Anwender tasten ihre IT-Dienstleistungsverträge für Outsourcing, Hosting und SaaS viel zu selten an. Oft liegen sie jahrelang in den Schubladen, ohne dass sie inhaltlich geprüft und angepasst werden. In vielen Fällen driften Abkommen und Betriebspraxis im Outsourcing weit auseinander, wenn Provider - in stiller Übereinkunft mit den Kunden - völlig andere Leistungen liefern als ursprünglich vereinbart. Selbst wenn diese Fehlentwicklung offen zutage tritt, scheuen die Vertragsparteien davor zurück, ihre Zusammenarbeit auf eine aktuelle Basis zu stellen, um Preise und Umfang den Marktstandards anzupassen. Die Aufgabe, einmal geschlossene Servicevereinbarungen zu überarbeiten, scheint vielen Anwenderunternehmen zu komplex und obendrein zu riskant. Also verzichten sie lieber darauf, gemeinsam mit ihrem IT-Provider Mängel zu beseitigen und Prozesse auf beiden Seiten effizienter zu gestalten.
Kurze Laufzeiten vereinbaren
Grundsätzlich ist es ratsam, keine Outsourcing-Verträge über mehr als 36 Monate zu vereinbaren und bei den Verhandlungen nicht auf die Tricks der Providers hereinzufallen. Nur in Ausnahmefällen können maximal 60 Monate sinnvoll sein. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wandeln sich in allen Branchen so schnell, dass sich die IT-Anforderungen während der Vertragslaufzeit ebenfalls stark ändern. Das betrifft etwa Technologiewechsel in der Hardwareausstattung sowie noch intensiver in den Systemen und Applikationen. Servicevereinbarungen mit statischen Bestandteilen wie beispielsweise feste Abnahmemengen sind hier hinderlich. Zudem sind die Preise in ständiger Bewegung und kennen nur eine Richtung: Sie sinken. Unternehmen, die auf Anpassungen verzichten, lassen technische wie wirtschaftliche Chancen liegen.
Wer vergleicht, gewinnt
Heute ist es üblich, lang laufende Serviceabkommen wie etwa Outsourcing- oder Hosting-Verträge auch während ihrer Laufzeit zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu verhandeln. Kein Dienstleister wird ernsthaft darauf pochen, alte Konditionen eisern bis zum Vertragsende abzurechnen, wenn er mit einem frühzeitigen Neuabschluss Kunden für die nächsten Jahre binden kann. Zudem können Nachträge laufende Vereinbarungen sinnvoll ergänzen, beispielsweise wenn sich gesetzliche und regulatorische Vorgaben ändern. Wer einen Benchmark anstrebt, muss seine Ausgangssituation genau kennen und das Ziel der Vergleichsanalyse präzise formulieren. Geht es darum, bestehende IT-Services zu erweitern, oder kommen neue fachliche Anforderungen hinzu? Welche Services liefert der Dienstleister in welcher Qualität und zu welchen Konditionen?
Mit den Antworten auf derartige Fragen bekommen IT-Verantwortliche eine erste und schnelle Standortbestimmung. In einem zweiten Schritt sollten sie detailliert und vor allem ungeschminkt die Stärken und Schwächen der eigenen IT analysieren, um konkrete und umsetzbare Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten.
Zielgerichtete Verhandlungsbasis schaffen
Entscheidend ist, eine solide Grundlage für die Gespräche mit dem IT-Dienstleister zu schaffen und mit einem klaren Ziel an den Verhandlungstisch zu gehen. Dabei kann man ruhig Tacheles reden. "Nur wer sich reibt, gewinnt an Kontur", lautet beispielsweise das Motto von Jürgen Thiessat, der beim Küchenhersteller Alno die IT verantwortet. Vor einer Vergabe unterschiedlicher IT-Gewerke am Standort Pfullendorf in Baden-Württemberg hat er eine detaillierte Bestandsaufnahme der Infrastruktur und Anwendungen genutzt, um präzise Ausschreibungsunterlagen zu erstellen. Die Leistungsbeschreibungen waren so eindeutig, dass sie später direkt in den Vertragstext übernommen werden konnten. "Wir haben alle Gespräche mit den Anbietern effizient und ergebnisorientiert geführt und bewusst auf unnötige vertriebliche Aufwärmrunden verzichtet. Das hat den sachdienlichen Informationsaustausch für das Projekt und die notwendigen kaufmännischen Entscheidungen zügig vorangebracht”, beschreibt Thiessat das Vorgehen.
