Delphi-Studie

Wie die IT im Jahr 2030 aussieht

23.11.2009 von Johannes Klostermeier
Deutsche verfügen im internationalen Vergleich nicht über genügend Kompetenz im Umgang mit neuen Technologien. So lautet ein Ergebnis der Delphi-Studie, bei der 550 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mitmachten. Insgesamt bewerteten sie 144 Entwicklungen und Trends.
Die Delphi-Studie 2030.

20 Jahre weit in die Zukunft schauen, wollen die Herausgeber der Internationalen Delphi-Studie 2030 „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien". 144 verschiedene Entwicklungen und Trends bis in das Jahr 2030 haben ausgesuchte Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dafür in den vergangenen zwei Jahren bewertet. Rund 550 Experten machten mit.

Bereits vor zehn Jahren gab es die ähnliche Befragung „2014". Bei der Delphi-Methode, die nach dem antiken Orakel benannt ist, werden in einem mehrstufigen Prozess Fachleute um ihre Einschätzung gebeten. Ab der zweiten „Welle" werden den Experten die zusammengefassten Ergebnisse der vorhergehenden Runde mitgeteilt und wiederum deren Relevanz bewertet. 310 Seiten umfasst der dicke Ergebnisband.

Die wichtigsten Aussagen der Studie: In spätestens zehn Jahren wird die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) das gesamte Leben prägen, sagen die Fachleute. Dann werden mehr als 95 Prozent der Erwachsenen in Deutschland, Europa und den USA das Internet und seine Dienste nutzen. Als größte Herausforderung nennen die befragten Experten dabei, die Digitale Spaltung zu überwinden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Deutschland dabei nicht zum Kreis der führenden Länder dazu gehört. Die Deutschen verfügten im internationalen Vergleich noch nicht über genügend Kompetenz im Umgang mit neuen Technologien und Medien. Die Auftraggeber fordern deswegen die Politik auf, die nötigen leistungsfähigen Zugänge, wie etwa Breitbandangebote, zu schaffen.

Professor Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender des Münchner Kreises.

Frühzeitig müssten Kinder und Jugendliche auch an das Internet in Schulen und Kindergärten herangeführt werden, ein Schulfach „Medienkunde" solle das Bewusstsein für die Bedeutung aller Medien erhöhen, so die Initiatoren. Arnold Picot, Professor an der Universität München und Leiter des Münchner Kreises: „Die Kluft zwischen Gesellschaftsgruppen, die am digitalen Leben teilhaben und denen, die hiervon nicht profitieren, gilt es zu überwinden."

Die Anwendungen der Zukunft bis 2030

Ab dem Jahr 2015 werden in Deutschland mehr Menschen das Internet über mobile Endgeräte als über stationäre Computer nutzen. Zukunftsweisende Anwendungen seien vor allem Navigations-, Ortungs- und Lokalisierungssystem, Communities, Assistenten und die Darstellung umfeldbezogener Informationen (Augmented Reality) sein.

IT und Telekommunikation werde in den kommenden Jahren vor allem in den für Deutschland wichtigen Branchen Automobil, Automatisierung und Maschinenbau, Energie, Medien und im Gesundheitssektor als Wachstumsbeschleuniger und Innovationtreiber wirken. „Durch die frühe Förderung von Open Innovation kann die deutsche Forschung und Entwicklung ihre Wettbewerbsposition weltweit weiter ausbauen", sagte Professor Hartmut Raffler von Siemens.

Auch mit dem Datenschutz beschäftigt sich die Studie: Eine wichtige Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft müsse es sein, Privatpersonen und Unternehmen vor dem Missbrauch persönlicher Daten zu schützen, als Stichworte hierzu nennen die Autoren die sichere E-Signatur, sichere E-Mail-Kommunikation, die Sicherstellung digitaler Identitäten und ein zuverlässiges und einfach zu handhabendes Identitätsmanagement. „Akzeptanz und Vertrauen der Menschen im Umgang mit IKT sind die Grundlage der Entwicklung einer modernen und offenen Informationsgesellschaft", heißt es hierzu.

Die Befragten sehen das „Internet der Dinge" als eine Infrastruktur mit „enormer Ausstrahlungskraft" an. RFID ist im Jahr 2019 weltweit Standardtechnologie und wird flächendeckend in Produktion und Logistik eingesetzt. Auch die vielfältige Nutzung von Embedded Systems als eine Schlüsseltechnologie werde sich positiv auf die Wirtschaft auswirken. Ab dem Jahr 2020 würden die „autonom intelligenten eingebetteten Systeme" zum Standard bei vielfältigen Anwendungen und Produkte gehören.

Im Bereich Cloud Computing liegen den Befragten zufolge spätestens ab dem Jahr 2025 mehr als 75 Prozent der privaten und geschäftlichen Daten in der Datenwolke im Internet. Bereits zehn Jahre früher, im Jahr 2015, wird Software nicht mehr stationär sondern on Demand über das Internet genutzt, so die Experten.

Deutschland hat noch viel Nachholbedarf

In „Zukunftsradar" genannten farbigen Zusammenfassungen kann der Leser der Studie leicht erkennen, wo Deutschland im internationalen Vergleich noch Nachholbedarf hat. Das ist etwa bei den Themen IKT im Unterricht und in der Schule der Fall. Auch im Bereich direkte Demokratie, also bei staatlichen Online-Abstimmungen zur Verstärkung der Teilhabe der Bürger an demokratischen Entscheidungen, hat Deutschland nur eine Nachzüglerposition. Das gleiche gilt für flexible Arbeitskonzepte und den Bereich der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften.

Die Herausgeber der Zukunftsstudie erhoffen sich nach der Präsentation ihrer Ergebnisse eine angeregte Diskussion über die Bedeutung und die Entwicklung von IT und Telekommunikation. „Über dreißig verschiedene Bezüge zur Informations- und Kommunikationstechnologie kommen im Koalitionsvertrag vor", stellte Picot erfreut fest. Die Delphie-Studie 2030 wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als offizielles Projekt des Nationalen IT-Gipfel-Prozesses unterstützt.

Die komplette Studie gibt es hier zum Download.