Vom Schreibtisch an den Wickeltisch

Wenn IT-Männer Elternzeit nehmen

20.06.2009 von Isabell Auer
Noch sind die Männer, die sich nach der Geburt ihres Kindes eine Jobpause genehmigen, in der Minderheit. Erst recht in der schnelllebigen IT-Branche. Doch auch hier gibt es Vorreiter, die Elternzeit genommen haben.

Der eine ist Qualitätsingenieur, der zweite ist Teamleiter und der dritte ist CEO. Alle drei arbeiten in einer Branche, die es eigentlich nicht erlaubt, dass man wochen- oder monatelang nicht erreichbar ist. Dennoch haben Florian Poloczek, Ralf Hidding und Torsten Straß eine "Babypause" eingelegt und nach der Geburt ihrer Kinder Elternzeit genommen. In ihren Firmen Adobe, Computacenter und Logica gehörten sie zu den ersten Männern, die Elternzeit beanspruchten, und mussten einige formelle Hürden nehmen. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen gefragt.

Ralf Hidding, Computacenter: Elternzeit splitten

Ralf Hidding, Teamleader IS Operations beim IT-Dienstleister Computacenter, hat zwei Monate Elternzeit genommen und dies im Vorfeld gezielt geplant: "Die Option, die Zeit aufzuteilen und somit zwei Mal die Chance zu haben, die Kinder in unterschiedlichen Lebensabschnitten zu betreuen, war für mich ideal." Da sich der zweite Teil der Elternzeit langfristig planen ließ, konnte ihn Hidding sehr gut in den Berufsalltag integrieren.

Den ersten Monat nahm der Teamleiter direkt nach der Geburt seiner kleinen Tochter im Mai 2008, einen weiteren Monat dann ein Jahr später. "Ich wollte meine Frau nach der Geburt unterstützen und direkt Zeit mit unserem Neuzuwachs verbringen", erklärt Hidding. Währendessen hat er außerdem die ältere Tochter betreut, sie in den Kindergarten gebracht und von dort abgeholt, Essen gekocht, mit ihr gespielt.

Bei der zweiten Auszeit war Hiddings kleine Tochter dreizehn Monate alt. "So konnte sich meine Frau auf ihren Wiedereinstieg in den Beruf konzentrieren, während ich die klassischen Aufgaben Wickeln, Füttern und Spazierengehen übernahm." Mittlerweile stehen Hidding und seine Frau wieder voll im Berufsleben, und eine Tagesmutter kümmert sich um die jüngere Tochter, während die ältere Tochter im Kindergarten ist.

In seinem Bereich mit etwa hundert Mitarbeitern war Ralf Hidding einer der ersten Väter, die Elternzeit genutzt haben: "Besonders die männlichen Kollegen waren sehr interessiert und wollten mehr über meine Pläne und Erfahrungen wissen." Seinem Beispiel sind bereits einige Kollegen gefolgt. Für sein Vorhaben hat er bei Vorgesetzten und Kollegen gleichermaßen Unterstützung gefunden: "Zwar wurde ich von meinen Chefs nicht explizit zur Elternzeit ermuntert, doch war der Arbeitgeber sehr hilfsbereit, und auch die Kollegen haben durchweg positiv reagiert. Nach meiner Erfahrung ist es kein Problem, Elternzeit zu nehmen."

Plötzlich die Arbeit sein zu lassen gelang Teamleiter Hidding nicht auf Anhieb: Besonders zu Beginn der Elternzeit hielt er noch ab und zu per Handy Kontakt zu den Mitarbeitern. Im weiteren Verlauf allerdings konnte er entspannter an die Arbeit denken: "Ich wurde recht schnell zum ‚passiven E-Mail-Leser’. So konnte ich während der Auszeit auf dem Laufenden bleiben." Dies half ihm nicht zuletzt beim Wiedereinstieg in den Job.

Florian Poloczek, Adobe: Sieben Wochen im Wohnmobil

Auch Florian Poloczek fand nach drei Monaten als "Vollzeitpapa" wieder problemlos in seinen Job als Quality Engineer bei Adobe Systems zurück - auch wenn dort viel Arbeit auf ihn wartete. "Die Kollegen standen meiner Entscheidung, in Elternzeit zu gehen, generell positiv gegenüber. Insbesondere mein Chef ist mir bei der Planung sehr entgegen gekommen, und wir haben gemeinsam nach der bestmöglichen Lösung für beide Seiten gesucht. Aber es gab auch einige skeptische Äußerungen und Zweifel, ob die Entscheidung nicht auch negative Auswirkungen auf die Karriere haben könnte." Dass die Bedenken berechtigt gewesen wären, kann Poloczek allerdings nicht bestätigen.

