Change Management

Wie der Wandel in Unternehmen gelingt

20.09.2014 von Daniel Rettig
Unternehmen müssen sich wandeln, aber Mitarbeiter mögen Veränderungen oft nicht besonders. Führungskräfte können dieses Dilemma lösen - indem sie aus Betroffenen Beteiligte machen.

Soll niemand sagen, Joe Kaeser sei unflexibel. Als er 1995 für Siemens in die USA ging, hieß er noch Josef Käser. Doch das klang zu sehr nach dem Burschen aus dem 2000-Seelen-Ort Arnbruck - und zu wenig nach dem Manager eines Weltkonzerns. Er änderte seinen Namen.

Joe Kaeser, Vorsitzender des Vorstands der Siemens AG.
Foto: Siemens

Inzwischen ist Kaeser an der Siemens-Spitze, auf Veränderungen steht er weiterhin. Bevor er vom Finanzchef zum Vorstandsvorsitzenden wurde, rasierte er den dicken Schnurrbart ab und nahm einige Kilos ab. Diese Wandelbarkeit verlangt er nun auch von Siemens.

Sein Vorgänger Peter Löscher hatte das Geschäft in vier Sektoren gegliedert - Gesundheit, Energie, Industrie, Infrastruktur & Städte. Diese Struktur will Kaeser beenden. So will er Abläufe beschleunigen und den Kunden näher rücken.

Kaeser verlässt sich vor allem auf seinen Instinkt und seine Erfahrung: "Man muss nicht unbedingt Beratungsfirmen beauftragen, um zu erfahren, welche Dinge verändert werden müssen." 362000 Mitarbeiter hoffen, dass er recht behält - und sich die Veränderungen als richtig erweisen.

