Datenschützer Schaar

Whistleblower sollen unter Schutz der Pressefreiheit

15.04.2011
Mehr Transparenz in Politik und Wirtschaft soll demokratische Prozesse voranbringen. Welche Rolle dabei die Enthüllung von Informationen durch Whistleblower hat, war Thema der Web-Konferenz re:publica.

Die Enthüllung von vertraulichen Informationen aus Politik und Wirtschaft durch sogenannte Whistleblower sollte nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar unter dem Schutz der Pressefreiheit stehen. Allerdings müssten die nach dem Vorbild von WikiLeaks entstehenden Plattformen auch die Sorgfaltspflichten der Medien erfüllen, sagte Schaar am Donnerstag auf der Web-Konferenz re:publica in Berlin. Es bestehe die Gefahr, dass Informationen bewusst gestreut würden, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen. "Ich bin sicher, dass sich da schon viele Gedanken machen, wie diese Plattformen zur Manipulation genutzt werden können", warnte Schaar.

Mehr als vier Monate nach Veröffentlichung der US-Botschaftsdepeschen durch WikiLeaks will die alternative Enthüllungsplattform OpenLeaks demnächst mit zunächst sechs Partnern starten. Ihr Gründer Daniel Domscheit-Berg sagte, die Technik sei mehr oder weniger fertiggestellt. Damit soll es möglich sein, Dokumente anonym einzureichen. Jetzt hoffe er, dass es in den nächsten Wochen losgeht.

Der WikiLeaks-Aussteiger Domscheit-Berg beschrieb die neue Plattform als "eine Art Babyklappe", einen neutralen Dienst zur Vermittlung zwischen "Whistleblowern" mit ihren Insider-Informationen und interessierten Medien oder Organisationen. OpenLeaks habe aus den Erfahrungen von WikiLeaks gelernt und wolle auf keinen Fall eine politische Agenda verfolgen. "Die Regeln müssen von der Notwendigkeit für verantwortungsvolles Handeln bestimmt werden, nicht von Hypes, Ruhm oder Verschwörungen", sagte Domscheit-Berg am zweiten Tag der Blogger-Konferenz.

Die Enthüllung von Insider-Informationen müsse immer in einen Zusammenhang zusätzlicher Informationen gestellt werden, sagte der OpenLeaks-Gründer. Dafür seien bestehende Organisationen wie Medien oder Nichtregierungsorganisationen nötig. OpenLeaks strebe dabei eine vielfältige Community von Experten, Forschern und Journalisten oder Bloggern an.

Diaspora als Alternative

Auch die Öffentlichkeit solle mit Hilfe einer Online-Abstimmung an der endgültigen Zusammensetzung der OpenLeaks-Partner beteiligt werden. Als Reaktion auf die Enthüllungen im vergangenen Jahr müsse allerdings jetzt erst einmal damit gerechnet werden, "dass immer weniger aufgeschrieben wird, das ist die erste Angst-Reaktion".

Das Programm der dreitägigen Konferenz re:publica mit 169 Vorträgen und Workshops sowie 270 Sprechern spannt einen weiten Bogen von Web-Technologien und Startup-Projekten über die Debatte um Datenschutz und Privatsphäre bis hin zur politischen Rolle von Web-Medien bei den jüngsten Umsturzbewegungen in arabischen Ländern. Als Alternative zum weltweit größten Sozialen Netzwerk Facebook stellte sich am Donnerstag das Projekt Diaspora vor. Die Plattform ist ein dezentralisiertes Netzwerk, das den Nutzern die volle Kontrolle über ihre Daten geben will und damit die Konsequenz aus vielfacher Kritik an Facebook zieht.

Diese Plattform wolle in den nächsten drei bis vier Monaten einer weiten Öffentlichkeit bekannt werden, sagte der Mitbegründer Maxwell Salzberg. Es stehe ein großer Schritt bevor, sagte der amerikanische Internet-Entwickler. Derzeit seien mehr als 100 Entwickler an der Programmierung des quelloffenen Codes beteiligt. Salzberg gründete das Projekt mit drei Kommilitonen im vergangenen Jahr. Eine erste Finanzierung organisierten sie über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter: Über die Spenden von mehr als 6000 interessierten Nutzern brachten sie 200.000 Dollar zusammen. (dpa/ajf)