softwareanbieter ihre Preise kalkulieren

03.08.2011 von Sonja Lehmann und Thomas Lünendonk
Angesichts von Cloud Computing und Software as a Service (SaaS) stellt sich den Softwareunternehmen immer drängender die Frage nach ihrer Preisgestaltung. Anwenderunternehmen müssen sich auf die neuen Strategien einstellen.
Foto: Fotolia/Vimarovi

Die Preisstrategien der Softwareanbieter wandeln sich ständig. Galten in den Kindertagen der IT fast ausschließlich Honorare für Entwickler als Kalkulationsgrundlage, so tendierte der Markt in den 1980er Jahren zu den Lizenzgebühr-Modellen; Standardsoftware zu Standardkonditionen rückte in den Mittelpunkt. Je nach Marktsegment sowie Exklusivität und Qualität der Produktion ließen sich mit "Konfektion" exzellente Umsatz- und Ertragswerte erzielen.

Nun ist dieser Markt gesättigt oder zumindest enger geworden. Ein wesentlicher Teil des Geschäfts resultiert inzwischen aus Erweiterungen sowie Updates beziehungsweise Upgrades bereits installierter Softwarelösungen und deren Wartung.

Nutzer werden preisbewusster

Gleichzeitig sind die Käufer und Nutzer von IT-Lösungen kompetenter und preisbewusster geworden. Sie verlangen nicht nur neueste Technologie, sondern auch innovative Geschäftsmodelle, die ihren ökonomischen Grundanforderungen entsprechen und Spielräume für Flexibilität in Leistung und Preis bieten.

Hinzu kommt, dass Software und Service kein "Kartongeschäft" ist. Dank gestiegener Bandbreiten werden sie über das Netz bestellt, geliefert sowie schnell und variabel genutzt. Das ändert nichts am Aufwand, den Softwareanbieter in die (Weiter-)Entwicklung stecken müssen. Im Gegenteil: Waren die Zyklen für Updates und Upgrades früher nach Jahren sortiert, so erfolgen sie heute oft in Wochenabständen.

Preismodelle aus anderen Branchen lassen sich nicht ohne Weiteres auf Softwareprodukte übertragen. Das liegt an den spezifischen ökonomischen Spielregeln der Softwarebranche. Beispielsweise sind Softwareprodukte häufig von Netzeffekten geprägt, wobei der Wert des Produkts durch seinen Verbreitungsgrad beeinflusst wird.

Diese Zusammenhänge erforscht die Studie "Einflussfaktoren und Erfolgsauswirkungen der Softwarepreisgestaltung", entstanden am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Software Business und Information Management an der TU Darmstadt. Die Ergebnisse erscheinen in Kürze als Buch unter dem Titel "Preisstrategien in der Softwareindustrie" im Verlag Dr. Kovac.

