Nach Ablauf des Ultimatums

Wie Microsoft Yahoo knacken könnte

29.04.2008 von Wolfgang Sommergut 
Yahoo hat das von Microsoft gesetzte Ultimatum für Fusionsverhandlungen verstreichen lassen. Steve Ballmer hat mehrere Möglichkeiten, das Yahoo-Management auszuhebeln.

Seit Microsofts Kaufangebot vom 1. Februar dieses Jahres spielt Yahoo auf Zeit. Damit möchte sich das Unternehmen Luft verschaffen, um die von CEO und Mitbegründer Jerry Yang unerwünschte Übernahme zu verhindern. Microsoft hingegen drängt zur Eile und sieht den Zusammenschluss gefährdet, wenn er nicht schnell über die Bühne geht. CEO Steve Ballmer stellte dem Yahoo-Management angesichts der offensichtlichen Verschleppungstaktik daher vor drei Wochen ein Ultimatum. Nachdem Yang die gesetzte Frist verstreichen ließ, muss Microsoft nun überlegen, wie es das Web-Portal auch gegen den Widerstand von dessen Topmanagement übernehmen kann.

Psychologische Kriegsführung

Vor einer möglichen Übernahmeschlacht versuchen beide Parteien, die großen Aktionäre für sich zu gewinnen. Yahoo bezeichnet das bisherige Angebot als zu niedrig, weil es das Unternehmen zu gering bewerte. Die Firmenverantwortlichen gaben damit vor, die Interessen der Anteilseigner zu vertreten, und konnten so eine Übernahme verzögern, die sie selbst nicht wollen. Microsoft hingegen weigerte sich bisher, den gebotenen Preis von 31 Dollar pro Aktie zu erhöhen.

Um besonders die großen institutionellen Anleger unter Druck zu setzen, die insgesamt mehr als 70 Prozent der Yahoo-Anteile besitzen, drohte Microsofts Chief Financial Officer (CFO) Chris Liddell in einer Pressekonferenz am vergangenen Wochenende, sein Unternehmen werde das Angebot notfalls zurückziehen. In diesem Fall dürfte die Yahoo-Aktie wieder auf den Kurs zurückfallen, zu dem sie vor dem Microsoft-Angebot gehandelt wurde, also auf etwa 20 Dollar. Seitdem bewegte er sich jedoch zumeist knapp unter der 30-Dollar-Marke, so dass die Aktionäre mit erheblichen Verlusten rechnen müssten, wenn Microsoft aussteigt.

Pokern um Aktionäre

Besitzer von Anteilscheinen müssen nun abwägen, wie reell die Gefahr eines Rückzugs von Microsoft ist. Einerseits gab sich Steve Ballmer in den vergangenen Wochen grimmig entschlossen, Yahoo zu kaufen ("und wenn es das Letzte ist, was ich in dieser Firma tue"). Andererseits betonte er wie auch Liddell, dass Microsofts Online-Strategie auch ohne den Kauf von Yahoo aufgehe und das Unternehmen für das Web-Business bestens gerüstet sei. Die in der letzten Woche veröffentlichten Quartalszahlen sprechen indes eine andere Sprache. Während Google mit seinem Anzeigengeschäft überraschend die Erwartungen übertraf, fuhr Microsofts Online-Sparte bei einem Umsatz von 843 Millionen Dollar einen Verlust von 228 Millionen Dollar ein, rund 33 Prozent mehr als im gleichen Quartal des Vorjahres.

Gemeinsam gegen Google: Aus zwei Verlierern soll ein Sieger werden.

Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, wenn Marktbeobachter in der Yahoo-Übernahme die letzte Chance für Microsofts Web-Business sehen. Doch auch Yahoo befindet sich in einer Position der Schwäche. Viele Aktionäre sähen die Übernahme durch Microsoft gern. Microsoft nützt die Situation und deutete an, die Offerte unter Umständen zu verringern Liddell nannte den unterbreiteten Kaufpreis extrem großzügig. Er sehe keinerlei Hinweis für eine Unterbewertung Yahoos, so wie dessen Management behaupte, sondern für das Gegenteil. Er zeichnete ein düsteres Bild des Unternehmens, so dass sich Aktionäre von einem eigenständigen Yahoo wenig erwarten sollten.

Neuer Aufsichtsrat von Microsofts Gnaden

Auch wenn beide Parteien um die Gunst der Anleger buhlen, scheint es unwahrscheinlich, dass Microsoft versucht, die Mehrheit der Aktien direkt und am Aufsichtsrat vorbei zu gewinnen. Für diesen Fall hat das Board ohnehin mit einer so genannten Giftpille vorgesorgt, so dass automatisch weitere Yahoo-Aktien ausgegeben würden, wenn Microsoft mehr als 15 Prozent der Anteile erringt. Allerdings könnte Microsoft mit guten Erfolgsaussichten gegen diese Maßnahme klagen, weil eine Unternehmensführung ein Angebot zum Vorteil der Aktionäre nicht ohne Weiteres ablehnen kann. Außerdem muss das Management mit Schadenersatzansprüchen von Anteilseignern rechnen, wenn die Übernahme platzen sollte. Ein solches Verfahren könnte sich jedoch hinziehen und wäre daher nicht im Sinne Microsofts, das auf Eile drängt.

