IT-Arbeitsmarkt

Wie Mittelständler an gute Fachkräfte kommen

05.01.2012 von Hans Königes
Fördern und Abwechslung bieten - zwei mittelständische IT-Beratungshäuser zeigen, wie sie im Wettbewerb um die besten Talente gegen Großkonzerne punkten.
Auch Mittelständler sind sehr anspruchsvoll, wenn es um die Auswahl der richtigen Mitarbeiter geht.
Foto: Tommi/Fotolia.com

Wechselwillige IT-Spezialisten - und nicht nur sie - haben wieder die freie Wahl. Das Jobangebot in der IT-Branche kann sich sehen lassen. Erst kürzlich startete der ITK-Branchenverband Bitkom die Aktion "50 mal 50" - das heißt 50 Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter suchen. Insgesamt wollen diese 50 IT-Arbeitgeber über 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

Damit verschärft sich der Wettbewerb der Firmen untereinander um die besten Köpfe. Der gängige Spruch unter Personalern lautet: "Wir fischen alle im gleichen Teich." Leider schwimmen darin zu wenige Entwickler und Berater. Vor allem die mittelständischen Arbeitgeber müssen sich einiges einfallen lassen, wollen sie auf der Jagd nach Talenten mithalten.

Mittelständler bevorzugen Generalisten

Es ist aber auch zu hören: "Wir stellen nicht um jeden Preis ein", man habe die Lehren aus den Zeiten des Internet-Hypes vor über zehn Jahren gezogen und lasse sich auf keine Bewerber ein, deren Profil nicht stimmig ist.

Volker Maiborn, Maiborn Wolff: "Ich würde jeden unserer Mitarbeiter auch heute wieder einstellen."
Foto: Maiborn Wolff

Die Passgenauigkeit der künftigen Mitarbeiter ist den beiden Geschäftsführern Michael May von Syngenio aus Bonn und Volker Maiborn von Maiborn Wolff aus München denn auch besonders wichtig. Es komme auf jeden Einzelnen an, und darauf, wie er mit dem Team harmoniere. Maiborn ist sich seiner Sache sicher: "Jeden, den ich in den letzten Jahren eingestellt habe, würde ich auch heute wieder nehmen."

Die Münchner haben ein anspruchsvolles Einstellungsverfahren entwickelt, in dem der Bewerber einen Tag lang sowohl auf seine fachliche als auch seine Sozialkompetenz überprüft wird. Am Abend geht er mit der klaren Antwort nach Hause, ob er genommen wird oder nicht. "Bei uns gibt es kein Ausleseverfahren, in dem zum Schluss dann nur noch einer übrig bleibt", kommentiert der zweite Geschäftsführer von Maiborn Wolff, Jens Rieger, das Prozedere. Wenn sich jemand als geeignet herausstelle, erhalte er einen Job. Da sich das Münchner Unternehmen als Projekthaus versteht, in dem die Mitarbeiter oft ihre Aufgaben wechseln, ist es für Maiborn Wolff wichtiger, breit ausgebildete und flexible Kollegen anzuheuern, als Spezialisten.

Auch Syngenio-Vorstand May geht es um das breite Erfahrungswissen der Bewerber. Das Generalistentum zeichne den mittelständischen Mitarbeiter aus - ein Plus, mit dem man bei Kandidaten offensiv werben sollte. Denn den künftigen Mitarbeiter erwarteten immer wieder neue Herausforderungen. Eine starke Spezialisierung mit der Gefahr, auf ewig in einer Abteilung zu versauern, wie es in manchen Konzernen vorkomme, sei ausgeschlossen.

Michael May: "Wir formulieren unsere Erwartungen ganz deutlich."
Foto: Syngenio

Die mittelständischen Chefs setzen offensiv auf das Leistungsprinzip - May: "Wir formulieren unsere Erwartungen deutlich" - und erwarten von den Mitarbeitern, dass sie sich weiterentwickeln. Bei Maiborn Wolff ist es zum Beispiel so, dass jedem Mitarbeiter ein Monatsgehalt als Weiterbildungsbudget zur Verfügung steht. Wenn darüber hinaus eine wichtige Schulung ansteht, darf dieses auch überzogen werden.

Für den Mittelstand spreche, darauf weisen beide Geschäftsführer hin, dass in ihren Unternehmen Projektarbeit auf der Tagesordnung steht, also die Arbeitsform, der die Zukunft gehöre. Und genau diese komme der heutigen Generation, den Digital Natives, am ehesten entgegen.