Kostenfalle IT-Dienstleister-Wechsel
Der Wechsel des IT-Providers birgt Kostenfallen.
Die Marktforscher der GfK und Serviceplan haben in einer Studie herausgefunden, dass die Markentreue der Deutschen weiter schwindet. Der für Konsumgüter ermittelte Trend der nachlassenden Kundenbindung lässt sich auch in anderen Bereichen feststellen, zum Beispiel bei hochwertigen Investitionsgütern wie Automobilen, aber auch im Dienstleistungssektor. Welche Zahlungen schnell den Preisvorteil auffressen lesen Sie hier:
Böse Überraschung durch Einmalkosten
Ganz so einfach ist es bei komplexen IT-Dienstleistungen nicht. Dennoch sind auch in diesem Sektor die Wechselhürden deutlich gesunken. Allerdings sollten wechselwillige Unternehmen nicht den Fehler machen, in ihrer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung allein die laufenden Betriebskosten für die kommenden Monate als Entscheidungsgrundlage zu nehmen. In diesem Fall könnten sie eine böse Überraschung durch die anfallenden Einmalkosten erleben. Die antizipierten Einsparungen können nämlich im schlimmsten Fall von den Wechselzahlungen komplett aufgezehrt werden.
Kostenfalle Transition
Als Transition wird der Übergang der Betriebsverantwortung von einem Dienstleister auf einen anderen bezeichnet. Bevor der neue Provider diese Verantwortung übernimmt, wird er sich eingehend auf seine Aufgaben in einem dem Wechsel vorausgehenden Projekt vorbereiten. Achtung: Die Kosten hierfür sind in der Regel nicht in den laufenden Aufwendungen für den Betrieb enthalten, sondern werden separat abgerechnet. Viele Anbieter weisen hierfür im Rahmen der Ausschreibung eine erste Preisindikation aus, die jedoch immer mit Vorsicht zu betrachten ist.
Migrationskosten für Hard- und Software einkalkulieren
Neben der Transition findet in vielen Fällen auch eine so genannte Migration statt. Das heißt, der Übergang der Betriebsverantwortung wird genutzt, um die unterliegende Technik entweder auf den neuesten Stand zu bringen oder an den Bedürfnissen des neuen Betreibers auszurichten. Hier sollte im Rahmen der Ausschreibung klar herausgearbeitet werden, ob die Kosten der neuen Technologie in den Betriebspreisen enthalten sind oder nicht. Eine andere Konstellation ergäbe sich, wenn der Kunde zur Bereitstellung der Technik verpflichtet ist und die Wünsche des neuen Serviceanbieters zu Mehrkosten führen.
Transformation der Daten beachten
Neben der Transition und Migration muss auch noch die Transformation bedacht werden. Mit Transformation ist die Überführung von Daten in ein anderes Format gemeint. In der Regel sind dies im Rahmen eines Provider-Wechsels aber spezielle Fragestellungen, deren Behandlung in einem allgemeinen Überblick den Rahmen sprengen.
Interne Projektkosten einberechnen
Nicht vergessen werden sollte, dass auch der Kunde den Übergang von einem Dienstleister zum anderen steuern und begleiten muss. Hier kommt es selbstverständlich auch auf den Umfang der Transition, Migration und Transformation an. Für die Projektdauer sollte zumindest ein Projektleiter vom Kunden eingeplant werden. Typischerweise fallen hier etwa zwischen drei und sechs Monaten Projektlaufzeit mit einem zeitlichen Arbeitsaufwand von 50 bis 100 Prozent an.
Parallelbetrieb zur Sicherheit schlägt zu Buche
Da in der Regel der Übertritt nicht so einfach vonstatten geht wie beim Wechsel eines Stromanbieters, muss als Rückfalllösung auf jeden Fall ein Parallelbetrieb der IT-Services beim alten wie auch beim neuen Dienstleister eingeplant werden. Je nach Komplexität des Service sind hier mehrere Monate Parallelbetrieb einzukalkulieren. Konservativ gedacht ist im Durchschnitt mit drei Monaten zu rechnen, jeder schnellere Wechsel verbessert dann die Wirtschaftlichkeit.
Schulungen und Infomaterial nicht vergessen
Für alle Fälle sind für den Wechsel des Dienstleisters Schulungen und/oder Informationsmaterialien für die Anwender zu berücksichtigen. Wenn es nicht gelingt, hierfür den neuen Anbieter als Sponsor zu gewinnen, sollte etwa ein Prozent der jährlichen Kosten des Service hierfür eingeplant werden.
Schnittstellen und Anpassungen kosten Geld
Schließlich sollten auch noch technische und logische Schnittstellen betrachtet werden, zum Beispiel die Einrichtung einer neuen WAN-Verbindung zum neuen Dienstleister, die Anpassung von Schnittstellen, die Änderung von Firewall-Regeln etc. Hier können kumulativ auch noch zusätzliche Kosten in Höhe von bis zu fünf Prozent der jährlichen Servicekosten anfallen.
Fazit
Bei geringfügigen Unterschieden in den laufenden Kosten zwischen zwei Dienstleistern kann sich bei genauer Betrachtung der Wechselkosten herausstellen, dass sich eine Ablösung des Providers gar nicht lohnt - oder nur bei einer verlängerten Laufzeit. Auf jeden Fall sollten diese Kosten vor einer Entscheidung für oder gegen einen Umstieg genau ermittelt werden und in die Entscheidung mit einfließen.

