Werksschließung bei Nokia: Die aktuelle Entwicklung im Überblick

18.01.2008
Am Dienstag teilte Nokia mit, sein Handy-Werk in Bochum schließen zu wollen. Bereits zum Sommer 2008 gehen dort die letzten Endgeräte vom Band, und Rettung ist nicht in Sicht. Zwar haben sich die ersten Bundespolitiker bereits von ihren Nokia-Handys getrennt, an Nokias Entscheidung wird das allerdings wenig ändern. In einem Überblick zeigen wir die aktuelle Entwicklung zum Thema.

Die Schließung des Bochumer Nokia-Werks zum Sommer 2008 kam für die 2.300 Mitarbeiter ohne Vorwarnung, auch die Politik wurde von dieser Entscheidung eiskalt erwischt. Außer den Beschäftigten des finnischen Herstellers fürchten weitere 1.000 Leiharbeiter und mindestens ebenso viele Angestellte von Zulieferbetrieben um ihre Arbeitsplätze. Das öffentliche Ansehen des Weltmarktführers hat in Deutschland innerhalb weniger Tage an Glanz verloren.

Die ersehnte Rettung scheint unerreichbar. Mit klaren Worten ließ Nokia aus Helsinki vermelden, dass über eine Weiterführung des Werks nicht verhandelt wird. Auch die Kampfansage des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, dessen Medienpräsenz in den letzten Tagen sprunghaft zunahm, dürfte die Entscheider bei Nokia nur wenig beeindruckt haben. Nokia müsse sich überlegen, ob es weiter auf dem deutschen Markt präsent sein will - "Die Diskussion beginnt erst", so der Landespolitiker.

Inzwischen wurde bekannt, dass Nokia in den 90er Jahren vom Bund und Nordrhein-Westfalen 88 Millionen Euro an Fördergeldern erhielt, die für den Umbau einer Fernseherfabrik in ein modernes Handy-Werk investiert werden mussten. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, die Finanzmittel auch für andere Projekte, etwa die Verlegung der Produktionsstätte nach Rumänien, verwendet zu haben und fordern einen generellen Abbau der Subventionen. Nach Aussage von Alfred Boss, Steuerfachmann am Institut für Weltwirtschaft (IfW), müsse es "grundsätzlich das Ziel sein, innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre" die öffentlichen Förderungen komplett abzuschaffen. Für 2007 bezifferte Boss die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in Deutschland auf 145 Milliarden Euro.

Während Rüttgers mit den betroffenen Nokia-Mitarbeitern vor den Toren des Bochumer Handy-Werks steht, zeigt sich in Berlin ein anderes, fast schon skurriles Bild der Solidarität. Verbraucherminister Horst Seehofer und der SPD-Fraktionschef Peter Struck haben sich in aller Eile von ihren Nokia-Handys getrennt. Aus Mitgefühl und Patriotismus. In der hitzigen Debatte scheinen viele jedoch einen wichtigen Punkt vergessen zu haben: Auch kein anderer Handy-Hersteller lässt seine Geräte in Deutschland produzieren, insofern ist der Boykott finnischer Handys zwar nett anzusehen, entbehrt allerdings jeder objektiven Grundlage. Allein diese Tatsache zeigt doch, dass die Handyproduktion in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

Aus wirtschaftlicher Sicht macht die Verlagerung durchaus Sinn. Analysten der Unternehmensberatung IDC sehen drei wichtige Vorteile: Rumänien bietet steuerliche Anreize durch niedrigere Gewerbesteuern und Abgaben. Zudem erhält Nokia eine räumlich engere Nähe zu den aufstrebenden Märkten in Osteuropa und Asien. Und schließlich sind die Arbeitsgehälter der Angestellten deutlich niedriger, als in Deutschland. Doch gerade das letzte Argument erhitzt die Gemüter. Demnach beträgt der Faktor Lohnkosten nur 5 Prozent der Gesamtkosten in der Handy-Herstellung. In den Augen vieler Kritiker sind eine höhere Motivation, eine gute Ausbildung und große Sorgfalt bei der Produktion passende Gegenargumente für eine Verlagerung nach Osteuropa.

Auch in den kommenden Wochen wird noch viel diskutiert werden, an der Abwanderung von Nokia werden Rüttgers und Co. nichts ändern können. Sehr zur Trauer der betroffenen Mitarbeiter und deren Angehörigen. Doch statt mit den Finnen über eine unumkehrbare Entscheidung zu debattieren - das können Politiker bekanntermaßen besonders gut - sollte schnellstmöglich ein Sozialplan ausgearbeitet werden, der die Interessen der Angestellten vertritt und ihnen einen finanziellen Rückhalt garantiert.

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