IT-Landkarte gibt Orientierung
Wer von Anfang an Wichtiges von Unwichtigem trennt, gewinnt Spielraum. Nicht jede Anwendung ist unternehmenskritisch, und ein Outsourcing-Vertrag muss nicht die komplette Unternehmens-IT abdecken. Ausgehend von dieser Erkenntnis hat Alexander Walter in seiner Zeit als IT-Leiter und CIO bei der Weinig AG in Tauberbischofsheim der Sourcing-Strategie des Herstellers von Spezialmaschinen für die Massivholzverarbeitung ein Profil gegeben. Dazu hat der Manager die Funktionen der IT-Systeme genau mit den Anforderungen der Geschäftsprozesse abgeglichen. Ziel war es, sowohl Schwachstellen als auch Einsparmöglichkeiten aufzudecken. "Auch wenn wir zuvor schon fundierte Erfahrungswerte besaßen, war nach dieser Untersuchung doch vieles klarer erkennbar", schildert Walter seine Erfahrung. Um die Analyse zu veranschaulichen, wurden die Ergebnisse in eine Art Landkarte übertragen. Darin ließ sich etwa aufzeigen, wie sich die IT-Investitionen im Unternehmen verteilen, welche Services welche Prozesse berühren und wo technische Erneuerungen der Weinig AG Vorteile verschaffen könnten. Die Landkarte erwies sich zudem als gute Basis für Ausschreibungsgespräche und Verhandlungen mit IT-Dienstleistern.
Vorsicht vor Lockangeboten
Nach wie vor ist der Servicemarkt hart umkämpft. Speziell im SAP-Hosting locken Anbieter aus strategischen Gründen mit Dumping-Preisen. Was auf den ersten Blick attraktiv erscheinen mag, muss auch einer zweiten und dritten Prüfung standhalten. Klar ist, dass solche Dienstleister versuchen werden, Geld an anderen Stellen im Unternehmen zu verdienen. Zeitraubende Nachverhandlungen wegen jeder kleinen Änderung und Abweichung vom Standardservice sind leider oft die Folge. Auch die Gefahr, im Bündel Leistungen zu bestellen, die man gar nicht braucht, ist groß.
Anwender sollten sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen und ihre Interessen beharrlich bis zum Schluss verfolgen. Selbst ein bisschen Pokern kann nicht schaden. Wer den Vertragsabschluss über das Quartalsende des Dienstleisters hinausschiebt, kann leicht unnötige Hektik aus den Verhandlungen nehmen. Und niemand sollte nervös werden, nur weil der IT-Provider für ihn unangenehme Vertragsbestandteile bis kurz vor der Unterschrift noch nicht geklärt oder zugesagt hat. Die Auftraggeber hoffen, dass die Kunden nervös werden und im letzten Moment noch von schwierigen Forderungen abrücken.
Gelassenheit ist Trumpf
"Wir haben noch am Tag der Vertragsunterzeichnung die letzten rechtlichen Regelungen vereinbart, und zwar rückwirkend zum Vertragsbeginn am Monatsanfang", berichtet Bernd Rittmann, IT-Bereichsleiter bei der EMAG-Gruppe, einem international tätigen Hersteller von Maschinen und Fertigungssystemen, von seinen Erfahrungen zur Neuverhandlung eines SAP-Outsourcing-Abkommens. "Und wir haben unsere im Vorfeld besprochenen Vorstellungen durchsetzen können." Ziel war es, die Serviceleistungen zu verbessern und die Kosten um 20 bis 25 Prozent zu senken. Außerdem war es der EMAG-Gruppe wichtig, einen Vertrag zu erhalten, der sich im täglichen Betrieb ebenso leicht administrieren lässt wie in möglichen Eskalationsfällen. Deshalb war es unabdingbar, den Neuvertrag flexibel zu gestalten und möglichst viele Rahmenbedingungen und Eckdaten im Vorfeld zu regeln. Wer bei jeder Veränderung im Geschäftsumfeld neue Service-Level-Agreements verhandeln muss, empfindet das Outsourcing schnell als starres Korsett. Unternehmen büßen dann unter Umständen Wettbewerbsvorteile ein und laufen Gefahr, den Provider nicht mehr steuern zu können.
IT muss innovativ bleiben
Damit verlöre die IT ihre wichtige Rolle als Innovationstreiber. Kapazitäten im Rechenzentrum müssen je nach Bedarf kurzfristig änderbar sein, ebenso Serviceleistungen vor Ort. Es darf keine starren, auf Jahre hinaus festgelegten Nutzungszeiträume geben. Ein Vertrag muss variabel und flexibel sein. Nur dann kann Outsourcing in einer globalisierten Wirtschaft Geschäftsprozesse unterstützen und für optimierte Produktionsabläufe und einfache Strukturen in Verwaltung, Vertrieb und anderen Unternehmensbereichen sorgen. (jha)