Outsourcing ist keine Endstation

Wie ausgelagerte Mitarbeiter im neuen Job ankommen

27.08.2009 von Hans Königes
Outsourcing ist für die betroffenen Mitarbeiter zunächst ein Schock. Wie sich damit umgehen lässt, zeigen vier Mitarbeiter, die in der Telekom-Welt gelandet sind.

Die meisten von Outsourcing und Akquisitionen betroffenen Mitarbeiter erleben diese Prozesse mit gemischten Gefühlen. "Zuerst ist es ein Schock, von einem anderen Unternehmen übernommen zu werden - schließlich ist es keine eigene Entscheidung für einen neuen Arbeitgeber. Am Anfang sind Gefühle wie Ärger und Ablehnung wahrscheinlich normal, bis man sich darauf eingestellt hat", sagt Jo Brobbel, Global Component Service Delivery Manager bei T-Systems, 46 Jahre alt. Der Niederländer hatte 21 Jahre lang für Shell gearbeitet, bevor der Mineralölkonzern 2008 seine IT mit 1000 Mitarbeitern an T-Systems outsourcte.

"Die erste Ankündigung hat gemischte Gefühle und offene Fragen gebracht. Da war Hoffnung, aber auch Angst", erinnert sich der 29-jährige Pascal Thuet. "Unklar ist ja zunächst, ob es einen Standortwechsel gibt, wie sich die Aufgaben verändern oder ob die Vertragskonditionen so weiterbestehen wie bisher", so der gebürtige Franzose. Zwei Übernahmen innerhalb eines halben Jahres hat Thuet, vormals IT-Engineer beim Automobilzulieferer Peguform hinter sich gebracht: zunächst das Outsourcing an Gedas, dann den Wechsel zu T-Systems.

Bei 40 Übernahmen dabei

"Change-Kurve" nach Kübler-Ross nennen Human Resources-Profis (HR) diese typische emotionale Welle. Die im Gefolge einer Übernahme entstehenden Gerüchte und damit verbundene Ängste lassen sich aufgrund der zeitlichen Abläufe vielleicht nie ganz vermeiden. "Wir versuchen, vom Tag der Ankündigung an aktiv zu sein und transparent zu kommunizieren. Am günstigsten ist es immer dann, wenn wir schnell gemeinsam mit dem bisherigen Unternehmen auf der Bühne stehen", sagt Susanne Dietrich, Senior Vice President HR bei T-Systems. Über 40 Übernahmen hat die Personalexpertin bereits begleitet. Bei manchen Deals ist ein tragfähiges Sozialkonzept sogar erfolgsentscheidend, wie jüngst für die Outsourcing-Vereinbarung für 37 Mitarbeiter der Linde AG.

"Wir haben eine standardisierte Vorgehensweise für Übernahmen, die wir immer weiter verfeinern. Dazu gehören unterschiedliche Events und Einzelgespräche, in denen die Vertragskonditionen besprochen werden. Dann folgen einführende Trainings, in denen vermittelt wird, wie Alltagsabläufe, zum Beispiel eine Reisebuchung oder Spesenabrechnung funktionieren", sagt Susanne Dietrich. Für die reibungslose Kommunikation sorgen rund 15 Projektleiter des Bereichs HR New Business and Transformation Management mit Teams in den unterschiedlichen Ländern.

Neuer Arbeitgeber übernimmt alte Verträge

Dieser Einsatz lohnt sich. "Während der Umstellungsphase war das HR-Team immer verfügbar. Es gab eine Reihe von Veranstaltungen, aber auch die Möglichkeit, im direkten Gespräch offene Fragen zu klären. Die Vertragsbedingungen des alten Arbeitsvertrags wurden prinzipiell übernommen", sagt Jo Brobbel über die HR-Begleitung.

Rund 230.000 Mitarbeiter sind weltweit im Telekom-Konzern tätig, etwa 46.000 davon für T-Systems. Bei vielen Neuankömmlingen wirkt schon die schiere Größe der Telekom atemberaubend. "Oh weh, jetzt werden wir gleichgeschaltet, dachten wir", erinnert sich Sieglinde Walz, Leiterin Vertrieb Automotive Handel. Die 46-Jährige war im Rahmen der Debis-Übernahme zu T-Systems gekommen, dort hatte sie in einer Vielzahl von Consulting-Projekten und Services vor allem mit mittelständischen Daimler-Automobilhandelsbetrieben zu tun.

Bei Outsourcing-Deals verschieben sich vor allem vertraute Beziehungen mit ehemaligen Kollegen. "Den ‚kleinen Dienstweg‘ gibt es nicht mehr - es stellen sich einfach andere Anforderungen an Transparenz und Dokumentation", stellt Pascal Thuet fest. Während er bei Peguform ins Geschehen der Fachabteilungen eingebunden gewesen sei, habe sich dies stark verändert. "Die ehemaligen Kollegen sind jetzt Kunden, das ist einfach eine andere Art der Zusammenarbeit, es geht nicht mehr auf Zuruf", so Thuet. Wichtig ist, die Strukturen und Prozesse kennenzulernen, denn Klarheit und Transparenz helfen", meint Stefan Elsässer, Senior Consultant SI, der vom ehemaligen Volkswagen-IT-Dienstleister Gedas zu T-Systems kam. "Es dauert eine Weile, die neuen Kürzel, Abteilungen und Organisationen zu verstehen, das eigene Netzwerk aufzubauen, um die richtige Person für ein bestimmtes Anliegen zu finden", meint auch Thuet.

