Wie sich CRM-Investitionen retten lassen

17.11.2003 von Manuel Ebner
Nur ein Drittel der Unternehmen, die CRM anwenden, ist zufrieden. Überzogene Erwartungen der Anwender und Schwierigkeiten bei der Implementierung sorgen für Missstimmung. Aktuelle Studien der Unternehmensberatung McKinsey zeigen jedoch, dass die Probleme lösbar sind - vor allem durch Konzentration auf das Wesentliche und Disziplin in der Umsetzung.
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Das Versprechen von Customer-Relationship-Management-(CRM-)Tools klingt attraktiv und einfach: Integriere alle kundenbezogenen IT-Systeme und adressiere deine Kunden mit maßgeschneiderten Angeboten. So kannst du sie nachhaltig an dich binden und den Verkaufserfolg deiner Produkte um ein Vielfaches steigern. Das Thema CRM steht daher bei den meisten Chief Executive Officers (CEOs) und Chief Information Officers (CIOs) ganz oben auf der Agenda. Im Jahr 2002 gaben sie weltweit rund 3,5 Milliarden Dollar für CRM-Software aus; 2003 werden es knapp vier Milliarden sein.

Viele Projekte stecken fest

Die CRM-Euphorie begann Mitte der 90er Jahre sehr vielversprechend. Die proaktive Kundenansprache der Citibank oder die raffinierten, kontextbezogenen Tipps von Amazon beeindruckten die Kunden und wirkten sich positiv auf die Umsätze aus. Viele Unternehmen wollten dem Beispiel folgen und investierten in den vergangenen Jahren zwei- bis dreistellige Millionenbeträge in CRM. Doch die vielfach überhöhten Erwartungen wurden mittlerweile arg gedämpft. Viele CRM-Projekte stecken fest und werden nicht umgesetzt, weil sie zu komplex und unsteuerbar geworden sind. Nach einer Umfrage der International Data Corp. (IDC) sehen nur 35 Prozent der befragten Unternehmen den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg ihrer CRM-Projekte. Bei vielen großen Unternehmen, insbesondere im Banken- und Versicherungssektor, drohen Abschreibungen in Millionenhöhe. Was waren die Gründe für die Schwierigkeiten? Und: Lassen sich diese CRM-Investitionen noch sinnvoll nutzen?

Charakteristika der Fehlschläge

Die Anatomie von CRM-Fehlschlägen weist McKinsey-Studien zufolge drei zentrale Charakteristika auf:

CRM als IT-Initiative ohne klaren Business Case: Von den Anwendern in den einzelnen Abteilungen eines Unternehmens wird CRM häufig als IT-Thema angesehen. Die Devise lautet oftmals: "Die IT installiert uns ein CRM-Tool. Damit werden wir besser verkaufen." Typischerweise fordert die IT-Abteilung dann hohe Investitionen, um ein System aufzubauen, das allen denkbaren Anforderungen gerecht wird. Diskussionen zwischen den tatsächlichen Anwendern und den IT-Experten über notwendige Funktionen finden kaum oder zu wenig statt. Vollintegrierte CRM-Systeme kosten nicht selten zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Doch meist wird nur ein Bruchteil der Funktionalität sinnvoll eingesetzt. Beispiel: Bei einer Investmentbank konnten Kunden nicht sinnvoll segmentiert werden, weil die Inputfaktoren durch die IT nur unzureichend "geraten" wurden. Es fehlten die Absprachen zwischen den Abteilungen und eine klare Strategie.

Großer organisatorischer Änderungsumfang überfordert die Fachabteilungen: Mit der Einführung eines CRM-Systems sind meist auch Änderungen an Prozessen und dem Anreizsystem geplant. Häufig geschieht das ohne ausreichende Kommunikation und ohne die Endnutzer miteinzubeziehen. Wenn jedoch alles gleichzeitig eingeführt wird, müssen neben Trainings auch neue Anreizstrukturen und Arbeitsabläufe verdaut werden - nicht selten sind die Fachabteilungen damit überfordert und sträuben sich gegen die Änderungen. So lehnte bei einem Chiphersteller die Vertriebsorganisation das neue Anreizsystem kategorisch ab, weil zwar klare Verantwortlichkeiten, aber nicht gleichzeitig die dafür erforderlichen Kompetenzen zugewiesen wurden.

