Wer mehr als 90 Jahre am Markt für kundennahe Logistikdienstleistungen erfolgreich ist, sollte die Anforderungen und Wünsche der Kunden wohl ganz genau kennen. Ein zentraler Erfolgsfaktor beim Logistikdienstleister Simon Hegele sind standardisierte und nachvollziebare Prozesse. Selbstverständlich gehört dazu auch ein wettbewerbsfähiges Preis-Leistungsverhältnis, und dazu muss das Unternehmen seine Kosten zu jeder Zeit im Griff haben.
Warum eine Änderung notwendig war
Um auf der IT-Seite Anreize für mehr Transparenz und Kostenbewusstsein zu schaffen, beschloss Simon Hegele, eine interne IT-Kosten- und Leistungsverrechnung einzuführen. Wie notwendig dieser Schritt war, wurde deutlich, als die Ausstattung mit Arbeitsplatzrechnern von Kauf auf Leasing umgestellt wurde. Gekauft hatten die Fachabteilungen die Geräte auf ihre Kostenstellen. Änderte sich die Kostenstelle oder auch der Gerätestandort, musste das eigentlich an die zentrale IT gemeldet werden. Weil es dafür aber keinen Anreiz gab, blieb die Meldung oft aus.
Im Leasing-Modell sorgte das für Probleme: Lief der Vertrag aus, ging das große Suchen los. Zudem erfolgten Antrag und Genehmigung für ein neues Gerät bis dato auf dem Papierweg, ließen sich also nur schwer nachvollziehen.
Worauf das Projekt abzielte
Innerhalb des Projekts sollte sich die IT von reaktiven "Feuerwehr" IT zum proaktiven Service-Provider wandeln. Oder wie Joachim Benz, Leiter Zentrale Service Bereiche IT und Innovation bei Simon Hegele, es formuliert: "Unser Ziel war es schlicht und einfach, Licht in die Black Box IT zu bringen."
Projektsteckbrief
Projektart: Einführung eines Service-Management-Systems mit interner Leistungsverrechnung;
Branche: Logistik-Dienstleister;
Zeitrahmen: Projektstart im April 2011, Implementierung bis Oktober 2011.
Produkte: Lösung von Matrix42:
Dienstleister: Consulting4IT, Waldbrunn;
Projektziel: Transparente IT-Kosten;
Erfolg: bereits 25.000 IT-Services über das System verbucht.
Nächster Schritt: Integration des Berechtigungs-Managements (Active Directory);
Ansprechpartner: Joachim Benz, Simon Hegele.
Zum Projektumfang gehörte zunächst eine klare Definition der zu erbringenden IT-Services mit transparenten Preisen für etwa 1.500 Endanwender. In diesem Kontext sollte jeder dieser internen Kunden mit Hilfe von Kontoauszügen einen aktuellen Überblick über den Status seiner Serviceanträge bekommen. Erstmals sollte neben der Beantragung von IT-Services auch die Rückgabe nicht mehr benötigter Services möglich sein.
Wie es (nicht) funktionieren würde
Dem IT-Management von Simon Hegele war klar: Die angestrebten Ziele würden sich nicht mit der Installation eines Tools erreichen lassen. Erst mussten Services und Prozesse abgestimmt und in der Praxis implementiert sein. Mike Schimke, Geschäftsführer der Simon Hegele Supply Chain Services GmbH & Co. KG, erläutert: "Ein schwammiger Prozess bleibt schwammig, auch wenn man ihn digitalisiert. Der Markt ist voll mit gescheiterten IT-Service-Management-Projekten, in denen man versucht hat, organisatorische oder prozessuale Themen mit der Einführung eines Tools zu lösen."
Ein wichtiger Punkt für den Projekterfolg ist der Know-How-Transfer. Um IT-Service-Standards einzuführen, müssen alle Mitarbeiter zuerst mit den Begrifflichkeiten und Zusammenhängen vertraut gemacht werden. Anderenfalls kommt es zu babylonischen Sprachverwirrungen. Beispielsweise erfasst der eine IT-Mitarbeiter einen flackernden Bildschirm als "Störung", weil der Kunde sagt: Ich habe eine Bildstörung an meinem Monitor. Der nächste Mitarbeiter erfasst den gleichen Anruf als "Problem", weil der Anrufer sagt: Ich habe ein Problem mit meinem Bildschirm. Und der Dritte erfasst ihn als "Service Antrag", weil der Anrufer sagt: Ich brauche einen neuen Bildschirm. Auf dieses Weise sind sinnvolle Auswertungen nicht möglich. Und als Schuldiger wird oft das Tool identifiziert - also mit Missachtung gestraft. Damit hat es unter diesen Rahmenbedingungen keine Chance, überhaupt einen Mehrwerte zu liefern.
