Wie die Sparkassen ihre IT modernisieren

10.05.2007
Bei der Ablösung von Legacy-Anwendungen setzt die Sparkassen Informatik auch auf Konzepte einer Service-orientierten Architektur (SOA).

"Wir wollten die Prozesse der Sparkassen besser durch IT unterstützen." So beschreibt Detlev Klage, verantwortlich für den Multikanal-Vertrieb der Sparkassen Informatik, eines der größten IT-Modernisierungsprojekte in der deutschen Finanzbranche. Nach der Fusion mit der bayerischen IZB Soft bedient der Dienstleister mit Hauptsitz in Frankfurt/Main rund 300 Sparkassen mit IT-Services; in den Instituten betreut er etwa 185 000 Arbeitsplätze. "Ziel war es auch, Redundanzen in den diversen Bankanwendungen zu beseitigen, Funktionen zu kapseln und Anwendungslogik wiederzuverwenden", so Klages.

Heute charakterisieren solche Vorgaben meist Projekte zur Einführung von Service-orientierten Architekturen (SOA). Als die Vorgängerorganisation des IT-Dienstleisters 1999 mit der Neuentwicklung eines Kernbankensystems für die Sparkassen-Finanzgruppe begann, war der Begriff nur wenigen Experten bekannt. Inzwischen verwenden 229 Sparkassen mit 125 000 Benutzern das neue Kernbankensystem "OSPlus", berichtet Klage, der auch das Architektur-Board in der Anwendungsentwicklung der Sparkassen leitet. In einem "bankfachlichen Baukasten" ständen rund 1600 fachliche Services zur Verfügung. Über ein Repository können die Geldinstitute gewünschte Module suchen und nutzen. Verpflichtend ist der Einsatz des Systems nicht; die Sparkassen sind in Sachen IT weitgehend autonom.

Spartengrenzen als größtes Hindernis

Detlev Klage, Sparkassen Informatik
Foto: Detlev Klage

Zum Start des Vorhabens galt es zunächst, die Datenlandschaft neu zu gestalten. Klages: "Dabei ging es vor allem um die semantische Integration der Datenbestände." In diesem Zusammenhang erwiesen sich die über Jahre gepflegten Spartengrenzen als größtes Hindernis. Wie in den meisten Altsystemen waren Anwendungen starr mit den zugehörigen Datenquellen gekoppelt. Die neue SOA-basierende Gesamtbanklösung setze auf einer spartenneutralen Kernbankanwendung auf, erläutert der Manager.

Die fachlichen Services entwickelten die Banker indes komplett in der schon seit Jahrzehnten verwendeten Programmiersprache Cobol. Deren Funktionen sind als Web-Services gekapselt und stehen Nutzern über das ebenfalls eigenentwickelte "OSPlus Portal" zur Verfügung. Lediglich für das Portal und die Präsentationsschicht der Architektur setzte das Team auf Java-Anwendungen. "Mit Cobol erreichen wir eine bessere Performance in den Anwendungen", verteidigt Klages den Einsatz der angestaubten Sprache. Eine durchgängige Java-Programmierung hätte zudem mehr Rechenressourcen beansprucht und wäre deshalb für die Kunden, sprich die angeschlossenen Sparkassen, teurer geworden.

SOA oder doch nur Standardsoftware?

Eine Standard-Banking-Software, wie sie etwa die Postbank gemeinsam mit SAP entwickelt hat, schied für die Sparkassen Informatik aus. Einschlägige Systeme habe man evaluiert, so Klage, aber: "Die fachlichen Anforderungen waren nicht ausreichend abgedeckt." Um eine SOA nach der reinen Lehre vieler Protagonisten handelt es sich bei OSPlus nicht. Die Sparkassen Informatik bezeichnet das System als prozessorientierte Standardsoftware für das Retailbanking, "entwickelt nach den modernsten Prinzipien des Software-Engineerings in Komponentenbauweise." Auf State-of-the-Art-Systeme wie eine BPM-Engine (Business-Process-Management), Serviceorchestrierungs-Tools oder Modellierungswerkzeuge für Geschäftsprozesse verzichten die Hessen vorerst. Zukünftig wolle man den Sparkassen noch mehr Flexibilität bieten, um Geschäftsprozesse zu kombinieren, verspricht Klage. In diesem Kontext könnten Prozesse dann auch in der Business Process Execution Language (BPEL) abgebildet werden.

Schon jetzt bringe das neuentwickelte System den Geldinstituten eine Reihe von Vorteilen: "Prozesse lassen sich rascher anpassen, die Softwareentwicklung geht schneller, wenn wiederverwendbare Services genutzt werden", erläutert Klage. Bis Oktober 2008 sollen 74 bayerische Sparkassen als Folge der Fusion mit IZB Soft ebenfalls auf die Kernbankensoftware migrieren. "65 Prozent der Sparkassen werden dann mit OSPlus arbeiten", freut sich Klage. Das entspreche einem Marktanteil von 33 Prozent im deutschen Retailbanking.

Was wird aus Finanz IT?

Nach dem Zusammengehen mit der IZB Soft gibt es in Deutschland neben der Sparkassen Informatik, die vor allem im Süden und Westen aktiv ist, nur noch einen IT-Dienstleister der Sparkassen: die Finanz IT GmbH mit Sitz in Hannover. Dort haben sich die Gesellschafter ebenfalls entschieden, das proprietäre Kernbankensystem abzulösen. Eine Eigenentwicklung kommt für das Führungsgremium aus Kostengründen nicht in Frage, stattdessen nahmen Experten bereits die Core-Banking-Lösungen von SAP und Oracle unter die Lupe. Bislang halten sich die Verantwortlichen alle Optionen offen. Dazu gehört auch eine Fusion mit der Sparkassen Informatik.

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen finden Sie im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE. (wh)