Zwölf Change-Management-Maximen
Zwölf Change-Management-Maximen
"Change" ist ein Modebegriff geworden. Viele glauben zu wissen, was er bedeutet – und sitzen Missverständnissen auf. Ein paar davon sollen hier bereinigt werden.
1. Nicht jede Veränderung ist ein „Change“.
Ganz gleich, ob Unternehmen ihre Fassade streichen oder mit anderen fusionieren – fast jede Veränderung wird heute als "Change" bezeichnet. Dieser inflationäre Gebrauch des Be- griffs sorgt für Verwirrung – und entwertet die Arbeit der Männer und Frauen, die echte Change-Prozesse managen müssen. Tipp: Bezeichnen Sie als Change-Prozess nur Veränderungsvorhaben, die auch einen kultu- rellen Wandel in Ihrer Organisation erfordern – also bei denen Ihre Mitarbeiter (und Sie) gewohnte Denk- und Verhaltensweisen über Bord werfen und neue entwickeln müssen.
2. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Fast allen Menschen fällt es schwer, Denk- und Verhaltensgewohnheiten aufzugeben, denn sie vermitteln ihnen Sicherheit und sind ein Ausdruck von Identität. Entsprechend langwierig sind Prozesse, in deren Verlauf ganze Mitarbeitergruppen ihr Verhalten ändern sollen. Von heute auf morgen geht das nicht. Tipp: Berücksichtigen Sie beim Planen von Change-Projekten den Zeitbedarf. Sonst definieren Sie unrealistische Ziele, was eine Grundlage für Frustration ist.
3. Struktur und Kultur beeinflussen sich.
In Unternehmen finden mehr Change-Prozesse statt, als die "Techniker" häufig vermuten. Sie denken: Wir führen doch nur ein neues IT- und CRM-System ein. Dabei übersehen sie, dass sich hierdurch auch die Arbeitsinhalte und -beziehungen der Mitarbeiter verändern. Entsprechend überrascht sind sie, wenn sie plötzlich auf (verdeckten) Widerstand stoßen. Tipp: Analysieren Sie, wenn große Veränderungen anstehen, deren Auswirkungen für die Mitarbeiter. Sonst ist die Gefahr gegeben, dass unverhofft ein Orkan über Sie hinwegfegt, der das gesamte Projekt lahmlegt.
4. Was beschlossen ist, ist nicht umgesetzt.
Viele Unternehmensführer agieren bei Change-Projekten wie folgt: Sie treffen die erforderlichen Basisentscheidungen, dann rufen sie eine Projektgruppe ins Leben, die ihre Beschlüsse realisieren soll, anschließend wenden sie sich neuen Aufgaben zu. Wenn Sie so vorgehen, ist Ihr Projekt von vornherein gescheitert. Mitarbeiter orientieren ihr Verhalten an dem der oberen Führungskräfte. Von denen muss immerzu das Signal ausgehen: "Die Veränderung ist nötig, und an ihr führt kein Weg vorbei." Nur so lässt sich im Unternehmen die nötige Veränderungsenergie erzeugen. Tipp: Zeigen Sie Präsenz. Werben Sie immer wieder für die Veränderung – selbst wenn Sie die Verantwortung für das Umsetzen einer Projektgruppe übertragen haben.
5. Bei jeder Veränderung gibt es Verlierer.
Unternehmen neigen dazu, alles in rosarotes Licht zu tauchen. Veränderungsvorhaben werden den Mitarbeitern so präsentiert, als gäbe es nur Gewinner. Doch Mitarbeiter wissen: Das ist so gut wie nie der Fall. Zumindest gibt es bei jedem Change-Projekt Mitarbeiter, die sich als Verlierer empfinden – zum Beispiel, weil sie Einfluss oder Privilegien verlieren. Tipp: Sprechen Sie mit den betroffenen Mitar- beitern offen und ehrlich darüber, was sich für sie (voraussichtlich) ändern wird, und geben Sie ihnen Raum, ihre Bedenken zu artikulieren. Sonst verdichten sich diese zu Widerständen.
6. „Lonely heroes” auf verlorenem Posten.
Auch Führungskräfte sind am Ende nur "normale Mitarbeiter". Deshalb sollten Topmanager (und Projektverantwortliche) es nicht als selbstverständlich erachten, dass alle Führungskräfte die Veränderungen mittragen. Wenn es um das Umsetzen der Veränderungen in den Fachbereichen geht, sind sie auf die Unterstützung der Führungskräfte angewiesen. Tipp: Versuchen Sie, bevor Sie ein Change-Projekt verkünden, möglichst viele Führungskräfte als Mitstreiter zu gewinnen – zum Beispiel, indem sie diese (und sei es nur formal) in Ihre Entscheidungen einbinden. In persönlichen Gesprächen sollten Sie sie ausführlich über die Gründe für Ihre Entscheidungen und deren voraussichtliche Konsequenzen informieren.
