Jobwechsel

Wie man seinem Arbeitgeber souverän kündigt

04.09.2007
Wenn man als Arbeitnehmer selbst kündigt, weil man genug gesehen oder etwas Besseres gefunden hat, ist man in der Regel nicht gleich aus dem Unternehmen verschwunden. Das eigene Verhalten in den Wochen zwischen der Kündigung und dem Abgang will daher wohl überlegt sein.

Nach Jahren der Dürre auf dem Stellenmarkt für IT-Fachkräfte hat sich das Blatt gewendet: Seit einigen Quartalen beschwert sich der Branchenverband Bitkom wieder regelmäßig über den Fachkräftemangel, Unternehmen fordern einen erleichterten Zuzug von ausländischen IT-Experten, und die Honorare für Freiberufler steigen dank der Nachfrage wieder. Für (relativ junge) Angestellte sind das gute Nachrichten, denn sollte sich die Entwicklung fortsetzen, steigen ihre Chancen, den Job zu wechseln und dabei einen guten Schnitt zu machen. Eine berufliche Veränderung kann drei signifikante Vorteile mit sich bringen: Mehr Geld, neue Perspektiven und das vorläufige Ende der Beziehung zum Ex-Arbeitgeber.

Schluss machen kostet Überwindung, doch vielfach rechnet sich der Return on Investment, wie man in der IT-Branche so schön sagt. Allerdings ist es nicht damit getan, dem Chef einen Brief auf den Tisch zu knallen und die Kündigung mit einigen markanten Worten zu garnieren, die man schon immer mal gesagt haben wollte – Tenor: "Du mich auch!" Überhaupt sind einige Regeln zu befolgen, wenn man seinen Abgang stilvoll und professionell erledigen möchte, denn allzu oft wird in derartig emotionalen Momenten das erste Gesetz von Deutschlands kleiner IT-Branche vergessen: "Man sieht sich immer zweimal." Wer das Fortissimo bevorzugt, sollte sich einfach nicht an die folgenden Regeln halten – manchmal führt eben kein Weg am Konflikt vorbei, und das ist auch gut so.

Sind Sie sicher?

1. Wollen Sie wirklich gehen, oder doch lieber (unter veränderten Rahmenbedingungen) im Unternehmen bleiben? Diese Frage sollten Sie sich ernsthaft überlegen, bevor Sie die offizielle Kündigung auf den Tisch legen. Ein Gegenangebot des Chefs – beispielsweise zehn Prozent mehr Gehalt oder eine bessere Position – kann die Entscheidung immer beeinflussen. Darauf zu spekulieren, ist allerdings eine Gratwanderung: Erstens sieht der Chef schwarz auf weiß, dass Sie keine Loyalität mehr zum Unternehmen verspüren; zweitens sollten Sie ein reales Angebot in der Tasche haben (oder ausgesprochen gut pokern können); und drittens kann es durchaus sein, dass man Ihnen einfach kein Gegenangebot macht, weil Sie Ihr Preis-Leistungsverhältnis falsch eingeschätzt haben.

Falls der Chef nicht wie erhofft mitspielt, ist der Schwarze Peter plötzlich in Ihrer Hand: Sie müssen gehen, oder Sie bleiben mit dem Stigma des Verlierers im Unternehmen zurück und haben noch geringere Chancen als zuvor, unter dem alten Chef respektiert zu werden und gegebenenfalls aufzusteigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie nach einer vollzogenen Kündigung und dem Ausscheiden aus dem Unternehmen plötzlich wieder gefragt sind und mit offenen Armen sowie einem satten finanziellen Aufschlag empfangen werden, ist gering – seien Sie realistisch, Sie sind nicht Steve Jobs!

