Wir treiben Sport, gehen zum Zahnarzt und kontrollieren unsere Blutwerte. Doch nur wenige Menschen sorgen vor, wenn es um ihre seelische Gesundheit geht. Psychische Erkrankungen machen heute knapp zehn Prozent aller Ausfalltage aus, ermittelte kürzlich das wissenschaftliche Institut der AOK. "Firmen tun gut daran, ihren Leistungsträgern zu zeigen, wie sie sich vor Burnout schützen", fordert Christina Henn-Roers, ehemalige IT-Projektleiterin und heute Expertin für Burnout-Prävention.
Problematisch sei vor allem das dauerhaft hohe Stresspotenzial der Branche: Projektarbeit unter Zeitdruck, ungeplante Mehraufwände und anspruchsvolle Service- Level-Agreements ließen keine Zeit für Erholung. "Ständiger Kosten- und Innovationsdruck überfordert die Menschen und macht sie krank", weiß Henn-Roers. Denn in ihrem Engagement für Team und Projekt gingen viele IT-Mitarbeiter regelmäßig über ihre Grenzen hinaus: "In keiner anderen Branche sind psychosomatische Beschwerden so weit verbreitet." Bis zu viermal häufiger als der Durchschnitt der deutschen Beschäftigten litten IT-Mitarbeiter unter chronischer Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden. "Burnout-Prävention hilft, Risikofaktoren zu entschärfen", sagt Henn-Roers. Ziel seien Arbeitsbedingungen, in denen Mitarbeiter dauerhaft leistungsfähig bleiben und Befriedigung in ihren Aufgaben finden.
Perspektivwechsel durch Coaching
Oft sei dazu ein Umdenken im Unternehmen notwendig, das Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren ansehen sollte. Jedoch: "Viele Mitarbeiter verstellen sich auch selbst den Weg aus der krank machenden Situation", sagt die Expertin. "Sie scheitern am eigenen Perfektionsanspruch und beuten sich bereitwillig selbst aus." Der Grund: Oftmals sind die Mitarbeiter verunsichert und befinden sich in einer Lebenskrise, die geprägt ist vom Empfinden, nicht zu genügen und fremdbestimmt zu sein.
Henn-Roers gibt in Coaching-Gesprächen Hilfe zur Selbsthilfe. Optimal sei, den Vorgesetzten einzubeziehen. Denn die zu jeder Burnout-Prävention gehörende Situationsanalyse ist mit Vorgesetzten und Personalverantwortlichen leichter. Während der folgenden durchschnittlich fünf bis sieben Coaching-Sitzungen binnen mehrerer Wochen spricht Henn-Roers alleine mit dem Mitarbeiter. Die Gespräche sind vertraulich. Sie sollen den Beschäftigten helfen, mit belastenden Situationen besser umzugehen und krank machende Verhaltensmuster zu erkennen und zu durchbrechen: "Das Coaching setzt einen Prozess in Gang, der weit über das letzte Gespräch hin fortdauert." Daher empfiehlt Henn-Roers sechs Monate nach dem letzten Termin ein weiteres Gespräch, um zu prüfen, ob die Ziele des Coachings erreicht wurden. (hk)