7. Projekt-Manager brauchen ein Standing.
Unternehmen übertragen die Verantwortung für Change-Projekte oft jungen Führungskräften – quasi als Chance, sich zu bewähren. In der Folge werden die Projekte von Personen gemanagt, die die Auswirkungen gewisser Entscheidungen und Handlungen auf die Organi- sation nur bedingt einschätzen können. Zudem haben sie ein recht schwaches Standing in der Organisation. Entsprechend schwer fällt es ihnen, von den "Bereichsfürsten" die nötige Un- terstützung zu bekommen – vor allem, wenn diese den Nachwuchs als Konkurrenz erleben. Tipp: Übertragen Sie die Verantwortung für strategische (Change-)Projekte gestandenen Führungskräften und/oder erfahrenen Projekt- Managern. Oder stellen Sie dem "Youngster" zumindest eine solche Person als Mentor oder Coach zur Seite, damit er mit ihr die strategische und taktische Marschroute erörtern kann.
8. Aufbruch – und dann der Wüstenmarsch.
Oft starten Unternehmen ein Projekt voller Eu- phorie. Doch nach einiger Zeit beginnt das Jammern und Klagen. "Das bringt alles nichts", "da ändert sich sowieso nichts" etc. Das ist normal, weil sich kulturelle Veränderungen nun einmal nur in kleinen Schritten vollziehen und neue Verhaltensmuster erst mit der Zeit eingeschliffen werden. Tipp: Rechnen Sie damit, dass es Probleme beim Umsetzen gibt. Werben Sie gerade beim anstrengenden "Marsch durch die Wüste" stark für die Veränderung – sonst erlahmt die Veränderungsenergie, und die Mitarbeiter fallen in ihre alten Verhaltensmuster zurück.
9. Neue Routinen zu entwickeln dauert.
Oft erlahmt die Energie auch, weil die Mitarbeiter beim Ausprobieren der neuen Verfahren registrieren: "So wie wir das früher gemacht haben, ging alles schneller/einfacher." Auch das ist normal! Es sind noch keine neuen (Denk- und) Verhaltensroutinen entwickelt. Hinzu kommt: Bei jedem größeren Veränderungsprojekt ist vorübergehend Sand im Getriebe, weshalb oft auch die Leistung sinkt. Tipp: Machen Sie Ihren Führungskräften bewusst, wie wichtig es gerade in dieser Über- gangsphase ist, dass sie ihre Mitarbeiter wirklich führen. Stellen Sie den Leuten Unterstützer zur Seite, die unter anderem an der Motivation der gesamten Belegschaft arbeiten.
10. Zum Feiern gibt es immer einen Grund.
Der Weg zum großen Ziel eines Change-Projekts ist oft so weit, dass die Beteiligten zuweilen das Gefühl haben, nie anzukommen. Deshalb ist es besonders wichtig, Etappenziele zu formulieren und deren Erreichen zu feiern. Das macht den Beteiligten Mut. Tipp: Ziehen Sie, wenn es etwas zu feiern gibt, auch mal spontan (oder geplant) die Spendierhosen an – und organisieren Sie zum Beispiel einen Umtrunk oder Ausflug. Denn nichts motiviert Mitarbeiter mehr, als zu sehen: Unsere Leistung wird wahrgenommen und honoriert.
11. Aus der Erfahrung für die Zukunft lernen.
Wenn ein Projekt endlich abgeschlossen ist, fällt den Beteiligten beziehungsweise Verant- wortlichen meist ein Stein vom Herzen. Das heißt: Das Projekt wird in der Regel nicht sau- ber evaluiert – auch weil häufig bereits das nächste Vorhaben wartet. Damit werden jedoch Chancen vergeben. Tipp: Evaluieren Sie nach Projekten detailliert: Was lief gut, was weniger gut? Was können wir künftig wie besser machen? Denn nur dann lernt Ihre Organisation.
12. Change ist Normalzustand.
Machen Sie sich nichts vor: Ein abgeschlossenes Projekt zieht das nächste nach sich. Das Umfeld Ihres Unternehmens wird sich künftig immer schneller wandeln. Also müssen Sie in Ihrer Organisation auch immer häufiger die Weichen neu stellen und tradierte Vorgehensweisen überdenken. Zudem werden Ihre Change-Vorhaben aufgrund der vernetzteren Strukturen immer komplexer. Tipp: Bauen Sie in Ihrer Organisation die Change-Management-Kompetenz gezielt aus – zum Beispiel, indem Sie geeignete Mitarbeiter zu Change-Managern, -Beratern und -Unterstützern ausbilden. Dann ist Ihre Organisation fit für die Zukunft, und Sie müssen seltener externe Berater engagieren.