TOP-Arbeitgeber in der IT 2011
Wer sind die beliebtesten 30 IT-Arbeitgeber 2011?
Fast 7000 Informatikstudenten haben im "Trendence Graduate Barometer German IT " ihre Stimme abgegeben. Auf Platz 30 ist Accenture gelandet und damit die am besten platzierte IT-Beratung in dem Ranking, das insgesamt über 100 Plätze umfasst. Sehen Sie nun die Top 30 der IT-Arbeitgeber!
Auf Platz 29 folgt das ....
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR.
Den Reiz der Forschung....
übt auch das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf Nachwuchsinformatiker auf. In diesem Jahr schaffte es die renommierte Einrichtung mit mehreren Standorten in Deutschland auf Platz 28.
Nvidia, mit Hauptsitz im kalifornischen Santa Clara,...
.. ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen. Auf Platz 27 der beliebtesten Arbeitgeber.
Jeder schaut Fernsehen...
...warum sollte dann ein Fernsehsender wie ProSiebenSat1 nicht ein attraktiver Arbeitgeber sein. Die private Sendergruppe hat es auf Rang 26 geschafft.
Oracle.....
...ist einer von vielen amerikanischen IT-herstellern, die beim deutschen Informatiknachwuchs hoch im Kurs stehen. Platz 24.
Abenteuer Forschung...
Auch die Max-Planck-Gesellschaft ist für den IT-nachwuchs eine wichtige Adresse, wenn es um den Berufsstart geht. Platz 24.
Die Lufthansa Systems...
hat im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze verloren und findet sich nunmehr auf Rang 23 des Trendence-Rankings wieder.
EADS auf Platz 22...
...gehört auch für Informatiker schon seit Jahren zu den 30 beliebtesten Arbeitgebern.
Bosch ist....
...nicht nur für Ingenieure ein attraktiver Arbeitgeber, sondern auch für informatiker. Platz 20.
Harald Esch, Deutschland-Chef von Adobe,....
...kann sich nicht so recht freuen. Sein Unternehmen fiel in der Gunst der deutschen informatikstudenten: Von Platz 14 auf Platz 20.
Volkswagen....
...ist Deutschlands größter Automobilhersteller und landet beim IT-Nachwuchs auf Platz 18. Sieben Plätze besser als noch 2010.
Intel....
...ist weltweit der größte Prozessorhersteller. In diesem Jahr auf Platz 18.
Die Deutsche Telekom....
...sponsort nicht nur den FC Bayern, sondern investiert auch viel in das Recruiting. Das wird vom IT-Nachwuchs honoriert. Ein steiler Aufstieg von Platz 29 im Vorjahr auf Platz 17 in 2011.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik....
...kurz BSI ist für Informatikstudenten eine feste Größe, seit Jahren unter den Top 20, in diesem Jahr auf Platz 16.
Die Welt der Computerspiele.....
scheint den Nachwuchs magisch anzuziehen. Elektronic Arts (Platz 15) ist einer von drei Spieleherstellern unter den Top 30.
Gutes Produkt = guter Arbeitgeber
Diese Rechnung geht auch für Daimler auf. Die Informatikabsolventen wählten den schwäbischen Autokonzern auf Platz 14.
Amazon...
..ist das größtes Online-Kaufhaus und stieg in diesem Jahr neu auf Platz 13 ein.
Spielehersteller Crytek...
...ist in diesem Jahr der steilste Aufsteiger: von Platz 24 auf 11. Personalfrau Andrea Hartenfellner macht dafür die Veröffentlichung des Titels "Crysis 2" und das spannende, international geprägte Arbeitsumfeld verantwortlich.
Der Reiz des Geheimen....
zieht Informatiker zum BND. Der Bundesnachrichtendienst ist die Behörde, die mit Abstand am besten im Ranking platziert ist. Der BND ist auch auf diversen Recruitingveranstaltungen präsent.
Schnelle Autos....
machen nicht nur Männer sexy, sondern auch Arbeitgeber. Porsche schaffte in diesem Jahr den Sprung unter die Top Ten.
Auf Platz 9 folgt mit BMW...
ein weiterer Automobilkonzern, der auch 2010 schon unter den Top Ten war.
Audi....
...ist für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure der Traumarbeitgeber, aber auch bei Informatikern können die Ingolstädter punkten. Platz acht und in diesem Jahr erstmals einen Platz vor BMW.
Siemens-Chef Peter Löscher....
...kann mit dem siebten Platz seines Konzerns eigentlich nicht zufrieden sein. Noch vor zehn Jahren führte Siemens das Ranking an. Für Informatiker ergeben sich hier aber auch deutlich weniger Chancen, nachdem die TK- und IT-Sparten ausgelagert beziehungsweise geschlossen werden.
Die Fraunhofer Gesellschaft....
mit ihren vielen Forschungseinrichtungen war für Informatikstudenten schon immer ein attraktiver Arbeitgeber, in diesem Jahr auf Platz 6 des Trendence-Rankings.
Microsoft...
..auf Platz vier in diesem Jahr wurde schon mehrfach als guter Arbeitgeber ausgezeichnet. Für junge Leute hat der Softwarehersteller auch ein gut dotiertes Traineeprogramm im Angebot.
SAP ist immer noch....
der größte deutsche Softwarehersteller. Für den IT-Nachwuchs war er früher der Traumarbeitgeber, mittlerweile ist er auf dem dritten Platz gelandet.
IBM...
hat nicht nur den Supperrechner Watson entwickelt, sondern ist auch für Informatiker eine feste Größe und behauptet sich seit Jahren auf Platz 2.
And the winner is...
im vierten Jahr in Folge Google. Für fast jeden vierten Informatikstudenten ist der Internet-Konzern der Traumarbeitgeber.