Je nach vorhergehendem Umfeld wirken die Strukturen mehr oder weniger komplex. "Die Unternehmenskultur ist unterschiedlich. Shell ist eine Riesen-Company, alle Prozesse sind international. Da gibt es Parallelen zu T-Systems", meint Jo Brobbel, der die Strukturen des 112.000 Mitarbeiter zählenden Mineralölkonzerns gewöhnt war.

Seinen Platz finden

Nach der Ankündigung von Betriebsübergängen steht für jeden Mitarbeiter die Frage im Raum, wie der neue Platz aussehen wird. "Mir war wichtig, beim Wechsel aktiv zu sein und nicht zu warten, an welche Position ich in der neuen Struktur gestellt werde", erinnert sich der 45-jährige Elsässer. Der ausgebildete Speditionskaufmann besann sich auf seine Wurzeln, sah sich nach Ansprechpartnern bei T-Systems im Logistikumfeld um und fand einen Produkt-Manager, mit dem sich eine Zusammenarbeit ergab. Mittlerweile verbindet er als Senior Consultant den Vertrieb mit der Technik.

Auch Sieglinde Walz nahm den Wechsel entspannt: "Die Sorge um den eigenen Platz ist unbegründet, wenn man eine gute Beziehung zu seinen Kunden hat. Der Kunde bleibt derselbe und sollte weiter dort sein, wo er hingehört: im Mittelpunkt. Dennoch erleben viele Menschen den Wechsel als beunruhigend. Erst wenn die Ängste eines möglichen Positionsroulettes wegfallen, entfaltet sich wieder gemeinsame Kreativität."

"Seinen Platz finden" gilt jedoch nicht nur für den einzelnen Mitarbeiter, sondern auch für ganze Sparten. Mittlerweile findet sich bei T-Systems beispielsweise geballte Automotive-Kompetenz. Nach Debis mit Schwerpunkt Daimler und BMW baute die Gedas-Übernahme den Kontakt zur Volkswagen-Gruppe aus - und brachte damit konsolidiertes Fachwissen über die großen Player der deutschen Fahrzeugindustrie unter ein Dach. Erst im Mai wurde durch einen weiteren Service-Deal mit MAN die Nutzfahrzeugsparte verstärkt.

Chancen für Weiterentwicklung

"T-Systems hat ganz andere Ressourcen als eine IT-Abteilung, wenn es um Weiterbildung geht. Auch das Angebot hinsichtlich Soft Skills ist umfangreich", sagt Thuet, der sich bei T-Systems vom Systemanalytiker unter anderem auf der Basis von Projekt-Management-Trainings zum Projektleiter weiterentwickelt hat.

"Die Organisation der Service-Akademie in dieser Größenordnung ist eine echte Leistung", meint Walz. Dass die Führungskräfte in T-Punkten und Call Centern mitarbeiten und schauen, wie sich die Interaktion mit den Kunden gestaltet und Service gelebt wird, hält die Vertriebsexpertin für die perfekte Erdung. "Daneben entstehen Netzwerke, mit denen sich auch die größenbedingt anonymen Strukturen überwinden lassen", so Walz. Darüber, dass die Informationsversorgung der Telekom im Intranet überdurchschnittlich ist, sind sich die "Neuen" einig. "Die Chatrooms mit dem Vorstand sind eine sehr gute Idee", findet Walz.

Die Reise geht weiter

Auch in der nächsten Zeit stehen weitere Übergänge an. Dabei ist ein ausgefeiltes Change-Management-Konzept die Basis für Übernahmen, aus denen motivierte Mitarbeiter hervorgehen. Doch auch das Engagement des HR-Personals ist wichtig. "Unser Ziel ist es, die Menschen mit viel Einsatz und Humor zu begleiten: Im übertragenen Sinne die richtige Schuhgröße der Mitarbeiter zu kennen, die wir betreuen, und jede Extrameile zu gehen, um für jeden eine faire Lösung zu finden", sagt Dietrich.

Derzeit arbeitet das HR-Team von Susanne Dietrich daran, eine Mitarbeiterumfrage nicht nur wenige Monate nach dem Übergang umzusetzen, sondern auch ein Jahr danach. "Die Ergebnisse des Transition Survey zeigen, dass die neuen Mitarbeiter sich relativ rasch mit der neuen Situation anfreunden und die Grundzufriedenheit auch nach einem Jahr hoch ist. Befragt, welche innere Haltung sie betroffenen Mitarbeitern empfiehlt, meint die Personalexpertin: "Offen und neugierig sein, konstruktiv kritisch Fragen stellen, Sorgen nicht mit sich allein abmachen und vor allem: Nach vorn schauen, nicht zurück".

Tipps beim Outsourcing

Für die Mitarbeiter

  1. Die eigenen Fähigkeiten kennen und wertschätzen;

  2. offen sein für neue Erfahrungen;

  3. positiv nach vorne schauen: Veränderung bietet Chancen;

  4. aktiv werden: Hören, schauen, fragen.

Für das Unternehmen

  1. Sorgen und Ängste der neuen Mitarbeiter ernst nehmen;

  2. den Übergangsprozess jederzeit transparent gestalten;

  3. Dialogorientiert kommunizieren (Veranstaltungen, Gespräche, Feedback einholen);

  4. neue Mitarbeiter auch nach der Integration weiter begleiten.

Der Personalchef von T-Systems Matthias Schuster empfiehlt Mitarbeitern, die Veränderungen als Chance zu begreifen.

Zusammengestellt von Matthias Schuster, der in der T-Systems-Geschäftsleitung für den Personalbereich verantwortlich zeichnet.