Honorare

Wie Freiberufler und Berater das eigene Honorar bestimmen

15.03.2024 von Bernhard Kuntz
Kein anderes Thema bringt Berater so in Verlegenheit wie das der Honorare. Oft fehlt es ihnen an überprüfbaren Verkaufsargumenten. Auch können sie ihre Preise nicht immer begründen.

"Gäbe es für meine Leistungen doch eine Gebührenordnung wie für Rechtsanwälte, Architekten und Steuerberater. Dann hätte ich wenigstens eine Orientierung." Diesen geheimen Wunsch hegen viele selbstständige IT- und Unternehmensberater, Coaches und Managementtrainer - sprechen wir im Folgenden der Einfachheit halber von Beratern -, wenn sie mal wieder ein Angebot formulieren. Ihre Leistungen werden im Markt zu völlig unterschiedlichen Konditionen angeboten und auch bezahlt. So hat Trainer Müller volle Auftragsbücher, obwohl er einen Tagessatz von 1.600 Euro berechnet. Trainer Mayer dagegen, der scheinbar dieselbe Leistung für den halben Preis anbietet, findet keine Kunden.

Wie hoch muss der Tagessatz sein, damit IT-Freiberufler davon leben können? Diese Frage ist nicht immer leicht zu beantworten.
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Viele Berater agieren bei der Preisgestaltung auch deshalb unsicher, weil sie ihre Honorare nie betriebswirtschaftlich kalkuliert haben. Sie arbeiten nach der Maxime: "Mal sehen, was der Markt hergibt". Würden sie ihre Preise nüchtern kalkulieren, kämen sie rasch zu dem Ergebnis: Mein Tageshonorar muss mindestens 800 Euro betragen. Das sei anhand eines Rechenbeispiels illustriert.

Tagessatz von mindestens 800 Euro bis 1000 Euro

Angenommen ein Berater möchte als "Einzelkämpfer" pro Monat ein zu versteuerndes Einkommen von 5000 Euro erzielen. Dann sollte sein monatlicher Umsatz circa 10.000 Euro betragen. Denn er muss auch ein Büro mieten und sein Auto finanzieren - außerdem als Selbstständiger allein für sein Alterssicherung und Krankenversicherung sorgen. Auch das Marketing kostet Geld. Schnell kommt man so auf einen Betrag von 10.000 Euro, den der Berater pro Monat erzielen muss.

Ein Monat hat im Schnitt aber nur 18 Arbeitstage. Und hiervon gehen nochmals sechs bis acht für administrative Tätigkeiten, für die Produktentwicklung sowie die Kundenakquise und -betreuung drauf. Also verbleiben maximal 10 bis 12 Tage, an denen der Berater als Berater arbeiten und den monatlichen Gesamtumsatz von 10.000 Euro einfahren kann. Folglich sollte sein Tageshonorar mindestens 800 bis 1000 Euro betragen - abhängig von der Zahl der Beratertage, die er fakturieren kann.

Dass ein selbstständiger Berater so kalkulieren muss, ist vielen Personen und Organisationen, die Beratungsleistungen einkaufen möchten, nicht bewusst. Versuchen Sie als Berater erst gar nicht, es ihnen zu erklären: Sie glauben es Ihnen ohnehin nicht. Arbeiten Sie lieber daran, Ihren Kunden zu vermitteln, dass Sie Ihr Honorar wert sind.

Was "teuer" ist, ist relativ

Generell gilt: Was "hochpreisig" ist, ist relativ. Denn für die verschiedenen Trainings- und Beratungsthemen sind verschiedene Preise "üblich". So zahlen Unternehmen für Seminare, in denen es um das Vermitteln von Arbeitstechniken geht, in der Regel weniger als für Führungsseminare. Auch von Branche zu Branche sind die Preisniveaus verschieden. So zahlen zum Beispiel Industrieunternehmen und Finanzdienstleister für dieselbe Beraterleistung meist mehr als Handelsunternehmen.