Führungskräfte sind in der Pflicht

May ist davon überzeugt, dass der IT-Nachwuchs anspruchsvolle Projekte und eine glaubwürdige Unternehmenskultur sucht. Der Sinn der Arbeit sei mindestens ebenso wichtig wie Status und Gehalt. Der klassische Karriereweg des hierarchischen Aufstiegs trete hinter die Attraktivität der Aufgabe und die Harmonie im Team zurück.

Natürlich sieht May auch die Gefahren eines überdurchschnittlichen Engagements, in dem Privat- und Berufsleben zusammenwachsen. Aber gerade deshalb sind Führungskräfte - und das zeichnet eine gute Unternehmenskultur aus - besonders gefragt, die darauf achten, dass Mitarbeiter in der richtigen Dosierung gefordert werden. "Burnout, aber auch Boreout, also Unterforderung und mangelnde Wertschätzung, sind gefährlich", warnt May. Wenn Manager einerseits Work-Life-Balance propagierten, auf der anderen Seite aber am Wochenende Mails beantworteten und so Mitarbeiter unter Zugzwang setzten, sei das nicht gerade konsequent.

Jens Rieger, Maiborn Wolff: "Am Abend geht jeder Bewerber mit einer klaren Antwort nach Hause."
Foto: Maiborn Wolff

Auch Maiborn ist überzeugt, dass Mittelständler ihre Unternehmenskultur in die Waagschale werfen können. Im Kreis seiner 75 Mitarbeiter kenne jeder jeden, es finde ein abteilungsübergreifender intensiver Gedankenaustausch statt, der die Projekte sehr gut befruchte. Und auf noch einen Aspekt weist sein Kollege Rieger hin, der für die Bewerber ein wichtiges Argument in ihrer Entscheidung für Groß- oder Kleinunternehmen sein könne: "Als Mittelständler arbeiten wir an Projekten in namhaften Konzernen, das heißt, unsere Mitarbeiter lernen beide Welten kennen."

Doch was macht die Unternehmenskultur eines mittelständischen Unternehmens eigentlich aus? Laut Rieger geht es um Werte: "Wir müssen mit Transparenz, Ehrlichkeit und Authentizität punkten." Hochglanzbroschüren der Firmen spielten keine Rolle mehr, damit wecke man eher das Misstrauen mancher Jobsuchender, die solche Eigenwerbung kritisch sähen.

Eine interessante Entwicklung sind Web-Seiten, auf denen Mitarbeiter ihre Brötchengeber bewerten. Sie können sowohl dem Bewerber als auch dem Unternehmen hilfreiche Hinweise geben. "Man muss dann aber auch mit den negativen Kommentaren klarkommen und diese als Ansporn verstehen", sagt May. Stabile und doch flexible Strukturen sowie die Ansprechbarkeit von Geschäftsleitung oder den Gründern sind weitere Argumente des Mittelstands im "War for Talents". Wenn kleine Betriebe all diese Stärken in die Waagschale werfen, haben sie gute Chancen.