Vorher an das Nachher denken

"Lieber Chef, was ich Dir schon immer mal schreiben wollte: Du bist an allem Schuld."
Foto: Gajus - shutterstock.com

2. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, zahllose Textbeispiele finden sich im Internet. Im Grunde genommen reicht es aus, dass Sie Ihren Arbeitgeber von Ihrer Kündigung zu einem gewissen Termin in Kenntnis setzen, wofür ein oder zwei Sätze mehr als genug sind. Beherrschen Sie sich: Das Kündigungsschreiben ist kein Ort für die (überfällige) Abrechnung. Ihr Chef ist nicht mehr Ihr Vorgesetzter, sondern lediglich ein Knoten im persönlichen Netzwerk. Auch die alten Kollegen, denen Sie zum Abschied die Pest an den Hals wünschen, sind Teile dieses Netzes. Die Chance ist groß, dass Sie eines Tages noch einmal darauf zurückgreifen müssen. Nur wer sich sicher ist, auf seine sozialen Kontakte beim alten Arbeitgeber garantiert niemals wieder angewiesen zu sein, kann alle Brücken hinter sich abbrechen. Einen Abschied im Streit – ausgelöst durch ein übersteigertes Selbstbewusstsein aufgrund einer sich bietenden neuen Chance – wird man Ihnen lange nachtragen.

Achten Sie außerdem darauf, dass der Chef der erste ist, der von Ihrer Kündigung erfährt. Es kommt nicht besonders gut an, wenn ein Gerücht von Ihrem Wechsel seit Wochen die Runde durch die Kantine macht, ohne dass Ihr Vorgesetzter einen blassen Schimmer von der Entwicklung hat. Das schwächt seine Position gegenüber den verbleibenden Mitarbeitern und macht ihn nicht glücklich. Ziehen Sie sich keinen Gegner heran, wenn sich ein Kampf nicht lohnt. Und worum sollten Sie mit Ihrem alten Chef noch kämpfen? Der vermeintliche Machtgewinn, den Sie bei einer Kündigung positiv verspüren, hat keine reale Grundlage: Ihre hinzugewonnene Macht bezieht sich nicht auf die Strukturen des Unternehmens, sondern lediglich auf Ihre Stellung in Beziehung zum Vorgesetzten, der Ihnen bald ohnehin nichts mehr zu sagen hat.

Es geht aufwärts

The sky's the limit - wo ich bin, ist oben.
Foto: John Foxx/gettyimages.de

3. Geben Sie allen zu verstehen, dass Sie sich mit dem Wechsel verbessern – sei es, dass die Arbeit interessanter oder die Kompensation höher ist. Indes sollten Sie dabei subtil vorgehen! Auf jeden Fall müssen Sie vermeiden, in den letzten Tagen die Flure des alten Arbeitgebers als Triumphator zu beschreiten und alle Kollegen detailliert von den finanziellen Vorteilen und Dienstwagenregelungen der neuen Stelle zu unterrichten. Das will niemand genau wissen, und die typische Reaktion der Kollegen ist nicht die erhoffte Bewunderung für Ihren persönlichen Geniestreich, sondern schlicht Neid. Strahlen Sie Souveränität aus, solange Sie noch die Gelegenheit dazu haben.

Dies gilt speziell für den Umgang mit dem alten Chef: Er sollte verstehen, dass Sie sich verbessern, selbst wenn Sie selbst nicht restlos davon überzeugt sind. Welcher vernünftige Mensch wechselt schon freiwillig in einen Job mit einer geringeren Bezahlung, schlechterer Arbeit und weniger Freizeit? Achten Sie in jedem Fall auf eine stringente Informationspolitik: Es ist gefährlich, jedem Kollegen eine andere Version Ihres Karrieresprungs aufzutischen. Dabei können Sie sich leicht in Widersprüche verstricken, denn alle Kollegen werden sich ohnehin über Ihren Abgang das Maul zerreißen und Ihre Argumentation auf Schwachstellen abklopfen. Im besten Fall gehen Sie dann als Blender, im schlimmsten Fall als Idiot.

Ich hab's ja immer gewusst

"Und überhaupt ist der ganze Laden von Grund auf marode - aber auf mich hat ja keiner gehört."
Foto:

4. Sparen Sie sich Belehrungen. Auch wenn Sie wissen, wie man den alten Arbeitgeber rettet, sein Geschäftsmodell wieder auf Vordermann bringt und alle angestauten Probleme mit einem Handstreich löst, gehört das nicht mehr zu Ihren Aufgaben. Sie sind raus. Wenn der Ex-Chef auf Ihre Hilfe angewiesen ist, kann er Sie künftig als Berater engagieren. Das wird natürlich nicht passieren – weil man Sie bislang nie um Ihre Meinung gefragt hat und erst Recht nicht damit beginnt, sobald Sie woanders arbeiten. Vielleicht will das alte Unternehmen auch gar nicht gerettet werden – einigen Leuten gefällt es dort sogar?