Deshalb lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen darüber machen, welche Preise ein Trainer oder Berater verlangen und am Markt durchsetzen kann. Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch Aussagen, wie sie ein Beraterverband vor einiger Zeit traf: Ab einem Tagessatz von 1500 Euro sei es schwierig, das gewünschte Honorar durchzusetzen. Für manche Marktsegmente gilt: Schon ein Tageshonorar von 800 Euro erfordert eine sehr überzeugende Verkaufsargumentation - dies gilt zum Beispiel für den gesamten Non-Profit-Bereich und für die meisten kommunalen und staatlichen Einrichtungen. Für andere Marktsegmente hingegen gilt: Wenn Sie dort "nur" einen Tagessatz von 1500 Euro fordern, nehmen Ihre Zielkunden Sie nicht ernst. Das ist zum Beispiel bei solchen Unternehmen wie großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Anwaltskanzleien und Ingenieurbüros häufig der Fall, die selbst hohe Tagessätze haben.

Sie können jeden Preis verlangen, wenn ...

Der Preis, den Berater für ihre Leistungen verlangen, ist aus Kundensicht stets eine relative Größe. Oder anders formuliert. Sie können jeden Preis verlangen - solange für Ihre Leistung die erforderliche Nachfrage besteht und Sie den Preis argumentativ verkaufen können. Hierfür ein Beispiel: Ein Präsentationstrainer aus Baden-Württemberg fordert für seine Präsentationsseminare ein Tageshonorar von 3200 Euro - und erhält es. Doch nicht nur dies: Seine Kunden vergüten ihm zudem bei jedem Seminar die Vor- und Nachbereitung mit einem halben Tagessatz, also 1600 Euro. Und das, obwohl Seminare zum Thema Präsentieren tendenziell eher schlecht bezahlt werden. Der Grund: Der Trainer ist von Haus aus Elektroingenieur und hat sich auf die Mitarbeiter von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen spezialisiert, die häufig neue technische Lösungen fachfremden Kollegen oder gar dem Vorstand präsentieren müssen.

Welche Preise ein Berater erzielen kann, hängt primär davon ab, inwieweit er seinen Zielkunden das Gefühl ermitteln kann: "Genau diesen Berater will/muss ich haben." Und dies ist wiederum abhängig von seiner Kompetenz und davon, inwieweit sich diese in seinen Selbstaussagen und seiner Selbstvermarktung widerspiegelt.

Kaufargumente für die Kunden entwickeln

Und hier fängt das Problem an. Als kompetent erachtet sich jeder Berater, und viele sind es auch. Doch leider können manche ihre Kompetenz ihren potenziellen Kunden nicht überzeugend darlegen - denn sie haben aus ihrer Biografie keine nachprüfbaren Argumente abgeleitet, warum Unternehmen gerade sie und keinen Mitbewerber engagieren sollten.

Anders ist dies bei einem auf die Finanzbranche spezialisierten Management-Berater aus München. Er schreibt auf seiner Website unter der Überschrift "8 Gründe, warum Sie mich kontaktieren sollten":

"Es gibt viele Managementtrainer und -berater. Deshalb nenne ich Ihnen einige Gründe, warum Sie mich zumindest kontaktieren sollten:

Wollen Sie weitere Gründe erfahren? Dann rufen Sie mich an."

Der Berater nennt seinen (Noch-nicht-)Kunden ganz klare, nachprüfbare Gründe, warum sie ihn engagieren sollten. Und mit ihnen begründet erauch seinen Preis - 2500 Euro pro Trainings- und 3200 Euro pro Beratungs- oder Coachingtag.

Kaufargumente für die Kunden entwickeln

Welche Preise ein Freiberufler erzielt, hängt also auch davon ab, ob er bei seinen Zielkunden das Gefühl erzeugen kann: Genau diesen Berater muss ich haben! Und das ist nicht nur von der Kompetenz abhängig, sondern auch von der Selbstvermarktung. Und hier fängt das Problem an. Obwohl sich viele Berater für kompetent halten, können sie ihre potenziellen Kunden nicht überzeugen. Sie haben es versäumt, aus ihrer Biografie nachprüfbare Argumente abzuleiten, warum Unternehmen sie und keinen Mitbewerber engagieren sollten.

Das Beispiel eines auf die Finanzbranche spezialisierten Management-Trainers und -Beraters aus München zeigt, wie es anders geht. Er schreibt auf seiner Website unter der Überschrift "8 Gründe, warum Sie mich kontaktieren sollten":

"Es gibt viele Managementtrainer und -berater. Deshalb nenne ich Ihnen einige Gründe, warum Sie mich zumindest kontaktieren sollten:

  1. Als ausgebildeter Bankkaufmann und studierter Betriebswirt weiß ich, dass sich alles rechnen muss - auch Training und Beratung.

