Cloud-Kosten

Wie CIOs den RoI von Cloud-Projekten kalkulieren

12.03.2018 von Wolfgang Herrmann
Unternehmen gehen unterschiedliche Wege, wenn sie die Rentabilität ihrer Cloud-Initiativen ermitteln wollen. Rund ein Drittel der CIOs weltweit verzichtet auf eine Kalkulation des Return on Investment (RoI).

Über die Vorteile eines Cloud-Einsatzes wird viel geschrieben und diskutiert. In unzähligen White Papers und Research Notes ist nachzulesen, wie Cloud-Services nicht nur die IT, sondern ganze Organisationen schneller, flexibler und agiler machen können. Zwar spielt das Kostenargument dabei in der Regel auch eine Rolle. Doch wenn es um konkret quantifizierbare Effekte geht, wird die Informationsbasis schnell dünn.

Wer die Rentabilität von Cloud-Projekten ermitteln will, muss zahlreiche Einflussfaktoren berücksichtigen. Ein anerkanntes Kalkulationsmodell fehlt bislang.
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Die Zahl der Unternehmen, die für ihre Cloud-Projekte detaillierte Rentabilitätsberechnungen anstellen, scheint sogar abzunehmen. Das zumindest berichtet die Information Systems Audit and Control Association (ISACA) in einer aktuellen Studie. Der Berufsverband für IT-Revisoren, Wirtschaftsprüfer und Experten der Informationssicherheit und IT-Governance befragte dazu mehr als 100 CIOs weltweit. Demnach verzichten aktuell 32 Prozent der Unternehmen, die bereits Cloud-Services einsetzen, auf eine RoI-Betrachtung. Zum Vergleich verweist der Verband auf eine ähnlich angelegte Erhebung des Fachmediums InformationWeek aus dem Jahr 2014. Seinerzeit hätten nur 20 Prozent der IT-Verantwortlichen angegeben, ohne RoI-Analysen auszukommen.

Gründe sehen die ISACA-Experten unter anderem darin, dass die Verantwortlichen inzwischen stärker mit dem Thema Cloud Computing vertraut seien. Detaillierte RoI-Kalkulationen würden zunehmend als verzichtbar angesehen, um eine Investition zu rechtfertigen. Stattdessen gewönnen andere, nicht monetäre Faktoren bei der Entscheidung für einen Cloud-Einsatz an Bedeutung. Allerdings spielt auch noch ein anderes Aspekt eine Rolle: Mehr als ein Viertel der CIOs gab an, das Fehlen eines verlässlichen Kalkulationsmodells habe die Entscheidung gegen eine RoI-Berechnung beeinflusst.

Am Ende müssen auch CIOs, die keine detaillierten RoI-Kalkulationen anstellen, ihre Investitionen in Cloud-Projekte rechtfertigen. Neben klassischen Business-Vorteilen wie Agilität und Flexibilität nannten die Interviewten hier insbesondere den Ersatz von Investitionsausgaben (CAPEX, Capital Expenditures) durch laufende Kosten (OPEX, Operational Expenditures).

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Verschiedene Modelle der RoI-Ermittlung

Laut ISACA versuchen immerhin 68 Prozent der befragten Cloud-Nutzer, den RoI ihrer Cloud-Initiativen zu ermitteln. Sie gehen dabei sehr unterschiedlich vor. 43 Prozent aus dieser Gruppe kalkulieren den RoI ausschließlich vor der Einführung von Cloud-Services, weitere sechs Prozent tun dies erst nach der Implementierung. 52 Prozent gaben an, die Rentabilität sowohl vor als auch nach dem ersten Einsatz zu berechnen. Nach Ansicht der ISACA-Experten ist Letzteres der einzig geeignete Weg, um die Effekte einer Cloud-Einführung realistisch einschätzen zu können.

Generell nutzen Unternehmen beim Ermitteln des RoI quantitative, qualitative und hybride Methoden. Ein quantitatives Modell, das laut der Erhebung 45 Prozent der Befragten einsetzen, basiert auf konkreten Zahlen. So könnte ein Unternehmen beispielsweise von Kosteneinsparungen in Höhe von 150.000 Dollar in einem definierten Zeitraum ausgehen. Ein qualitatives Modell würde dagegen zwar bestimmte positive Effekte wie einen geringeren Supportaufwand nach ihrer Bedeutung ranken, dabei aber auf konkrete Daten verzichten. Rund 23 Prozent der CIOs greifen auf eine solche Methode zurück. Fast die Hälfte der Studienteilnehmer mit RoI-Erfahrung setzt auf ein hybrides Modell, das quantitative und qualitative Aspekte kombiniert.

Auch der Zeitrahmen, für den die IT-Manager ihre Berechnungen anstellen, fällt unterschiedlich aus. Mit 55 Prozent am häufigsten nennen die CIOs einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Ein gutes Drittel nimmt lediglich einen Horizont von ein bis zwei Jahren in den Blick. Nur in seltenen Fällen berücksichtigen die Verantwortlichen die gesamte Laufzeit eines Cloud-Services-Vertrags.

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Welche Faktoren den Cloud-RoI bestimmen

Zu den wichtigsten Faktoren beim Ermitteln der Cloud-Rentabilität gehören die Auswirkungen auf die Betriebskosten. Fast genauso bedeutend sind mögliche Einsparungen bei Investitionsausgaben, die etwa beim Beschaffen von IT-Systemen anfallen. Mehr als 90 Prozent der Befragten stützen sich auf solche Werte. Aber auch veränderte personelle Anforderungen gehören für mehr als zwei Drittel der IT-Chefs in eine RoI-Kalkulation. Ebenso viele beziehen Business-orientierte Werte wie Time-to-Market, Agilität und Marktdurchdringung in ihre Analysen ein. Mehr als die Hälfte der Entscheider mit RoI-Erfahrungen berücksichtigt darüber hinaus Kosten, die durch den Wechsel auf ein Cloud-Modell entstehen ("Transition Expense"). Ebenfalls von Bedeutung sind die möglichen Zeiteinsparungen der Mitarbeiter.