Ein Spezialfall ist das Austrittsgespräch, das hierzulande inzwischen auch als Exit-Interview bezeichnet wird. Es gehört sich nicht, dass andere Personen – etwa aus der Personalabteilung – explizit von der erwiesenen Unfähigkeit Ihres Chefs oder der lieben Kollegen in Kenntnis gesetzt werden. Statt darauf herumzureiten, was alles schlecht war, sollten Sie sich im Exit-Interview darauf konzentrieren, die Vorteile des neuen Arbeitgebers herauszustellen. Damit sind indes "weiche Faktoren" für einen Wechsel gemeint, also nicht der permanente Verweis auf Dienstwagen, Aktienoptionen und Weiterbildungsangebote bei einer vom Betriebsrat kontrollierten 35-Stunden-Woche und kostenloser Bionade-Flatrate. Schlagen Sie die Personaler mit den eigenen Waffen und sprechen Sie von einer "neuen Herausforderung". Das klingt nicht gierig, sondern irgendwie ehrgeizig – Respekt!

Chef, Du warst super!

"Sie waren der beste Chef meines Lebens." "Sie mich auch."
Foto: Keith Brofsky/gettyimages.de

5. Zeigen Sie Dankbarkeit für alles, was Sie vom alten Arbeitgeber empfangen durften – am besten schriftlich. Dies merken sich vor allem Chefs, die aus naheliegenden Gründen selten von ihren Mitarbeitern gelobt werden. Der Grat dabei ist schmal, denn wenn Sie zu dick auftragen, wird man Ihnen nicht glauben, sondern Sie zurecht für einen Heuchler und Speichellecker halten (besonders, wenn Ihr Abschiedschreiben an den Chef seine Runde durch die Belegschaft macht, in deren Gegenwart Sie sich zuvor immer über die vielen Facetten der Inkompetenz Ihres Vorgesetzten ausgelassen haben). Verhalten Sie sich nüchtern und denken Sie positiv zurück – das gilt als Zeichen der persönlichen Reife.

Gibt’s Euch noch?

6. Halten Sie den Kontakt zu Ihren Ex-Kollegen aufrecht, zumindest im ersten Jahr. So können Sie die eigene Neugier befriedigen, wie es dem Unternehmen ohne Ihre tatkräftige Unterstützung ergangen ist. Seien Sie nicht enttäuscht, wenn es Ihre alte Firma auch zwei Wochen nach Ihrem Ausscheiden noch existiert – davon ist erfahrungsgemäß auszugehen. Seien Sie bescheiden, wenn Sie mit ehemaligen Kollegen über die Erfahrungen im neuen Job sprechen. Differenzierte Aussagen sind stets glaubwürdiger als laute Jubelarien.

Wenn Ihre neue Arbeit tatsächlich schlechter als die alte Position ist, haben Sie ein Problem. Dieses verschärft sich, weil Sie mit niemandem aus der alten Firma darüber reden dürfen! Sonst laufen Sie Gefahr, dass man Sie für Ihren "Karrieresprung" auch noch verhöhnt und Sie als totaler Loser in die Geschichte des Unternehmens eingehen. Klagen Sie – wenn überhaupt – unterschwellig über die intellektuellen Herausforderungen, die vielen Dienstreisen und das hohe Arbeitspensum im neuen Job. Dann wird zumindest unterstellt, dass Sie am ganz großen Rad drehen und bereit sind, Verantwortung für Ihr Leben zu übernehmen.

Bonus-Tipp

Ziehen Sie in Gegenwart Ihrer neuen Kollegen nicht über den alten Arbeitgeber her! Die Verlockung ist zwar groß, sich mit einem derartigen Verhalten emotional abzunabeln und den Wechsel für sich selbst zu rechtfertigen. Zudem könne man, so die Hoffnung, damit die Bindung zu den neuen Kollegen stärken. Das ist jedoch ein Trugschluss: Der neue Arbeitgeber und die Kollegen wünschen sich Mitarbeiter, die sich für das neue Unternehmen entschieden haben und nicht gegen die alte Firma. Zudem sind Menschen, die stets schmutzige Wäsche waschen, nicht wirklich cool. (ajf)