Outsourcing mit HP und T-Systems

Wie Eon IT-Services einkauft

27.09.2012 von Karin Quack
Wenn zwei sich streiten, gewinnt am Ende der Kunde. Nach diesem Prinzip hat Eon die Verantwortung für seine ausgelagerten IT-Services organisiert.
Eon-CIO Edgar Aschenbrenner (links) und T-Systems-Geschäftsführer Hagen Rickmann im Gespräch mit CW-Redakteurin Karin Quack
Foto: Norbert Ittermann

Der Energieriese Eon hat vor zwei Jahren begonnen, sich strategisch neu auszurichten - unter anderem auf das Geschäft außerhalb Europas, zum Beispiel in Brasilien. Damit veränderte sich auch der Auftrag an die IT, so Edgar Aschenbrenner, CIO des Konzerns. Ein Übriges habe die Veränderung der politischen und technologischen Rahmenbedingungen getan: die Energiewende im Verein mit einer "rasant zunehmenden Digitalisierung", wie sie zum Beispiel das Smart Metering symbolisiere.

Die IT des Eon-Konzerns begleitete diese Entwicklungen, indem sie Aufgaben, die sie nicht zum Kerngeschäft rechnet, ausgelagert hat. "Wir wollten damit eine flexible, schlagkräftige und kostengünstige Konzern-IT schaffen", erläutert Aschenbrenner.

Vier IT-Bereiche

Die IT ist bei Eon als konzernweite Shared-Service-Funktion organisiert. Sie setzt sich genau genommen aus vier Bereichen zusammen:

Aschenbrenner geht es eigenen Angaben zufolge um einen "gesunden Sourcing-Mix". Hinter diesem Schlagwort steht eine durchaus eigenständige Strategie.

Projektsteckbrief

  • Branche: Energie.

  • Projektkategorie: Outsourcing.

  • Kernprodukte: unter anderem Einführung von Microsoft Lync.

  • Herausforderungen: Kooperation zwischen den Partnern erforderlich.

  • Ziele: erstens stabiles Geschäft - nahezu hundertprozentige Verfügbarkeit der IT; zweitens Verringerung der jährlichen Betriebskosten um zweistelligen Millionenbetrag.

  • Stand des Projekts: erste Gespräche 2010; Transformation-Phase seit April 2011; Laufzeit bis 2016 plus Option auf weitere zwei Jahre.

  • Involvierte Anbieter: T-Systems (Mitverantwortung durch Hewlett-Packard).

  • Ansprechpartner: Edgar Aschenbrenner, Eon.

Dreimal Infrastruktur-Services

Der Bereich Infrastruktur-Services, in dem die meisten Services fremdbezogen werden, setzt sich bei Eon aus drei Schichten zusammen:

Eon-CIO Edgar Aschenbrenner hat Communication & Collaboration als eigenes Servicepaket definiert.
Foto: Norbert Ittermann

Warum der CIO den letztgenannten Bereich aus dem Data Center ausgegliedert hat, begründet er mit der wachsenden Bedeutung von Kommunikation und Zusammenarbeit für den Unternehmenserfolg.

Die Pakete "Managed Workplace" und "Managed Data Center" hat Eon an Hewlett-Packard ausgelagert. Vorausgegangen war eine EU-weite Ausschreibungs- und Verhandlungsphase auf Basis vorab festgelegter Vergabekriterien, so Aschenbrenner.

Den dritten Bereich, kurz C&C genannt, hat Eon an T-Systems übergeben. Dort ist naturgemäß die Affinität zu den Themen Netze und Telefonie recht groß. Aber es geht um mehr als Telefonieren und Datenübertragung, wie Hagen Rickmann, Mitglied der T-Systems-Geschäftsführung, erläutert. Bestandteile des Abkommens seien das Ende-zu-Ende-Management der E-Mail- und Instant-Messaging-Lösungen, das Web- und Audio-Conferencing sowie die standardisierte Kommunikation über Microsoft Lync. "Diese Technologien wachsen zusammen und schaffen neuen Nutzen", so Rickmann, "das ist für T-Systems hochattraktiv, zumal wir uns so als Partner für die Energiewirtschaft aufstellen - beispielsweise als Enabler für das Smart Metering."