Der Baukasten der Preisgestaltung

Die befragten Softwareanbieter sehen sich bei ihren Preismodellen einer Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber. Sie können sich jedoch an den folgenden sechs Parametern orientieren:

  1. Die Preisbildung vollzieht der Softwareanbieter entweder allein oder interaktiv mit dem Kunden, zum Beispiel in einer Auktion oder Verhandlung.

  2. Die Struktur des Zahlungsstroms legt fest, ob der Kunde durch einmalige Zahlung ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht erwirbt oder ob er regelmäßig zahlt. Denkbar sind auch Kombinationen, beispielsweise monatliche Zahlungen zuzüglich einer Einrichtungsgebühr.

  3. Die Bemessungsgrundlage, auch Preismetrik genannt, ist die Einheit, auf die sich der Preis bezieht. Sie wird unterschieden in nutzungsabhängige und -unabhängige Einheiten. Zu Letzteren gehören der Named User und der Concurrent User. Im Gegensatz dazu bepreisen die nutzungsabhängigen Bemessungsgrundlagen die tatsächliche Softwarenutzung.

    Hier ist beispielsweise ein Entgelt für jede ausgeführte Transaktion der Software denkbar. Ebenfalls vorstellbar ist die Berechnung nach Nutzungsdauer, beispielsweise für jede Minute, in der eine Software vom User verwendet wird.

  4. Die Preisdifferenzierung ist ein klassischer Parameter der Preisgestaltung. Prinzipiell gleichartige Produkte werden dabei verschiedenen Kunden zu unterschiedlichen Preisen angeboten.

  5. Preisbündelung bedeutet, mehrere Teilleistungen unter einem Gesamtpreis anzubieten - bisweilen sogar Leistungen unterschiedlicher Anbieter.

  6. Eine dynamische Preisstrategie ermöglicht die Veränderung des Preises über die Zeit. Beispielsweise kann der Anbieter vorübergehend einen geringen Einstiegspreis festsetzen, um eine möglichst große Marktdurchdringung zu erzielen.

Flexible Modelle stoßen auf Skepsis

Der Schwerpunkt der Expertenbefragung lag auf der Bemessungsgrundlage, weil sie für die Softwareanbieter von besonderer Bedeutung ist. Demnach besteht großes Interesse an neuen, flexiblen Preismodellen. Doch die meisten Kunden scheuen das Risiko, das damit verbunden ist.

Auch die Softwarehersteller äußerten Skepsis gegenüber rein nutzungsabhängigen Preismodellen. Wie sie konstatierten, müssen bei dieser Form der Preisgestaltung die Kosten für Monitoring und Rechnungserstellung berücksichtigt werden. Eine erschwerte Umsatzprognose und verstärkte Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation der Kunden wurden ebenfalls als Hinderungsgründe genannt.

Preismodelle von SaaS-Lösungen

Untersucht wurde auch der Staus quo der Bemessungsgrundlagen für SaaS-Lösungen (Software as a Service). Demzufolge finden ausschließlich nutzungsabhängige Preismodelle kaum Verbreitung. Vorherrschend sind die aus der On-Premise-Welt bekannten User-basierenden Preiskonzepte.

Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Bemessungsgrundlage richtet sich häufig danach, welche Preismodelle der jeweilige Marktführer oder die direkten Wettbewerber verwenden. Allerdings wählen erfolgreiche Softwarehersteller bewusst bestimmte Bemessungsgrundlagen oder Kombinationen, um strategische Ziele zu erreichen.

Beispielsweise kann die Wahl einer Firmenlizenz die Verbreitung der Software in einem Kundenunternehmen und damit die Nachfrage nach Schulungsleistungen fördern. Ein zusätzliches Preismodell "Preis je Transaktion" hingegen macht die Software unter Umständen für kleine Kundenunternehmen attraktiver. Wer überwiegend Preismodelle der Konkurrenz übernimmt, verzichtet also auf strategisches Gestaltungspotenzial. (qua)