Technische Probleme der Datenbereitstellung und Integration: CRM-Kampagnen beruhen häufig darauf, dass Verhaltensmuster von Kunden strukturiert, dokumentiert und analysiert sowie zielgerichtet für Geschäftsabschlüsse genutzt werden. In der Vergangenheit waren diese Informationen nur selten in einfach zugänglichen Datenbanken gespeichert. Sie steckten oft in den Köpfen der Verkäufer oder waren auf verschiedene Insellösungen verteilt. Kaum verwunderlich ist daher folgendes Beispiel: Die Datenqualität einer Versicherung war so niedrig, dass eine Kampagne abgebrochen werden musste, weil die meisten als attraktiv eingestuften Kunden nur deshalb auf der Zielliste landeten, da für sie überhaupt Verhaltensdaten zur Verfügung standen. Eine zusätzliche Herausforderung ist die Datenqualität. Bei einer asiatischen Bank beispielsweise wurden neun verschiedene Begriffe für das Geschlecht eines Kunden in der Datenbank

vorgefunden.

Eines haben alle Fehlschläge gemeinsam: Die Unternehmen versäumten, die Balance zwischen Strategie, Organisation/Mitarbeitern und Technik herzustellen.

Nicht alle Investitionen sind tatsächlich verloren

Auch wenn viele Projekte hoffnungslos erscheinen und kaum jemand glaubt, dass eine erfolgreiche Umsetzung noch möglich ist, zeigen Studien von McKinsey, dass Unternehmen ihre CRM-Investitionen oft retten können. Drei Grundsätze sind dabei zu beachten:

Sich auf einige wesentliche Ziele konzentrieren,

simpel, aber skalierbar anfangen und

zunächst wenige, aber fokussierte Kampagnen fahren.

Die Analyse der CRM-Probleme bei einer Private-Equity-Firma hat beispielsweise ergeben, dass das Projekt nicht durch einen klaren Business Case der Fachseite getragen wurde, sondern allein durch die IT. Dementsprechend war kaum ein User in die Implementierung eingebunden, die Akzeptanz der teuren Software bei den Anwendern ging gegen null. Als Rettungsmaßnahme wurde zunächst ein gemeinsames Team aus Marketing-Experten, Vertriebsspezialisten und IT-Fachleuten gebildet, das schließlich einen präzisen Business Case entwarf. Anschließend wurden die IT-Komponenten identifiziert, die unter den neuen Zielen noch weiterverwendbar waren. Schon nach kurzer Zeit waren Kampagnen möglich, die rasch zu ersten kleinen Erfolgen führten und die Motivation der Beteiligten erheblich steigerten. Auf dieser Basis baute das Unternehmen den Umfang und die Raffinesse der Initiativen Schritt für Schritt aus und plant jetzt, CRM sowohl in die Prozess- als auch in die

Technologie-Architektur fest zu integrieren.

In einem anderen Fall, bei einem Computerchip-Hersteller, waren die Ziele von Anfang an klar: ein besseres Verständnis von Nachfrageschwankungen und die Reduktion von administrativem Aufwand zugunsten verstärkter Kundeninteraktion. Die Vertriebsunterstützungs-Abteilung begann, ein CRM-System mit klarem Fokus auf diese Ziele einzuführen. Während der Implementierung zeigte sich allerdings, dass sich die Verkäufer vor Ort immer weniger für das Projekt interessierten, da sie das System eher als hinderlich denn als hilfreich empfanden. Sie konnten den Nutzen nicht benennen, fühlten sich schlecht eingebunden und bemängelten den hohen Datenpflegeaufwand. Um das Vorhaben doch noch zum Erfolg zu führen, mussten zunächst die Verkäufer die Vorteile des neuen Systems kennen lernen - eine intensive Schulung und Aufklärungsarbeit war notwendig. Zusätzlich wurde das Anreizsystem angepasst, um auf der Basis klarer Zielvorgaben alle Anwender zu

motivieren, das System aktiv bei der täglichen Arbeit zu nutzen.

Nur wichtige Backend-Systeme integrieren

Das Ziel des CRM-Projekts einer großen europäischen Versicherung lautete, sich auf hochprofitable Kunden zu konzentrieren und die verlustbringenden Geschäfte abzustoßen. Dazu sollte ein vollintegriertes CRM über 20 Altsysteme mit vielen atemberaubenden Funktionen aufgebaut werden. Bei der technischen Umsetzung taten sich jedoch Hindernisse auf: Das Datenmodell zur Integration aller Legacy-Systeme, etliche davon mehr als 20 Jahre alt, konnte nicht fertig gestellt werden. Die architektonische Komplexität der Integration stellte das IT-Team vor schier unlösbare Aufgaben. Die durch einen Systemintegrator unterstützte Initiative stand nach zweieinhalbjähriger Laufzeit vor dem Aus. Nur ein radikaler Schwenk in der Implementierungsstrategie konnte das Projekt retten. Statt zu versuchen, sämtliche Backend-Systeme zu integrieren, wurden diejenigen ausgewählt, die für erste Kampagnen von wesentlicher Bedeutung waren. Anstelle eines komplexen

übergreifenden Datenmodells wurde ein Meta-Datenmodell eingeführt, das eine einheitliche Kundensicht ermöglichte, erweiterbar war und mit dem System mitwachsen konnte. Und schließlich wurde der Rollout in mehrere überschaubare Releases unterteilt, um das Projektrisiko in den Griff zu bekommen.