Abgrenzungsprobleme delegiert

Dass der Energiedienstleister nicht unter etwaigen Abgrenzungsproblemen leidet, dafür hat Aschenbrenner jedenfalls gesorgt. In der Präambel des 5000 Seiten umfassenden Vertrags wurde schwarz auf weiß festgelegt, dass HP und T-Systems gemeinsam mit Eon die Verantwortung für den Erfolg der Auslagerung tragen.

Für die Koordination des operativen Geschäfts ist HP als "Service-Integrator" verantwortlich, aber "alle Beteiligten sind lang genug im Geschäft, um gelernt zu haben, dass sich Finger-Pointing am Ende rächt", sagt Aschenbrenner. Die Services seien ausführlich und konkret beschrieben. Die Anbieter berichteten regelmäßig die entscheidenden Kennzahlen wie Betrieb, Performance und Kundenzufriedenheit. Wenn eine der Ampeln rot zeige, müssten alle daran arbeiten, sie wieder auf grün zu stellen.

Fünf Jahre plus zwei

T-Systems-Geschäftsführer Hagen Rickmann: "Die ersten zwei Jahre sind die Investment-Phase."
Foto: Norbert Ittermann

Fünf Jahre ist die vereinbarte Vertragslaufzeit - mit der Option auf eine zweijährige Verlängerung. "Tendenziell werden die Laufzeiten der Serviceverträge kürzer", weiß auch Aschenbrenner, "das ermöglicht maximale Flexibilität - aber der Partner sollte auch eine Chance haben, auf seine Kosten zu kommen und eine Perspektive für seine Mitarbeiter zu schaffen."

Immerhin hat T-Systems mit den diversen Serviceaufgaben auch 200 Eon-Mitarbeiter übernommen. "Die ersten zwei Jahre sind die Investment-Phase", präzisiert Rickmann aus der Anbietersicht, "danach erst wird geerntet." Insofern habe T-Systems auch ein großes Interesse an der zweijährigen Verlängerung: "Wir wollen Zusatzgeschäft und langfristige Beziehungen. Aber wir wissen auch, dass wir dafür jeden Tag Innovationen liefern müssen." Wenn jemand alte Technologien auslagern wolle, sei T-Systems nicht der richtige Partner.

Ausdrücklich lobt Rickmann die sorgfältige Vorbereitung und die "vorbildliche" Governance durch Eon. Beispielsweise habe der Kunde "Gott sei Dank" eingefordert, dass sich spätestens alle sechs Wochen das "Geschäftsführungsteam" zusammensetzt und den Projektverlauf reflektiert.

Nicht ohne Stolz ergänzt Aschenbrenner: "Wir haben eine dedizierte Infrastruktur an die Partner übergeben, auf die wir viel Sorgfalt verwendet haben. Eine Flurbereinigung in der Landwirtschaft funktioniert ja auch nicht, indem man mal eben über das Gelände fährt."

Erfolgsfaktor Governance

  • Um den Aufbau einer neuen Infrastruktur und den Übergang dorthin zu organisieren, ist eine funktionierende Governance unabdingbar.

  • Die Governance ist Sache der Retained Organisation, die bei Eon etwa 150 Mitarbeiter umfasst. Deren Aufgaben bestehen vor allem in der Steuerung der Partnerleistungen und dem Management der Verträge.

  • Im Zusammenhang mit der Governance sind zwei Fragen zu stellen: Welche Gremien sind nötig? Was wird dort entschieden?

  • Zum einen gibt es bei Eon das "Entscheidergremium" mit Geschäftsführern und Vorständen von Eon IT und Eon-Business-Gesellschaften, das sich alle ein bis zwei Monate trifft; zum anderen tagen regelmäßig die "Sounding Boards", in denen sich Demand-Manager, Projektverantwortliche und Business-Vertreter über den aktuellen Status sowie die geplanten nächsten Schritte austauschen und die gegenseitigen Erwartungen abgleichen.