Cloud Migration Roundtable 2017
Matthias Frühauf, Veeam
„Deutschland ist eher ,First Follower’ als ,Early Adopter’. Nur die großen Unternehmen definieren, wo sie heute stehen und wo sie in fünf Jahren sein wollen.”
Wolfgang Kelz, Tibco
„Cloud wird oft von der IT losgetreten, Stichwort Lift-and-Shift. Es gibt aber auch Kunden, bei denen der Fachbereich SaaS-Lösungen einführt und somit zum Treiber für Cloud wird.“
Constantin Klein, Freudenberg IT
„Anders als bei den großen Konzernen fehlt im gehobenen deutschen Mittelstand noch das Verständnis dafür, was genau Cloud ist und was Cloud kann.“
Ralf Weber, Direkt-Gruppe
„Erst rund ein Viertel der Kundenunternehmen hat einen Management-Sponsor, der den Change vorantreibt. Aber es werden mehr!“
Carsten Dan Otto, IBM
„Für die Automobilbranche und für Unternehmen der industriellen Fertigung ist Cloud das Mittel zur Digitalisierung. In anderen Branchen fehlt noch eine unternehmensübergreifende Cloud Strategie.“
Hubert Schweinesbein, Red Hat
„Gerade bei Software Entwicklungen mit einem ,Cloud First‘-Ansatz braucht es agile Entwicklungsteams, die nicht mehr im klassischen Wasserfallmodell arbeiten."
Marius Vöhringer, Capgemini
“Mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bekommt das Thema Haftung neue Relevanz.”

Warum RoI-Analysen oft daneben liegen

Dass RoI-Betrachtungen im Vorfeld häufig nicht mit den tatsächlich erzielten Effekten übereinstimmen, liegt angesichts der Vielzahl harter und weicher Einflussfaktoren auf der Hand. 30 Prozent der Befragten berichten denn auch von einem RoI, der niedriger als erwartet ausgefallen sei. Andererseits schafften 32 Prozent eigenen Angaben zufolge sogar eine höhere Rentabilität. Immerhin 39 Prozent berichten, dass ihre Pläne aufgegangen seien.

Besonders interessant für IT-Entscheider dürften die Gründe für die Abweichungen sein. Zu den am häufigsten genannten Ursachen gehören höher oder niedriger als erwartet ausgefallene Betriebskosten. Genauso oft unterschätzten die Unternehmen offenbar die Kosten in der Transitionsphase. Positive Überraschungen gab es bei den Zeitersparnissen der Mitarbeiter, die oft höher als erhofft ausfielen und nur in wenigen Fällen unter den Erwartungen blieben.

Die erhofften Business-Effekte scheinen sich in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich eingestellt zu haben. Nur 14 Prozent der CIOs haben an diesem Punkt mehr erwartet, 11 Prozent sogar weniger. Gut ein Fünftel der RoI-Praktiker berichtet zudem von niedrigeren Investitionsausgaben als ursprünglich angenommen.

Cloud-RoI - es mangelt an Standards

Dass die Mehrheit der Unternehmen nach wie vor RoI-Kalkulationen im Rahmen von Cloud-Projekten anstellt, begrüßen die ISACA-Experten grundsätzlich. Sie weisen jedoch auch auf damit verbundene Herausforderungen hin. Insbesondere mangele es an einem verlässlichen Standard-Kalkulationsmodell. Zwar habe man als Berufsverband dazu einige Hilfestellungen erarbeitet, nachzulesen beispielsweise im Whitepaper: "Calculating Cloud ROI: From the Customer Perspective". Doch ohne einen branchenweiten Konsens werde sich ein formalisiertes RoI-Modell in der Praxis nur schwer durchsetzen.

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ISACA Framework zur RoI-Kalkulation

Das ISACA-Whitepaper stammt zwar aus dem Jahr 2012. Doch die meisten Hilfestellungen, Tipps und Vorgehensmodelle dürften auch für die Bewertung aktueller Cloud-Initiativen hilfreich sein. Die Autoren beschreiben darin ein Framework, das sowohl IT- als auch Business-Entscheider nutzen können, um die einzelnen Komponenten einer RoI-Kalkulation zu analysieren.

Der Berufsverband unterscheidet dabei zwischen konkret greifbaren Cloud-Vorteilen ("Tangible Benefits") und nicht greifbaren Faktoren ("Intangible Benefits"). Zu ersten Gruppe zählen beispielsweise Kosteneinsparungen, Produktivitätssteigerungen und Performance. Bei den "weichen" Faktoren führen die Experten etwa an, dass Unternehmen aufgrund des Cloud-Einsatzes Geschäftschancen nutzen konnten, die ihnen sonst entgangen wären. Vorteilhaft sei ferner, dass sich Firmen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren oder die Mitarbeiterzufriedenheit steigern könnten.

Diesen Vorzügen stellen sie eine Reihe von Cloud-Kosten gegenüber, darunter Einstiegskosten, wiederkehrende Kosten und Aufwendungen als Folge einer Rückkehr zum On-Premise-Betrieb oder eines Provider-Wechsels. Hinzu kommen geschäftliche "Herausforderungen", die Unternehmen bei einem Wechsel in die Cloud bedenken sollten. Das Whitepaper beschreibt hier Faktoren wie inkompatible Systeme, Security und Compliance sowie das Risiko einer Abhängigkeit vom Anbieter.