Wie die LBS-Nord mit CRM Marktanteile gewinnt

25.03.2004 von Christian Zillich
Nachdem die LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin-Hannover im Rahmen der Runderneuerung ihrer IT ein CRM-System (Customer Relationship Management) eingeführt hat, konnte sie ihren Marktanteil kräftig erhöhen. Vorher musste der Spezialkrediteanbieter jedoch etliche Hürden nehmen.

Statt der klassischen Trennung von Innen- und Außendienst führt die LBS ihre Marktbereiche als Profit-Center. Foto: LBS-Nord 

Als die LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin-Hannover 1999 mit der Einführung ihrer CRM-Software begann, hieß das Thema noch schlicht Kundenbeziehungs-Management. Die Initiative war auch keine Reaktion auf den damals entstehenden Trend, sondern Teil einer umfangreichen IT-Runderneuerung. Der Finanzdienstleister arbeitete damals noch mit einer hoffnungslos veralteten, Batch-orientierten Siemens-Nixdorf-Lösung. "Als ich 1996 bei der LBS Nord anfing, fand ich dort eine IT-Wüste vor - eigentlich ideal für einen Orga/EDV-Leiter", erinnert sich Jürgen Elsner, der genau diese Funktion bei der LBS-Nord einnimmt.

Neustart auf der grünen Wiese

Noch im selben Jahr entwickelte das Unternehmen eine neue IT-Strategie. In diesem Rahmen wurde ein Fünf-Jahres-Plan verabschiedet, der ein wesentlicher Treiber für die Umorganisation war. "Bei der vom Vorstand 1999 verabschiedeten Unternehmensstrategie war unser Orga/EDV-Konzept gesetzt. Es wurde beraten, wie die Organisation künftig aussehen soll, damit die Neuausrichtung der DV zum Erfolg führt", so Elsner. Das von ihm als "Neustart auf der grünen Wiese" bezeichnete Großvorhaben umfasste neben der Einführung des CRM-Systems eine Reihe von Grundlagenprojekten. So musste sein Team unter anderem das Kernsystem austauschen, ein Data-Warehouse aufbauen sowie Archiv- und Dokumenten-Management-Systeme einführen. Hinzu kam die Anschaffung und Installation neuer Hardware sowie der Aufbau einer geeigneten Netzinfrastruktur.

Insbesondere im Hinblick auf die Kundenorientierung galt es eine Reihe von Schwachstellen der alten IT-Architektur zu beseitigen. Die Datenhaltung war auf mehrere Systeme verteilt. In Folge dessen wurden Kunden nur unsystematisch und unregelmäßig angesprochen. Auch Doppelansprachen ließen sich nicht vermeiden, eine gezielte Marktbearbeitung war nicht möglich. Zudem standen den Außendienstmitarbeitern keine mobilen IT-Lösungen zur Verfügung. "Früher skizzierten die Handelsvertreter die Verträge auf Bierdeckel. Nach der Rückkehr ins Büro wurde das in Papierformulare übertragen und dem Kunden beim nächsten Besuch zur Unterschrift vorgelegt", beschreibt Elsner den ehemals typischen Vorgang. Erst nach Vertragsabschluss konnten die Daten manuell in das EDV-System der LBS eingegeben werden.

In der vom Vorstand verabschiedeten Unternehmensstrategie war daher festgelegt worden, den Prozess von der Geschäftsanbahnung bis zur abschließenden Bearbeitung DV-technisch zu unterstützen. Ziel war die Zusammenführung aller Kundeninformationen wie Kontakthistorie, Interessen oder Kaufkraft und deren Bereitstellung auf einer Oberfläche. Außerdem sollten Innen- und Außendienst die selbe Sicht auf die entsprechenden Daten haben.

Dafür wurde der Vertrieb komplett neu ausgerichtet: Die LBS fasste Vertriebsinnen- und Außendienst zusammen und entschied sich dafür, nach Regionen getrennte Marktbereiche einzuführen. So konnte der Finanzdienstleister seine Vertriebsprozesse durchgängiger gestalten und hat zudem die Möglichkeit, die Leistungen der einzelnen Marktbereiche miteinander zu vergleichen.