Die Beispiele verdeutlichen, dass auch bereits verloren geglaubte CRM-Investitionen einen sinnvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Alle Unternehmen, die ihre CRM-Initiativen retten konnten, haben ihren zunächst eingeschlagenen Weg ohne Tabus überdacht und - wenn notwendig - rigoros umgelenkt.

Die Kernelemente erfolgreicher CRM-Projekte

Um sicherzustellen, dass CRM von Anfang an erfolgreich vorbereitet, umgesetzt und angewendet wird, sind drei Kernelemente Strategie, Organisation/Mitarbeiter und Technik aufeinander abzustimmen:.

Die Strategie umfasst die Vision und Priorisierung bei der Integration von Customer Value Management (CVM) und Customer Experience Management (CEM). Klar definierte und quantifizierte Geschäftsziele sind dabei die Grundlage für eine Implementierungs-Roadmap, die die verschiedenen Initiativen priorisiert. Aus strategischer Sicht müssen Unternehmen auf ein kundenzentriertes Geschäftsmodell setzen und sich unmissverständlich dahinter stellen. Das Unternehmen sollte klar abstecken, welche Wettbewerbsstrategie es verfolgen will und wie die CRM-Einführung sich auf Ziele, Messgrößen und Organisation auswirkt. Auch die Werttreiber, bei denen CRM ansetzt, müssen klar definiert sein. Außerdem ist es erforderlich, die Gesamtziele und die Hebel auf operative Ziele herunterzubrechen.

Bei dem Faktor Organisation/Mitarbeiter geht es um Themen wie Führung, Struktur, Fähigkeiten und Prozesse, die darauf ausgerichtet sind, innovativ und anhaltend Kundenwert auszuschöpfen. Selbst das beste CRM-System generiert keinen Wert, wenn es nicht von der Organisation mitgetragen wird. Alle betroffenen Mitarbeiter müssen verstehen, wie die Arbeitsabläufe funktionieren und was CRM für jeden Einzelnen leisten kann. Die Mitarbeiter sollten deshalb eigene Erfahrungen mit dem System sammeln und seinen Wert für sich erkennen können. Die Benutzer sollten in den gesamten Implementierungsprozess einbezogen werden, Feedback geben und letztlich das System und ihr Verhalten anpassen können.

Anreize für Endanwender

Hand in Hand mit einem kundenzentrierten Vorgehen sind die notwendigen organisatorischen Fähigkeiten und Prozesse aufzubauen, um die Customer Experience zu optimieren. Trainings und Anreize sorgen dafür, dass die Mitarbeiter das CRM-System nutzen und mittragen. CRM, auch das zeigt die Erfahrung, ist schwieriger zu implementieren als die meisten anderen IT-Applikationen, auch weil es eine weitaus größere Anzahl Endbenutzer einbezieht als beispielsweise Systeme für Spezialisten im Bereich CAD/CAM. Eine CRM-Lösung sollte deshalb möglichst intuitiv und ohne langwieriges Training bedienbar sein.

Der Faktor Technik umfasst das Management der IT-Architektur, die Evaluation von Anbietern und die Auswahl von Partnern ebenso wie die Leistungsanforderungen. Dazu zählen unter anderem Reaktionszeit, Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit. Zwar scheitern CRM-Projekte nur selten an der Technik, doch sind technische Herausforderungen zu bewältigen, beispielsweise die Integration verschiedener (Alt-)Systeme und Datenspeicher.

Für ein effizientes Miteinander

Ferner ist zu beachten, dass CRM-Lösungen meist in einer stark fragmentierten Umgebung eingesetzt werden. CRM erfordert nicht nur eine nahtlose Information im Unternehmen und darüber hinaus, sondern auch einen gemeinsamen Zugang zu Prozessen und Informationen - alle Beteiligten müssen effizient miteinander arbeiten können. Die erfolgreichen Wettbewerber der Zukunft werden in einem ökonomischen System von miteinander verbundenen Unternehmen, Vertriebspartnern und Kunden agieren. Diese müssen zum einen in der Lage sein, die internen Systeme der Partner zu nutzen, zum anderen müssen sie die Kontrolle darüber haben, wer Zugang zu welchen Systemen und welchen Daten haben darf.