Was vorher zu erledigen war
Basis für ein erfolgreiches Service-Management ist ein valides Asset-Management. Auch hier existierte kein Standardprozess zur Erfassung. Bei der Einführung eines Lagerverwaltungssystems musste beispielsweise erst einmal ermittelt werden, welche und wie viele Scanner Simon Hegele überhaupt einsetzt.
Auch Lizenz-Management und Vertragsverwaltung waren Langzeitbaustellen beim Logistiker. Dass sie aufgehoben werden konnten, ist für die Preisermittlung der IT-Services von entscheidender Bedeutung. Denn ohne Einkaufsinformationen keine Preisermittlung.
Nicht zuletzt stand im Rahmen der Prozessstandardisierung auch die Bereitstellung von Software auf dem Prüfstand. Mit jedem Austausch eines Geräts gab es neue Software wie Betriebssysteme oder Office-Anwendungen. Um einen einheitlichen Softwarestand auf allen Geräten zu installieren, fehlten die Ressourcen. Für Microsoft Office beispielsweise existierten alle Versionen von Office 97 bis Office 2010. Das erschwerte nicht nur Service und Support, sondern hatte für den Endanwender auch Kompatibilitätsprobleme zur Folge. Das Ergebnis waren erhöhte Serviceprozesskosten auf Seiten der IT-Abteilung und strapazierte Nerven auf Kundenseite.
Woher Unterstützung kam
Hilfestellung bei diesem umfassenden Vorhaben suchte das Projektteam auf dem Diensteistungs- und Beratungsmarkt. Dabei stieß es auf das Service-Unternehmen Consulting4IT aus Waldbronn. Laut Benz punktete das Unternehmen sowohl mit Erfahrungen in der Prozessberatung als auch mit technischem Know-How für die parallele Einführung einer Tool-basierenden Lösung.
Hier empfahl Consulting4IT die Produkte des Herstellers Matrix42, weil sie ein "Service Portal" mit einer Endanwenderschnittstelle für Warenkorb, Genehmigungsprozess, Kostenverrechnung und Kontoauszugsverfahren bieten. Das deckte sich mit Benz' Anforderungen: "Eine Eigenentwicklung wie sie von vielen Unternehmen gerade mit Hinblick auf den Antrags- und Genehmigungsprozess bevorzugt wird, kam für uns nicht in Frage. Wir bauen ja auch keine LKWs." Außerdem sei die Software von Matrix42 konfigurativ, also ohne viel Customizing anpassbar. Und last, but not least stelle sie eine integrierte Lösung mit angegliederten Funktionen wie Softwareverteilung sowie Lizenz-, Vertrags- und Asset-Management zur Verfügung.
Wie das Projekt verlief
Projektstart war im April 2011. Am Anfang lag der Fokus auf der Implementierung von standardisierten IT-Services und Prozessen. Dabei wurden die ITIL-Standardprozesse an den Stellen angepasst, an denen sie den Besonderheiten eines Logistikers beziehungsweise den Möglichkeiten eines Mittelständlers nicht gerecht werden. Einer detaillierten Aufnahme der Ist-Prozesse folgte ein Maßnahmenplan für deren Transfer in einen standardisierten und definierten Soll-Zustand.
Um die Mitarbeiter für eine organisatorische und prozessorientierte zu sensibilisieren, wurden sie parallel dazu geschult. Diese Aufgabe übernahm Consulting4IT. Dazu Guido Löbel, Teamleiter IT Services bei Simon Hegele: "Das Training entsprach genau unserem pragmatischen Denken: Jedem Unternehmen so viel ITIL, wie es verträgt. Zwar bietet die Consulting4IT auch ITIL-Klassiker wie Foundation an. Das war uns aber zu theoretisch."