Steve Ballmer verliert die Geduld: Er möchte die Verschleppungstaktik von Yahoo notfalls mit einer feindlichen Übernahme stoppen.
Foto: Steve Ballmer

Daher ist es wahrscheinlicher, dass Ballmer, wie schon öffentlich angekündigt, einen neuen Aufsichtsrat installieren möchte, der einer Übernahme zustimmt. Allerdings muss es Ballmer erst einmal gelingen, die Aktionäre davon zu überzeugen, dass sie mit der Übernahme durch Microsoft besser führen als mit einem weiterhin selbständigen Yahoo. Bei einem solchen Handstreich kommt ihm zugute, dass alle Mitglieder des Yahoo-Gremiums jedes Jahr neu gewählt werden müssen. Das ist eine Besonderheit, in anderen Aktiengesellschaften steht normalerweise nur ein Teil des Aussichtsrats zur Wiederwahl. Microsoft hat nach eigenem Bekunden bereits mehrere Kandidaten in der Hinterhand, die sich um die Posten bemühen würden. Das Yahoo-Management kann gegen einen solchen Angriff nichts unternehmen und auch keine Giftpille einsetzen. Ein Microsoft-freundlicher Aufsichtsrat würde diese kürzlich beschlossene Abwehrmaßnahme dann ganz außer Kraft setzen, so dass die Redmonder in aller Ruhe versuchen können, die Aktienmehrheit zu erringen.

Angreifbare Firmenkonstruktion

Jerry Yang ist sich dieser Schwachstelle natürlich bewusst und versucht die Neuwahl des Aufsichtsrats möglichst lange hinauszuschieben. In den vergangenen Jahren wurden die Bewerber stets im März nominiert. In diesem Jahr verschob das Board den Termin dafür auf einen nicht näher genannten Zeitpunkt und legte nur fest, dass Kandidaten innerhalb von zehn Tagen nach der Bekanntgabe dieses Datums vorgeschlagen werden müssen. Die Spielräume des Yahoo-Chefs sind indes begrenzt, weil er nach den Gesetzen des Bundesstaates Delaware, in dem sich der Sitz des Unternehmens offiziell befindet, bis spätestens Mitte Juli die Hauptversammlung einberufen muss. Wenn Yahoo diesen Termin verstreichen lässt, könnte Microsoft auf die Abhaltung des Aktionärstreffens klagen, so dass sich auf diese Weise nur eine kurze Gnadenfrist von ein paar Wochen gewinnen ließe.

Im Unterschied zu Google sind bei Yahoo die Firmengründer nicht in der Lage, das Geschehen maßgeblich zu beeinflussen. Jerry Yang und David Filo besitzen zusammen nur rund zehn Prozent der Aktien. Sergey Brin, Larry Page und Eric Schmidt halten zwar auch nur eine Minderheit der Google-Aktien, besitzen aber eine Sperrminorität, mit der sie den Verkauf von Google blockieren könnten. Diese Konstellation gilt in der Technologiebranche als ungewöhnlich, weil Unternehmen in der Vergangenheit fürchteten, dass sie damit Investoren abschrecken würden - was sich bei Google aber nicht bewahrheitet hat.

Talente vor dem Absprung

Zu den Gepflogenheiten des Technologiesektors gehört außerdem, dass feindliche Übernahmen nach Möglichkeit vermieden werden. Oracles Kauf von Peoplesoft stellte daher eine Ausnahme dar. Potenzielle Käufer befürchten nämlich, dass eine langwierige Übernahmeschlacht bewirkt, dass die Wissensträger und führenden Ingenieure das Unternehmen verlassen. Damit würde das Kaufobjekt weitgehend entwertet.

Yahoo hat auch an diesen Aspekt gedacht und im Februar einen neuen Kompensationsplan beschlossen. Er sieht im Fall einer Übernahme des Unternehmens großzügige Abfindungen für Mitarbeiter vor und erlaubt ihnen die vorzeitige Einlösung der Aktienoptionen. Microsoft muss deshalb nicht nur mit erheblichen Zusatzkosten rechnen, sondern sieht sich mit einem Anreiz für die besten Mitarbeiter konfrontiert, das Unternehmen zu verlassen. Ob sich Steve Ballmer davon abschrecken lässt, scheint angesichts der unklaren Pläne für Yahoo und dem geradezu verzweifelten Kampf gegen Google um die Dominanz im Online-Werbemarkt höchst unwahrscheinlich.