"Alles fließt", schrieb der griechische Philosoph Heraklit bereits im 5. Jahrhundert vor Christus. Der Evolutionsbiologe Charles Darwin sagte im 19. Jahrhundert: "Weder die stärkste noch die intelligenteste Spezies überlebt. Sondern jene, die sich am besten dem Wandel anpasst." Das gilt auch für Unternehmen. Mehr denn je.

Ein Produkt, das sich an einem Tag gut verkauft, kann am nächsten schon wie Blei in den Regalen liegen. Ein profitables Geschäftsmodell wird kopiert, Trends kommen und gehen. Konzerne fusionieren, Chefs wechseln, Teams werden ausgetauscht. Kurzum: Erfolgsrezepte von heute sind morgen häufig wertlos.

Aber wie können Führungskräfte Veränderungen sinnvoll planen, kommunizieren und umsetzen - und zwar so, dass die Mitarbeiter den Wandel mindestens akzeptieren und bestenfalls begrüßen? "Ich denke, dass man Menschen einiges an Veränderungen abverlangen kann", sagt Peter Bauer, Aufsichtsratschef von Osram, "zumindest, wenn das Management transparent und ehrlich informiert über die Notwendigkeiten, unter denen sie diese Entscheidungen treffen müssen".

Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden

Wie wichtig es ist, solche grundlegenden Veränderungen professionell zu begleiten, zeigte 2013 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Die Berater analysierten Veränderungsprojekte in 68 der umsatzstärksten deutschen Unternehmen. Das Ergebnis: 83 Prozent der Konzerne mit systematischem Change Management erreichten die meisten Veränderungsziele. Von den Konzernen ohne Change Management sagten das nur 39 Prozent.

Klar ist allerdings: Es bringt nichts, nur an den Verstand der Angestellten zu appellieren. "Mitarbeiter müssen den Wandel nicht nur intellektuell verstehen, sondern emotional", sagt Imke Keicher, Leiterin der Change-Management-Sparte bei der Unternehmensberatung Capgemini. Diese Fähigkeit wird für Führungskräfte zunehmend wichtiger.

Das bestätigt der Headhunter Stephan Penning, geschäftsführender Gesellschafter von Penning Consulting. Drei Fragen müssten die Manager beantworten: Warum ist die Veränderung notwendig? Wohin soll sie führen? Und was bedeutet das für jeden einzelnen Mitarbeiter? Die Antworten müssten die Top-Manager der mittleren Führungsebene weitergeben. Denn sie haben täglich Kontakt mit den einfachen Angestellten. "Diese sollen wissen, dass es sich lohnt, Zeit und Mühe in die Veränderung zu stecken", sagt Penning.

Insofern hat Joe Kaeser vieles richtig gemacht. An seinem ersten Arbeitstag als CEO am 1. August 2013 traf er sich mit seinen Vorstandskollegen. Fragte, wie der Konzern sich entwickeln solle, und lauschte den Antworten. Dann bat er die Mitglieder, ein Blatt Papier und einen Bleistift mit in den Sommerurlaub zu nehmen und eine Frage zu beantworten: Angenommen, Siemens würde Ihnen gehören - was müsste sich ändern? Aus seinen Erfahrungen destillierte Kaeser eine Erkenntnis: "Mach es so, als wäre es dein eigenes Unternehmen."

Das Beispiel zeigt: Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden, die an eine gemeinsame Erfolgsgeschichte glauben. Dadurch sinkt die Angst vor dem Neuland. Und das ist auch gut so.

Die drei häufigsten Fehler bei Veränderungen.
Zu viel wollen
Gut gemeint, schlecht gemacht: Wer zu schnell zu viel verändern will, erregt Widerstand. Nicht aus Bösartigkeit, sondern oft aus Gewohnheit. Umso wichtiger, dass Manager die Angestellten nicht überfordern - und immer wieder mantraartig klarmachen, warum die Veränderung alternativlos ist.
Nichts entscheiden
Zu viel Basisdemokratie führt zu Aufschieberitis, Planlosigkeit und Verwirrung. Ob eine geplante Veränderung überhaupt sinnvoll ist, sollte zwar unbedingt geklärt werden - bevor konkrete Schritte überlegt werden. Doch diese Entscheidung sollte keinesfalls im Kreis der Mitarbeiter erörtert werden. Wer den Sumpf trockenlegen will, fragt besser nicht die Frösche.
Alles diktieren
Wer seine Angestellten nicht vergraulen will, darf keinesfalls autokratische Befehle erteilen oder den Eindruck erwecken, dass die oberste Führungsetage alle Veränderungen von oben herab diktiert. Führungskräfte sollen zwar das Ziel vorgeben. Doch am Weg dorthin muss die Belegschaft mitwirken.

Menschen sind Gewohnheitstiere, Veränderungen sind ihnen zuwider. Die Macht der Tradition ist stärker als die Lust an der Innovation. Diese Tendenz zur geistigen Trägheit bezeichnen Psychologen als Status quo bias: Wir bleiben einer Entscheidung selbst dann treu, wenn sich neue, bessere Möglichkeiten bieten.

