Wie Einsteiger am Ball bleiben

17.10.2003 von Wolfgang Miedl
Statt zweistelliger Zuwachsraten ist am IT-Arbeitsmarkt derzeit Flaute angesagt. Mit dem Aufkommen neuer Technologie-Hypes wie Web-Services, Java oder .NET sind aber auch Experten mit zeitgemäßem Wissen gefragt. Bringen diese Technologien den Arbeitsmarkt wieder in Schwung?

Alle warten auf ein Ende der Durststrecke in der IT-Branche. Vor allem für Studenten und Berufseinsteiger stellt sich die Frage, wo es Jobs mit Perspektive gibt. Lohnt es sich, auf Trendtechnologien zu setzen, um so beim nächsten Aufschwung dabei zu sein? An viel versprechender Technik, die auf ihren Einsatz wartet, mangelt es nicht.

So ist der Web-Services-Boom mitten in der Krise richtig aufgeblüht. Die Industrie wird nicht müde, Einigkeit in den Kernfragen dieser neuen Basistechnologie zu demonstrieren, die den Markt revolutionieren soll. Java/J2EE ist in großen Unternehmen längst etabliert, hier könnten Experten gefragt sein. Auch Microsoft schickt sich mit dem noch jungen .NET-Konzept an, seinen Kundenstamm von einem großen Technologieschwenk zu überzeugen. Schädlingsepidemien wie Loveletter und W32.Blaster sprechen auf jeden Fall für einen blühenden Security-Markt, aber auch Themen wie Business Intelligence könnten für den IT-Nachwuchs attraktiv sein.

Hört man sich dort um, wo viele Informatikabsolventen eine Anstellung finden - etwa bei großen Beratungsunternehmen -, zeichnet sich ein etwas anderes Bild von den Auswirkungen neuer Techniken auf den Arbeitsmarkt. Christoph Dambeck, Personalleiter von Cap Gemini Ernst & Young, erklärt, dass eine Fokussierung auf Web-Services viel zu eng wäre, um den Anforderungen seines Unternehmens zu entsprechen: "Die ideale Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ist ein möglichst breit angelegtes Studium, das mit Praktika bei Beratungen ergänzt wird."

Schwere Zeiten für Absolventen

Die Kunden erwarten kein theoretisches Wissen, sondern Branchenkenntnisse. Die Ausbildung an den Hochschulen erntet bei Dambeck - wie bei vielen seiner Kollegen - diesbezüglich Kritik, da sie zu theoretisch sei. Cap Gemini hat daraus Konsequenzen gezogen: Kamen laut Dambeck im Jahr 2000 noch 25 Prozent der Neueinsteiger direkt von einer Hochschule, ist deren Anteil auf fünf Prozent zurückgegangen. Von seinen Mitarbeitern erwartet das Unternehmen, dass sie flexibel und mobil sind sowie team- und kundenorientiert denken.

Christoph Dambeck: "Die ideale Vorbereitung ist ein breit angelegtes Studium und Praktika."

Je nach Projekt werden die Berater auf die entsprechenden Technologien geschult, Know-how in jedem aktuellen Techniksektor wird daher nicht zwingend vorausgesetzt. Hier sieht Dambeck Mitarbeiter beide Seiten in der Pflicht: Von den Beratern erwartet er Interesse an neuen Technologien und ein gewisses Engagement. Das Unternehmen müsse im Gegenzug die Möglichkeiten für eine permanente Weiterentwicklung bieten. Gute Zukunftschancen sieht Dambeck weniger bei den Hype-Technologien, sondern eher im Bereich Wartung und Optimierung bestehender Systeme.

Wenig Anlass zur Hoffnung, dass neue Technologien von selbst die Wende am Arbeitsmarkt herbeiführen, sieht auch Detlev Klage, Bereichsleiter Schnittstellen und Administrations-Management-Systeme bei der Sparkassen Informatik GmbH. Zwar stimmt er mit anderen Experten darin überein, dass Web-Services das Potenzial haben, die IT grundlegend zu verändern. Schließlich löse der Ansatz, Softwarekomponenten plattformübergreifend und unabhängig von deren Ort zu nutzen, einige grundlegende Probleme der IT. Technik dürfe allerdings nicht zum Selbstzweck ausarten. "Der IT-Nachwuchs muss zuerst die Sichtweise des Kunden lernen und sich fragen, welchen Mehrwert der Auftraggeber durch den Einsatz einer Technologie hat", so Klage.

Der Markt für Web-Services ist laut Klage klassisch nachfrageorientiert. Es liege daher an den Herstellern, fachliche Funktionen - etwa auf Web-Service-Basis - in überzeugender Form anzubieten, dann würden die Anwender solche Funktionen auch zu Bestandteilen ihrer Anwendungen machen. Derzeit sieht man bei der Sparkassen Informatik die prädestinierten Einsatzgebiete für Web-Services dort, wo vertrauenswürdige Geschäftsbeziehungen zwischen Anwenderunternehmen und einem IT-Dienstleister bestehen.

Keine Rücksicht auf Trends

Völlig unabhängig von technologischen Trends sucht sich das Münchner Software- und Beratungsunternehmen sd&m seinen Nachwuchs aus. "Gefragt ist bei uns der Generalist", erklärt Personalchef Christoph Reuther. "Eine breite technische Grundlagenbildung ist auf lange Sicht wichtiger als eine zu frühe Spezialisierung." Auch sd&m richtet sich in der Projektarbeit nach den Bedürfnissen der Kunden. Das Unternehmen ist grundsätzlich produktneutral aufgestellt, bei Aufträgen kommt die Technologie zum Einsatz, die sich am besten für eine Lösung eignet. Daraus ergeben sich dann die Trainingsmaßnahmen für die Mitarbeiter. Bei der Auswahl der Bewerber legt sd&m die Latte sehr hoch - so wird überdurchschnittliches Informatikwissen vorausgesetzt, zudem achtet man auf persönliche Eigenschaften wie Überzeugungskraft, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität und Flexibilität.