Zügige Vorgehensweise

1997 begann Elsners Team mit der Ausschreibung für das "Marktbearbeitungs und -steuerungs System Kunde" (MSS-K), so der Name des CRM-Projekts. "Fünf Tage nach der Vorstandsentscheidung konnten wir die entsprechenden Aufträge vergeben", beschreibt der Orga/EDV-Leiter die zügige Vorgehensweise. Den Zuschlag für die CRM-Software erhielt die Update Software AG, da deren Standardlösung "Marketing-Manager" die LBS-Anforderungen zu rund 90 Prozent abdeckte.

Mit der Einführung der Basisanwendung für 450 Anwender begann die LBS im April 1999. Anschließend wurden die Anforderungen in zahlreichen Workshops weiter spezifiziert und ein neuer Prototyp entwickelt. Ende August 2001 konnte das verbesserte System in Betrieb genommen werden. Getragen wurde das Projekt von einem fünfköpfigen Lenkungsausschuss, der sich aus den Leitern der Abteilungen Marketing, Vertrieb, Personalverwaltung, Revision und Orga/EDV zusammensetzte. Als Gesamtbudget war ein Volumen von rund 4,6 Millionen Euro veranschlagt. Die Summe beinhaltet neben der Softwarelizenz sowie den Installations- und Anpassungskosten auch die Ausgaben für Hardware und Netzinfrastruktur für den ersten Projektabschnitt (1999 - 2001).

Das Projekt auf der Kippe

Der Weg zum Erfolg war laut Elsner mit Stolpersteinen gepflastert. So gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Softwareanbieter in der Anfangsphase schwierig. Dessen technikzentrierte Sichtweise wollte so garnicht zur der in der LBS-Strategie festgeschriebenen Prozessorientierung passen. Zudem war die LBS der erste Update-Kunde aus dem Finanzbereich. "Vom Vertrieb eines Spezialkreditanbieters hatten die keine Ahnung", fasst Elsner die Startprobleme zusammen. "Das Projekt stand deshalb ein paar mal auf der Kippe." Allerdings lobt er die Unterstützung des Update-Vorstands, die auch dann nicht nachließ, wenn sie für den Softwarehersteller mit Mehrkosten verbunden war.

Die LBS-Gruppe gehört zur Sparkassen-Finanzgruppe und besteht aus elf Landesbausparkassen mit abgegrenzten Geschäftsgebieten. Sie betreut über neun Millionen Kunden und weist einen Bestand von 11,5 Millionen Bausparverträgen mit einem Volumen von 233,3 Milliarden Euro auf. Seit der Fusion am 1. Januar 2001 sind die Landesbausparkassen in Niedersachsen und Berlin als LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin - Hannover mit einem Doppelsitz in Berlin und Hannover vertreten. Mit einer Bilanzsumme von rund 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2003 ist das Unternehmen die viertgrößte LBS in Deutschland.

Als problematisch erwies sich auch der häufige Wechsel der Projektleiter. Auf LBS-Seite verließ der erste das Unternehmen nicht freiwillig, seine Nachfolgerin machte intern Karriere, der Dritte führte das Projekt schließlich zum Erfolg. Auch auf Update-Seite musste der anfangs Verantwortliche erst das Handtuch schmeißen, bevor die Zusammenarbeit richtig funktionierte.

Während der CRM-Einführung kam es Elsner zufolge zu heftigen Verwerfungen auf der Personalseite: "Unter anderm die mangelnde Technikakzeptanz aber auch die damalige Altersstruktur führte dazu, dass wir rund die Hälfte unserer 300 Außendienstmitarbeiter austauschen mussten." Zirka 75 Handelsvertretern sei ein Wechsel nahegelegt worden, weitere 75 hätten sich nicht mit den neuen Geschäftsprozessen anfreunden können und der LBS deshalb den Rücken zugewandt. "Freie Handelsvertreter sind wie freie Künstler und lassen sich nur ungern ein Korsett anlegen", resümiert Elsner. Sie sträubten sich nicht nur gegen die "Bevormundung" durch das System sowie den Einsatz von Notebooks. Etliche hätten unter anderem ein Problem mit der so entstandenen Transparenz gehabt, da sie Kundendaten als orginär eigenen Besitz angesehen hätten.