Deshalb ist niemand ständig von Wandel begeistert. Viele Angestellte reagieren auf Reformen überrascht, bisweilen geschockt, schlimmstenfalls blockieren sie. Statt mitzugestalten, rotten sie sich in Grüppchen zusammen. Motto: "Nicht schon wieder!" "Was soll das bringen?" "Was heißt das für mich?" Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Change Agents sollen Ängste nehmen

Theo Wehner hat das selbst oft erlebt. Der 65-Jährige ist seit 1997 Psychologieprofessor an der ETH Zürich und berät Unternehmen bei Veränderungsprojekten. Das Schwierigste sei, dass die Betroffenen umlernen müssen: "Das ist viel problematischer, als etwas neu zu lernen. Denn sie müssen Gewohnheiten aufgeben." Das ist das Dilemma jedes Wandels: Die Betroffenen müssen neues Wissen zulassen, ohne ganz auf das alte zu verzichten.

Dieses Problem kennt auch MVV Energie. Der Mannheimer Konzern gehört mit einem Umsatz von etwa vier Milliarden Euro und 5500 Mitarbeitern zu den führenden Energie-Unternehmen in Deutschland. Seit einigen Jahren setzt er auf ein Netzwerk von etwa 60 Change Agents. Dahinter verbergen sich Angestellte aus verschiedenen Abteilungen, die die Führungskräfte bei Veränderungsprozessen unterstützen.

Sie tauschen sich ständig mit ihren Kollegen aus, hören zu, leiten Workshops. Dort können Mitarbeiter Vorschläge machen, um die Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Die Change Agents sollen ihren Kollegen Ängste nehmen, Chancen aufzeigen, Stimmungen aufgreifen, sprich: die Gerüchteküche auf Sparflamme halten und den Boden für Veränderungen bereiten. Das lohne sich für alle Beteiligten, sagt Liane Schmitt, Leiterin der MVV-Personalentwicklung. "Change Agents leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Akzeptanz von Veränderungen."

So gelingt der Umbau
Klar kommunzieren
Holen Sie Ihre Mitarbeiter ins Boot, und teilen Sie Ihren Blick auf die Realität mit ihnen. Seien Sie klar, wo Sie Klarheit haben, und sagen Sie, was Sie nicht wissen - dann werden Ihre Mitarbeiter mehr Verständnis haben und mitziehen.
Wissen anzapfen
Fördern Sie den kritischen Geist Ihrer Mitarbeiter, und zapfen Sie deren Wissen an - Sie werden Lösungen entdecken, auf die Sie und Ihr Management allein nicht gekommen wären.
Kritik lieben lernen
Lernen Sie, Kritik aus den eigenen Reihen zu lieben. Das ist gelebte Innovation - hoch spezialisiertes Erfahrungswissen neu zu kombinieren und auf neue Möglichkeiten übertragen.
Fehler zulassen
Vermitteln Sie Freude daran, Fehler zu machen und deren Ursachen zu suchen. Lassen Sie fachliche Dummheit zu, schaffen Sie Kommunikationsräume, in denen intelligente Leute frei von bisherigen Mustern über die Zukunft des Unternehmens nachdenken. Führung ist ein sozialer Prozess und lebt nicht nur von Fachautorität.
Strukturen erneuern
Passen Sie die Organisation Ihres Unternehmen regelmäßig an - so schaffen Sie immer wieder einen neuen Fokus auf die zentralen Fragen des Marktes.
Hierarchisch in der Krise
Ihr Unternehmen steckt in einer Kostenkrise? Setzen Sie auf zentralisierte, hierarchische Führung, und machen Sie klare Vorgaben.
Offen im Wachstum
Sie managen ein global-dynamisches, innovationsgetriebenes Unternehmen? Dann sind partizipatorische, dezentrale Entscheidungsstrukturen besser.
Zügig abspalten
Die Synergien unterschiedlicher Geschäftsfelder sind kleiner als die Bremswirkung ihrer Kompromisse? Dann denken Sie über ein Abspalten des dynamischen Teils nach. Geschwindigkeit ist im Wettbewerb oft wertschaffender als Synergie.
Unterschiede akzeptieren
Sie versuchen, ein zunehmend unprofitables Geschäft über Wasser zu halten, und bauen gleichzeitig einen neuen Zweig auf, der stark wächst? Trennen Sie für diese unterschiedlichen Geschäfte und Geschwindigkeiten sukzessive Strukturen, Leitung und Führungsmethoden.