Gefahr: Schmale Ausbildung

Christoph Reuther: "Keine Technologie verspricht langfristige Chancen am Arbeitsmarkt."

Bei der Bewertung neuer Technologien und deren Einfluss auf die IT bleibt man bei sd&m eher nüchtern - Web-Services seien nur eine konsequente Weiterentwicklung bestehender Architekturen. Wer über die grundlegenden IT-Kenntnisse verfüge, so Reuther, habe kein Problem, sich in solche Themen einzuarbeiten. Die Mitarbeitern sollten über wichtige Entwicklungen im Bild sein und sich mit ihnen auseinander setzen. Auch mit Blick auf die Zukunftschancen in dieser schnelllebigen Branche sei das wichtig. "Keine Technologie verspricht langfristige Chancen am Arbeitsmarkt", so Reuther, "wer hier zu schmal ausgebildet ist, läuft in eine Sackgasse."

Etwas mehr Wertschätzung finden neue Technologien bei Plaut Consulting. "Die gängigen Trends wie Web-Services, Java oder Sicherheitsthemen sollte der IT-Nachwuchs auf jeden Fall beherrschen"; so Bernd Schweiger, Geschäftsführer bei Plaut Deutschland. Aber auch er legt großen Wert auf IT-Basiswissen. Allerdings hält er eine Spezialisierung während der Ausbildung für entscheidend, um die Einstellungschancen zu erhöhen. Einen klaren Trend sieht Schweiger zu E-Business: "Auch wenn der Bereich nach der geplatzten Dotcom-Blase derzeit wenig Begeisterung auslöst, bin ich davon überzeugt, dass E-Business und alle damit verbundenen Aspekte - also auch Web-Services - künftig ein dominierendes IT-Thema sein werden."

Wenig Perspektiven sieht der Plaut-Chef hingegen angesichts des Offshore-Outsourcing-Trends im Bereich Softwareentwicklung. Da man IT-Beratung nicht isoliert von den Geschäftsprozessen eines Unternehmens sehen könne, sei für die Mitarbeiter Grundwissen in den Bereichen Informatik und Betriebswirtschaft unabdingbar. Für die optimale Vorbereitung auf spezielle Projektanforderungen gibt es bei Plaut wie in anderen Unternehmen Ausbildungspläne.

Bescheidene Wünsche

Tendenziell optimistisch, was die Bedeutung aktueller Technologietrends für die Chancen am Arbeitsmarkt betrifft, ist man auch bei der CSC Ploenzke AG in Wiesbaden. "Wir erachten Java/J2EE und Microsoft .NET als wertvoll", so Giuseppe Barcellona, Business Development Director E-Business und Technology. "Eine solide theoretische Grundausbildung und erste praktische Erfahrungen in beiden Welten sind eine gute Basis für den Einstieg." Als wichtige Trends in der Branche betrachtet Barcellona die Themen Systemintegration und komponentenbasierende Lösungsansätze, bei denen es um die Integration von Softwarepaketen sowie bestehenden Anwendungsteilen geht.

Skeptisch äußert hingegen auch er sich zum Thema "Jobmaschine Neue Technologien". "Eine neue Technologie allein kann oft Enabler, jedoch selten "Driver" von massiven Veränderungen auf dem Markt sein", so Barcellona. Zu den idealen Voraussetzungen, die ein Bewerber bei CSC Ploenzke erfüllen sollte, äußert sich sein Kollege Burkhard Hanke, Leiter Recruiting Services: "Bewerber sollten vor allem klare Ziele haben und sich aber auch überzeugend verkaufen können. Wer so flexibel ist, dass er bei Bedarf eine Aufgabe übernimmt, die nicht in jeder Hinsicht seinen Wünschen entspricht, hat auch heute in der Regel Erfolg mit seiner Bewerbung."

Java/J2EE

Die Programmiersprache und Systemplattform Java wurde Mitte der 90er entwickelt und galt als viel versprechendes Konzept, um Anwendungen sicher über das Internet auszuführen. Mittlerweile hat sich Java als feste Größe im Markt für Applikationsserver etabliert, wo Java-Programme als so genannte Servlets auf dem Server laufen. Um Servlets zu nutzen, muss am Client ein Browser oder eine entsprechende GUI (Graphical User Interface) installiert sein. Applikationsserver basieren in der Regel auf der J2EE-Laufzeitumgebung (Java 2 Enterprise Edition). Ein Vorteil dieses Modells ist die einfache Administration, da nur eine zentrale Instanz gepflegt werden muss.

Web-ServicesWeb-Services ermöglichen verteilte, lose gekoppelte Anwendungen, die auf Basis des Datenstandards XML (Extensible Markup Language) kommunizieren. System- und Datenbarrieren, die die IT bisher kennzeichnen, sollen künftig verschwinden. Explizite und umfangreiche Projekte für die Integration von Anwendungen werden überflüssig. Ein Web-Service kann vorhandene Geschäfts- und Systemfunktionalität wie neu entwickelte komponentenbasierende Anwendungen beschreiben und lässt sich im Internet, Intranet oder Extranet einsetzen.