  • Wie T-Systems-Geschäftsführer Hagen Rickmann bekennt, hilft die Governance auch dem Dienstleister, weil sie für Disziplin, klare Sprachregelungen und die Nachverfolgung von erbrachten Leistungen sorgt.

Ab 2014 wird richtig profitiert

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Die ersten Gespräche zwischen Eon und T-Systems fanden bereits Anfang 2010 statt. Nach den Verhandlungen, die sich über ein Jahr hinzogen, und der sechsmonatigen Transition-Phase befinden sich die beiden Partner seit April im "TransForward"-Prozess. Diese Umgestaltung der Infrastruktur ist auf zwei Jahre angelegt. Danach bleiben mindestens drei Jahre regulärer Vertragslaufzeit, in der Eon von den verringerten Betriebskosten profitieren kann. Die angepeilten Einsparungen bewegen sich laut Aschenbrenner "im zweistelligen Millionenbereich". Konkrete Zahlen will der CIO allerdings nicht nennen - auch mit Rücksicht auf den Partner.

Wie Aschenbrenner beteuert, strebt Eon eine Win-win-Situation an: "Wir wollten weder ein überteuertes Angebot noch einen gekauften Deal." Im Übrigen räume der Vertrag den Partnern genug Flexibilität ein, um sowohl zusätzliche Einsparungen gerecht zu verteilen als auch eventuell auf-tretende Probleme beheben zu können.

Nächstes Thema: Cloud-Übergang

Ein Thema, das in den derzeitigen Verträgen noch nicht geregelt ist, aber früher oder später angegangen werden soll, ist der - teilweise - Übergang des C&C-Betriebs in die Cloud. Aschenbrenner sieht durchaus Möglichkeiten, Cloud-Services zu nutzen, anstatt für jeden Collaboration-Server separat zu zahlen.

Das bestätigt auch Rickmann: "In Spanien etwa gibt es nur wenige SAP-Arbeitsplätze; da wäre schon zu fragen, ob man die nicht aus der Cloud beziehen könnte." Er jedenfalls sei in dieser Hinsicht diskussionsbereit. (mhr)

Lessons learned -Was Eon gelernt hat

  • Die IT muss schon im Vorfeld des Projekts auf drei Ebenen operieren - intern, in der Beziehung mit den Partnern auf der einen sowie mit den Fachbereichen auf der anderen Seite.

  • Wichtig ist es, die Fachbereiche frühzeitig - und in ihrer eigenen Sprache - in die Pläne einzuweihen, so dass sie wissen, was auf sie zukommt. Damit das keine Einbahnstraße ist, muss Feedback eingeholt und dokumentiert werden.

  • Ein entscheidender Faktor ist eine früh installierte Retained Organisation, die nicht nur den Provider steuert und bewertet, sondern sich selbst einem regelmäßigen Benchmark unterziehen sollte. Sie muss eng mit dem Business kooperieren.

  • Ein wichtiges Element des Vertrags ist die von CIO Edgar Aschenbrenner so genannte "Sippenhaft". Der für den Desktop- und den Data-Center-Bereich zuständige Dienstleister Hewlett-Packard und die mit Communication & Collaboration betraute T-Systems sind gemeinsam mit Eon dafür verantwortlich, dass die Gesamtstruktur funktioniert. Gegenseitige Schuldzuweisungen gelten nicht.

  • Pragmatismus und ein ausgeprägter Lösungswille wiegen schwerer als ausgefeilte Methoden und Spitzfindigkeiten. Manchmal muss man auch mit wochenlang andauernder Unsicherheit umgehen können.

  • Das Change-Management bleibt auf alle Fälle in den Händen des Kunden. Wenn man rund 80.000 Anwender mitnehmen muss, ist es nicht anders möglich, als diese wichtige Funktion zu zentralisieren.