Zugegeben: Es ist eine Utopie, dass Führungskräfte ein Klima schaffen, in dem ständiger Wandel zur Routine wird. Systeme sind träge, sonst würden sie Krisen nicht überleben. Doch diese Stärke erweist sich bei Veränderungen als Schwäche.

Deshalb müssen Führungskräfte vorab die Attitüde der Angestellten analysieren, rät Capgemini-Beraterin Keicher. Wer ist dem Wandel gegenüber positiv eingestellt, wer negativ? Wer zögert oder ist skeptisch, wer hat resigniert? Ignorieren die Chefs die Gemütslage ständig, lassen die Angestellten die Veränderung scheitern. Nicht unbedingt, weil sie inhaltlich oder strategisch falsch ist - sondern weil sie schlecht kommuniziert wurde.

Das Beste aus beiden alten Welten

Das wollte Lutz Schüler unbedingt vermeiden. Seit Januar 2011 war er CEO des Telekommunikationskonzerns Unitymedia, im Jahr 2012 verantwortete er die Übernahme des Konkurrenten KabelBW und die Zusammenführung der beiden Unternehmen. Die Führungspositionen besetzte Schüler bewusst mit Managern aus beiden ursprünglichen Unternehmen. Das Signal: Es sollte ein neues Unternehmen entstehen, aber gewissermaßen mit dem Besten aus beiden alten Welten.

Nun trafen sich die 120 Führungskräfte zu regelmäßigen Workshops. Dort destillierten sie 13 Aussagen, mit denen sie den Kulturwandel umsetzen wollten. Darunter: Offenheit für konstruktiven Dialog, faire Anreize oder regelmäßigen Austausch. Für alle Versprechen wurden Paten aus der Führungsetage benannt. Um deren Engagement zu verdeutlichen, gaben sie das ihnen zugeordnete Versprechen in einem internen Video bekannt. Außerdem verkündete CEO Schüler öffentlich, dass er bis zu 20 Prozent seiner Zeit dem Wandel widmen werde.

"Das Change-Projekt war und ist nicht einfach", sagt Karl-Heinz Reitz, Leiter der Personalentwicklung von Unitymedia KabelBW. Abläufe mussten geklärt, IT-Systeme vereint, Mitarbeiter entlassen werden. "Aber die Führungsebene nimmt das Projekt ernst. Und eine solche dauerhafte Unterstützung ist das A und O jeder Veränderung", sagt Reitz.