  2. Als langjähriger Mitarbeiter einer renommierten Privatbank habe ich erlebt, wie viel Kompetenz, Leidenschaft und Liebe zum Detail nötig sind, um anspruchsvolle Kunden zu begeistern.

  3. Aufgrund meiner langjährigen Führungserfahrung kenne ich die Feinstrukturen von Geldinstituten und weiß, wo es in ihrem Führungsalltag oft klemmt.

  4. Ich arbeite nur für Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften. Entsprechend groß ist meine Branchenkompetenz. (und viele weitere Gründe). Wollen Sie weitere Gründe erfahren? Dann rufen Sie mich an."

Der Berater nennt seinen potenziellen Kunden ganz klare, aus seiner Biografie abgeleitete und damit nachprüfbare Gründe, warum sie ihn engagieren sollten. Und mit ihnen begründet er auch seinen Preis - 2500 Euro pro Trainings- und 3000 Euro pro Beratungs- oder Coaching-Tag.

Kennzeichnend für Berater, die eine so klare Kauf- und Preisargumentation haben, ist: Sie haben ihre Stärken analysiert und ihre Zielgruppen klar definiert. So gibt es zum Beispiel in fast jeder Branche Trainer- und Beratergurus, die außerhalb der Branche "kein Mensch kennt". Auch unter ihren Berufskollegen sind sie weitgehend unbekannt, da sie sich zum Beispiel in den Branchenblättern nicht präsentieren. Hieran haben diese Anbieter, die in der Regel sehr profitabel arbeiten, auch kein Interesse. Denn ihre Zielgruppe sind nicht die Berufskollegen, sondern zum Beispiel Logistikunternehmen, Druckereien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Ingenieurbüros.

8000 Euro Tagessatz für den Vertriebsberater

Kennzeichnend für Berater, die eine so klare Kauf- und Preisargumentation haben, ist: Sie haben ihre Stärken analysiert und ihre Zielgruppen klar definiert. So gibt es zum Beispiel in fast jeder Branche Trainer- und Beratergurus, die außerhalb der Branche "kein Mensch kennt". Auch unter ihren Berufskollegen sind sie weitgehend unbekannt. Das stört die betreffenden Anbieter aber wenig. Denn ihre Zielkunden sind nicht ihre Berufskollegen, sondern zum Beispiel Logistikunternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Ingenieurbüros. Also arbeiten sie auch primär daran, sich bei diesen den Ruf "Experte für ..." aufzubauen.

So verhält sich auch bei einem Vertriebsberater, der sich darauf spezialisiert hat, Industrie-Zulieferer, die in einem Markt mit oligarchischen Strukturen zuhause sind, in Vertriebsfragen zu beraten - als zum Bespiel die zahlreichen Automobilindustrie-Zulieferer im deutschsprachigen Raum, die alle um die Gunst der wenigen Autohersteller wie BMW, VW, Daimler und Opel buhlen. Sein Tagessatz als Berater und Trainer beträgt 8000 Euro aufwärts. Und Konzeptionstage im Büro lässt er sich mit mindestens 4000 Euro vergüten. Und dieses Honorar erhält er. Angenommen ein Automobilindustrie-Zulieferer steht vor der Frage: Wie kommen wir mit BMW oder VW ins Geschäft? Oder: Wie können wir unseren Lieferanteil und -umfang bei Daimler erhöhen? Oder: Wie können wir in den Vertragsverhandlungen mit Opel ein, zwei Prozent höhere Preise für unsere Sensoren, Zierleisten oder Sitze erzielen? Dann ist es den Zulieferern sozusagen "piep-egal", was der Berater kostet. Hauptsache er löst … beziehungsweise sie lösen mit seiner Hilfe das Problem.

Und dem Berater? Dem ist es wiederum "piep-egal", dass andere Vertriebs- und Verkaufstrainer und -berater deutlich bekannter sind als er. Denn er erzielt mit seinem Team aufgrund seiner Spezialisierung deutlich höhere Umsätze und Gewinnmargen als sie.