Die Auszeit nutzte er, um mit der ganzen Familie zu verreisen. "Da meine Frau auch berufstätig ist, waren die gemeinsamen Wochen ein echter Luxus! So waren wir insgesamt sieben Wochen mit dem Wohnmobil unterwegs." Die Tage waren hauptsächlich den Kindern gewidmet, wodurch die Familie "noch enger zusammengewachsen ist." Poloczek schaffte es, den Beruf außen vor zu lassen: Seine E-Mails überflog er von Zeit zu Zeit und war in Notfällen zu erreichen, die jedoch nie eingetreten sind.

Was er aus der intensiven Zeit mit seiner Familie mitnimmt? "Gelassenheit und großen Respekt für alle, die sich tagtäglich Vollzeit der Kindererziehung widmen!"

Torsten Straß, Logica: Ein CEO in Elternzeit

Dass auch Väter in Führungspositionen eine Auszeit für die Familie nehmen können, beweist Torsten Straß, CEO von Logica in Deutschland. "Unser erstes Kind haben meine Frau und ich voller Spannung und Freude erwartet, und ich wollte von Anfang an eine Verbindung zu ihm aufbauen." Deshalb hat sich Straß schon vor der Geburt bei der Personalabteilung über seine Möglichkeiten bezüglich Elternzeit erkundigt. "Ich war mir nicht sicher, ob auch ich in meiner Position als Deutschlandchef von Logica einfach in paar Monate ‚frei’ nehmen könnte. Doch kurze Zeit später konnte ich bereits die ersten vier Wochen Elternzeit nehmen." Dieses Jahr hat er seine Arbeitszeit im Rahmen des Elternzeit-Teilzeitmodells reduziert. So bleibt er weiter in engem Kontakt mit seinem Beruf.

Torsten Strass, Logica: "Ein bis zwei Monate Elternzeit sollten für jeden Mitarbeiter möglich sein, egal in welcher Position er tätig ist."

Die Kollegen standen dem Vorhaben durchaus positiv gegenüber: "Für Viele war die Tatsache, dass ich als CEO Elternzeit nehmen wollte, auch Neuland, und die Mitarbeiter der Personalabteilung mussten zunächst ein bisschen recherchieren, wie alles funktioniert. Ich habe den Eindruck, dass unsere Kollegen in anderen Ländern uns um dieses Modell sogar ein bisschen beneiden!"

In Sachen Elternzeit war Straß in seiner Funktion bei Logica Vorreiter: "Dass ein leitender Angestellter Elternzeit in Anspruch nimmt, ist selbst bei uns bislang eher ungewöhnlich. Ich würde mich freuen, wenn ich hier ein Vorbild für meine Mitarbeiter wäre: Die Familie sollte nicht hinter dem Job zurückstehen, vor allem nicht in dieser so wichtigen Phase nach der Geburt eines Kindes. Außerdem kann man von einer Auszeit mit seiner Familie nur profitieren! Der Tapetenwechsel schafft eine größere Distanz zum Arbeitsalltag, und eine neue Perspektive bringt auch für den Beruf frische Ideen."

Allerdings konnte sich Straß nicht von jetzt auf gleich vollständig aus dem Geschäft ziehen. Die Auszeit war jedoch gut vorbereitet, so dass einzelne Projekte von den Kollegen übernommen wurden. Für seine Assistentin war er telefonisch zu fest definierten Zeiten erreichbar.

"Ein bis zwei Monate sollten für jeden Mitarbeiter möglich sein, egal in welcher Position er tätig ist. Schließlich hat jeder Mitarbeiter gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit", erklärt Straß. "Natürlich ist es frustrierend, wenn der Vorgesetzte einem Steine in den Weg legt. Darunter leidet dann die Motivation. Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeiter zeugt von Führungsqualität und sorgt langfristig für eine stärkere Bindung qualifizierter Arbeitskräfte."

Lesen Sie auch