Sowohl die LBS als auch Update mussten einiges an Lehrgeld bezahlen. Rückblickend ist Elsner jedoch nach wie vor überzeugt, die richtige Wahl getroffen zu haben: "Von der ungeplanten Entwicklungspartnerschaft haben wir beide profitiert. Ein großer Anbieter, mit dem man nicht auf Augenhöhe verhandeln kann, hätte unsere speziellen Anforderungen bestimmt nicht so bereitwillig umgesetzt."

Auch für Update hat sich das Projekt über den Knowhow-Zuwachs ausgezahlt: Heute konzentriert sich der Anbieter neben den Bereichen Pharmaindustrie und Business-to-Business auf den Finanzdienstleistungssektor.

Mittlerweile haben die Außendienstmitarbeiter das System offenbar akzeptiert. Sie profitieren davon, dass ihnen der Vertriebsinnendienst Terminvereinbarungen abnimmt, Listen von besonders interessanten Kunden zusammenstellt und Anlässe generiert, die eine Gesprächsanbahnung erleichtern. "Die Mitarbeiter haben festgestellt, dass sie durch die Unterstützung nur gewinnen können und mit weniger Aufwand mehr Umsatz erzielen können", stellt Elsner zufrieden fest.

Erfolg lässt sich messen

Den Erfolg der CRM-Initiative kann Elsner mit Zahlen untermauern: Die LBS Nord hatte 1997 in Niedersachsen und Berlin einen Marktanteil von 38 Prozent und konnte diesen auf 44,6 Prozent im vergangenen Jahr steigern. "Der Vertriebserfolg ist natürlich durch ein Bündel von Maßnahmen erreicht worden", schränkt Elsner ein: "Rund die Hälfte dürfte jedoch auf die Einführung des CRM-Systems zurückzuführen sein."

Selbst in der schwierigen Übergangsphase, in der ein Produktivitätsknick keineswegs ausgeschlossen war, konnte die LBS punkten. Während in diesem Zeitraum alle Bausparkassen rückläufige Zahlen hinnehmen mussten, fielen die Verluste der LBS im Vergleich am geringsten aus. Als sich der Markt erholt hatte, konnte sie weiter zulegen.

Bei den Wettbewerbern ist das Thema CRM laut Elsner nicht besonders verbreitet, die Konkurrenten setzten fast ausnahmslos andere Schwerpunkte. Dort würde weiterhin an der klassischen Trennung von Innen- und Außendienst festgehalten. Dagegen habe sich der von der LBS eingeschlagene Weg, die Marktbereiche als Profit-Center zu führen, besser bewährt.

Ihr auf 4,58 Millionen Euro angesetztes CRM-Budget für die Jahre 1999 bis 2001 konnte die LBS weitgehend einhalten. Es beinhaltet neben den Softwarelizenzkosten die Ausgaben für Implementierung und Anpassung, sowie für 340 Notebooks, 110 PCs und die dezentralen Server in den 84 Beratungsstellen.

Die durch das neue System verursachten Mehrkosten beliefen sich auf 22 4000 Euro und waren im wesentlichen den etwas zu niedrig angesetzten Betriebskosten zu schulden. Statt wie geplant, mit zwei Stellen auszukommen, kümmerten sich drei Mitarbeiter um die Pflege und Wartung. Außerdem mussten einige Programmfehler anfangs durch Workarounds gemeistert werden.

Nachdem die LBS-Nord kürzlich den Betrieb des Systems ausgelagert hat, betreut auf Fachbereichs- und IT-Ebene jeweils ein Mitarbeiter die CRM-Lösung. So bekam die LBS auch die laufenden Kosten in den Griff.