10 Ratschläge fürs Change-Management
Change-Projekte steuern
Nur gut jedes zweite Change-Projekt klappt. Weil Argumente alleine so wenig nutzen wie das reine Gefühl, haben die Berater von Strategy& zehn Prinzipien aufgestellt.
1. Mit der Firmenkultur arbeiten, nicht gegen sie.
Wer Veränderung will, darf die bestehende Unternehmenskultur nicht als Legacy betrachten. Die Art, wie Menschen kommunizieren, soll beibehalten werden. Manchmal können Entscheider diese Kultur aber nur schwer benennen oder haben bloß ein vages Gefühl dafür. Dann hilft ein alter Trick: die Mitarbeiter fragen. Führungskräfte können die Belegschaft bitten, zu beschreiben, in welcher Art sie arbeiten. Die Antworten helfen bei der Gestaltung des Change-Managements.
2. Oben anfangen:
Strategy& stimmt der These zu, dass Change nur gelingt, wenn er auf allen Hierarchiestufen eines Unternehmens umgesetzt wird. Aber der Firmenleitung kommt eine Vorbildfunktion zu. Dass sie diese übernimmt, muss im Unternehmen sichtbar sein.
3. Jeden mitnehmen:
Nach Schritt zwei folgt Schritt drei: Jeder Mitarbeiter muss in den Change einbezogen werden. Das ist aber kein einseitiger Prozess. Zwar beginnt die Veränderung oben, aber das Feedback von unten ist unabdingbar. Das kann zum Beispiel über eine firmeninterne Website geschehen, auf der jeder Kommentare abgeben, Erfahrungen mitteilen und Vorschläge machen darf.
4. Rationale und emotionale Aspekte einbringen:
Entscheider setzen oft nur auf Argumente. Aussagen wie "diese Umstrukturierung wird den Umsatz in den kommenden drei Jahren um 20 Prozent steigern" mögen überzeugen - emotional berühren werden sie kaum. Die gefühlsmäßige Seite der Mitarbeiter spricht auf symbolträchtige Aktionen an. Wer etwa die Grenzen bisher getrennter Teams aufheben will, kann Trennwände in Büros einreißen lassen oder Schreibtische neu gruppieren. Solche Bilder erreichen die Mitarbeiter emotional.
5. Gemäß der neuen Denke handeln:
Es ist wichtig, Policies und Direktiven zu erstellen. Auch Incentives unterstützen den Change. Noch wichtiger sind aber Handlungen. Will beispielsweise eine Bank den Kundenservice verbessern, muss die Führungsriege nicht nur die Schalteristen nach ihren Erfahrungen befragen - sondern sich auch einmal selbst in die Schalterhalle begeben.
6. Drüber reden:
Kommunikation ist für Strategy& ein Schlüsselwort. Das bedeutet, dass die Firmenleitung ihre oberen Stockwerke verlassen und sich den Fragen der Belegschaft stellen muss. Nach dem Modell interner Messen können Entscheider zu bestimmten Zeiten im Foyer stehen und Fragen beantworten oder kurze Präsentationen zeigen.
7. Spezialkräfte einsetzen:
Führung hat innerhalb jeden Unternehmens mindestens zwei Aspekte: Menschen mit formalen Titeln und solche mit informellen. Das kann ein Projekt-Manager sein, mit dem jeder gern zusammenarbeitet - oder die Empfangsdame, die schon 25 Jahre im Hause ist. Strategy& rät, diese Spezialkräfte zu Botschaftern des Changes zu machen. Sie genießen Respekt und Vertrauen innerhalb der Firma und können viel bewirken.
8. Formale Mittel nutzen:
Sichtbar wird Veränderung an Formalem wie Trainings und Belohnungs-Systemen. Verbale Anerkennung für Mitarbeiter, die dem Change folgen, ist nötig, aber alleine nicht ausreichend. Sie sollten auch eine formale Belohnung erhalten.
9. Informelle Mittel nutzen:
Dieser Punkt schließt an Punkt 7 an. Wer die einflussreichen Köpfe in der Belegschaft identifiziert hat, kann diesen zum Beispiel ein neues Motto an die Hand geben. Strategy& nennt das Beispiel eines Zulieferers, der nach einigen Jahren extremer Kostenfixierung stärker auf Kundenservice umschwenken wollte. Für diese unterschiedlichen Prioritäten wurden griffige Slogans gefunden: bisher habe gegolten "Ship by any means", ab sofort aber heiße es "If it’s not right, don’t ship it". Einflussreiche Mitarbeiter haben das wieder und wieder kommuniziert.
10. Die Wirkung messen und nachbessern:
Letztendlich nützen alle Change-Initiativen ohne Erfolgskontrolle nichts. Das heißt: Unternehmen müssen Metriken für das Gelingen ihrer Projekte festlegen und diese auch anwenden. Nur so ist es möglich, die Vorgehensweise immer wieder nachzubessern.

Erste Erfolge sind schon zu erkennen: Der Gewinn stieg 2013 um neun Prozent auf knapp 1,2 Milliarden Euro, der Umsatz um sieben Prozent auf 1,9 Milliarden Euro, insgesamt verkauften die Vertriebler 560.000 neue Abonnements für Internet, Telefon und Kabelfernsehen.

Auf einen ähnlichen Schub durch seine Umstrukturierungen hofft Siemens-Chef Joe Kaeser. Seit Mitte 2013 stieg der Siemens-Kurs um knapp ein Viertel auf etwa 97 Euro. Natürlich kann Kaeser nicht garantieren, dass ihm die Früchte des Umbaus später einmal tatsächlich schmecken werden. Aber eine Alternative hat er nicht. Stillstand wäre gleichbedeutend mit Rückschritt.

Oder, wie es der Physiker Georg Christoph Lichtenberg einst formulierte: "Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll."

(Quelle: Wirtschaftswoche)