Nach den Prozessen stand die Tool-Implementierung auf dem Plan. Die Vorgehensweise bei der Implementierung erschien dem Team am Anfang ungewöhnlich: Simon Hegele bekam direkt ein fertiges Konzept angeboten. Johannes Volckmann, Geschäftsführer der Consulting4IT, erläutert die Gründe: "Nachdem wir wissen, wie ein Kunde in Zukunft arbeiten will, haben wir alle Informationen, die wir für ein optimales Tool-Implementierungskonzept benötigen." Der Kunde hingegen kenne das Tool ja kaum und orientiere sich häufig an den bestehenden Ist-Prozessen, die meist nicht einmal einheitlich definiert seien: "Zu oft werden bei rein technischen Implementierungen auch alte Zöpfe von genau dem Tool, das man ablösen soll, in der neuen Lösung identisch umgesetzt." Wenn nun das neue Tool einer anderen Philosophie folge, führe das in der Praxis zu langwierigen und meist völlig überflüssigen Customizing-Orgien.
Inwiefern sich die Arbeit lohnte
Ein halbes Jahr nach Projektabschluss waren bereits 25.000 IT-Services über das neue Tool verbucht - fünfmal soviel wie erwartet. 15.000 der Buchungen kamen über den Genehmigungsprozess des Service-Portalsm inclusive der automatischen Kostenverrechnung.
Dabei wurde schnell deutlich, dass eine IT-Abteilung deutlich mehr leistet als gedacht: Services wie die Einrichtung oder Vergrößerung eines E-Mail-Postfachs sind so selbstverständlich, dass man sie gar nicht mehr bewusst wahrnimmt. Im Gedächtnis bleiben dagegen komplexe Aufgabenstellungen wie die Bereitstellung eines neuen Arbeitsplatzes. Die besteht genau genommen aus vielen Einzelservices wie der Bereitstellung eines PCs, der Vergabe einer SAP-Zugriffsberechtigung oder der Zuweisung von Berechtigungen für Drucker. Heute können auch diese komplexen Bundles bei Simon Hegele koordiniert und standardisiert abgearbeitet werden, denn die Leistungserbringung ist proaktiv geplant.
Wo es kritisch wurde
Wie Benz berichtet, gab es im Projekt auch den einen oder anderen Stolperstein: "Knifflig wurde es, als es darum ging, die in der Vergangenheit bereitgestellten IT-Services nachträglich zu verbuchen." Bei einer internen Kostenverrechnung müsse auch die Historie aufbereitet werden, da die Services ja weiter genutzt würden. Dazu sei es aber notwendig, die historischen Leistungen zu identifizieren, zu kategorisieren und zu bewerten. "Das war nicht immer einfach und hat mehr Zeit gekostet als gedacht", räumt der IT-Manager ein.
Vor dem Projekt hatte sich die IT Abteilung immer wieder rechtfertigen müssen, warum sie so viel Aufwand zu ihrer eigenen Verwaltung betreiben wollte. Heute stellt niemand mehr das Projekt in Frage. Stellvertretend für andere Kunden der IT-Abteilung sagt Christoph Ludin, Mitglied der Geschäftsleitung bei Simon Hegele; "Die IT hat eine 180-Grad-Wende in Richtung Servicorientierung gemacht. Heute kann ich genau sehen, was die Kollegen von der Technik mir anbieten und was es mich kostet. Außerdem kann ich meine Kostenstelle aktiv entlasten indem ich Services wieder zurückgebe, die ich nicht mehr benötige. Dafür muss ich auch nicht lange recherchieren."
Lizenz-, Asset- und Vertrags-Management ziehen heute an einem Strang. Ein solides Fundament für funktionierende Service-Management-Prozesse. "Vor dem Projekt dachten wir, dass es nicht mehr als 25 relevante Rahmenverträge in der IT gibt", so Benz, "heute haben wir bereits mehr als 80 gefunden, die wir zentral erfassen und dezentral zur Verfügung stellen."
Wie es weitergeht
Im nächsten Schritt soll das Berechtigungs-Management ausgebaut werden - vor allem in Richtung Microsoft Active Directory. Fachabteilungen sollen beispielsweise die Zugriffsberechtigungen auf Projektverzeichnisse als Service beantragen und genehmigen lassen. Die Matrix42-Lösung verfügt über eine Standardschnittstelle zum Active Directory. "In Zukunft wissen wir nicht nur wer Zugriffsrechte hat, sondern auch, warum er sie hat", freut sich IT-Service-Teamleiter Löbel. Auch die Softwareverteilung soll immer stärker direkt über den Genehmigungsprozess gesteuert werden. (qua)