Wechselwillige IT-Spezialisten - und nicht nur sie - haben wieder die freie Wahl. Das Jobangebot in der IT-Branche kann sich sehen lassen. Erst kürzlich startete der ITK-Branchenverband Bitkom die Aktion "50 mal 50" - das heißt 50 Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter suchen. Insgesamt wollen diese 50 IT-Arbeitgeber über 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Damit verschärft sich der Wettbewerb der Firmen untereinander um die besten Köpfe. Der gängige Spruch unter Personalern lautet: "Wir fischen alle im gleichen Teich." Leider schwimmen darin zu wenige Entwickler und Berater. Vor allem die mittelständischen Arbeitgeber müssen sich einiges einfallen lassen, wollen sie auf der Jagd nach Talenten mithalten.
Mittelständler bevorzugen Generalisten
Es ist aber auch zu hören: "Wir stellen nicht um jeden Preis ein", man habe die Lehren aus den Zeiten des Internet-Hypes vor über zehn Jahren gezogen und lasse sich auf keine Bewerber ein, deren Profil nicht stimmig ist.
Die Passgenauigkeit der künftigen Mitarbeiter ist den beiden Geschäftsführern Michael May von Syngenio aus Bonn und Volker Maiborn von Maiborn Wolff aus München denn auch besonders wichtig. Es komme auf jeden Einzelnen an, und darauf, wie er mit dem Team harmoniere. Maiborn ist sich seiner Sache sicher: "Jeden, den ich in den letzten Jahren eingestellt habe, würde ich auch heute wieder nehmen."
Die Münchner haben ein anspruchsvolles Einstellungsverfahren entwickelt, in dem der Bewerber einen Tag lang sowohl auf seine fachliche als auch seine Sozialkompetenz überprüft wird. Am Abend geht er mit der klaren Antwort nach Hause, ob er genommen wird oder nicht. "Bei uns gibt es kein Ausleseverfahren, in dem zum Schluss dann nur noch einer übrig bleibt", kommentiert der zweite Geschäftsführer von Maiborn Wolff, Jens Rieger, das Prozedere. Wenn sich jemand als geeignet herausstelle, erhalte er einen Job. Da sich das Münchner Unternehmen als Projekthaus versteht, in dem die Mitarbeiter oft ihre Aufgaben wechseln, ist es für Maiborn Wolff wichtiger, breit ausgebildete und flexible Kollegen anzuheuern, als Spezialisten.
Auch Syngenio-Vorstand May geht es um das breite Erfahrungswissen der Bewerber. Das Generalistentum zeichne den mittelständischen Mitarbeiter aus - ein Plus, mit dem man bei Kandidaten offensiv werben sollte. Denn den künftigen Mitarbeiter erwarteten immer wieder neue Herausforderungen. Eine starke Spezialisierung mit der Gefahr, auf ewig in einer Abteilung zu versauern, wie es in manchen Konzernen vorkomme, sei ausgeschlossen.
Die mittelständischen Chefs setzen offensiv auf das Leistungsprinzip - May: "Wir formulieren unsere Erwartungen deutlich" - und erwarten von den Mitarbeitern, dass sie sich weiterentwickeln. Bei Maiborn Wolff ist es zum Beispiel so, dass jedem Mitarbeiter ein Monatsgehalt als Weiterbildungsbudget zur Verfügung steht. Wenn darüber hinaus eine wichtige Schulung ansteht, darf dieses auch überzogen werden.
Für den Mittelstand spreche, darauf weisen beide Geschäftsführer hin, dass in ihren Unternehmen Projektarbeit auf der Tagesordnung steht, also die Arbeitsform, der die Zukunft gehöre. Und genau diese komme der heutigen Generation, den Digital Natives, am ehesten entgegen.
Führungskräfte sind in der Pflicht
May ist davon überzeugt, dass der IT-Nachwuchs anspruchsvolle Projekte und eine glaubwürdige Unternehmenskultur sucht. Der Sinn der Arbeit sei mindestens ebenso wichtig wie Status und Gehalt. Der klassische Karriereweg des hierarchischen Aufstiegs trete hinter die Attraktivität der Aufgabe und die Harmonie im Team zurück.
Natürlich sieht May auch die Gefahren eines überdurchschnittlichen Engagements, in dem Privat- und Berufsleben zusammenwachsen. Aber gerade deshalb sind Führungskräfte - und das zeichnet eine gute Unternehmenskultur aus - besonders gefragt, die darauf achten, dass Mitarbeiter in der richtigen Dosierung gefordert werden. "Burnout, aber auch Boreout, also Unterforderung und mangelnde Wertschätzung, sind gefährlich", warnt May. Wenn Manager einerseits Work-Life-Balance propagierten, auf der anderen Seite aber am Wochenende Mails beantworteten und so Mitarbeiter unter Zugzwang setzten, sei das nicht gerade konsequent.
Auch Maiborn ist überzeugt, dass Mittelständler ihre Unternehmenskultur in die Waagschale werfen können. Im Kreis seiner 75 Mitarbeiter kenne jeder jeden, es finde ein abteilungsübergreifender intensiver Gedankenaustausch statt, der die Projekte sehr gut befruchte. Und auf noch einen Aspekt weist sein Kollege Rieger hin, der für die Bewerber ein wichtiges Argument in ihrer Entscheidung für Groß- oder Kleinunternehmen sein könne: "Als Mittelständler arbeiten wir an Projekten in namhaften Konzernen, das heißt, unsere Mitarbeiter lernen beide Welten kennen."
Doch was macht die Unternehmenskultur eines mittelständischen Unternehmens eigentlich aus? Laut Rieger geht es um Werte: "Wir müssen mit Transparenz, Ehrlichkeit und Authentizität punkten." Hochglanzbroschüren der Firmen spielten keine Rolle mehr, damit wecke man eher das Misstrauen mancher Jobsuchender, die solche Eigenwerbung kritisch sähen.
Eine interessante Entwicklung sind Web-Seiten, auf denen Mitarbeiter ihre Brötchengeber bewerten. Sie können sowohl dem Bewerber als auch dem Unternehmen hilfreiche Hinweise geben. "Man muss dann aber auch mit den negativen Kommentaren klarkommen und diese als Ansporn verstehen", sagt May. Stabile und doch flexible Strukturen sowie die Ansprechbarkeit von Geschäftsleitung oder den Gründern sind weitere Argumente des Mittelstands im "War for Talents". Wenn kleine Betriebe all diese Stärken in die Waagschale werfen, haben sie gute Chancen.