Hightech in der Landwirtschaft

Wenn Entwickler auf den Traktor kommen

24.03.2009 von Alexandra Mesmer
Ohne Elektronik läuft im modernen Schlepper gar nichts mehr. Darum suchen Hersteller wie Fendt Ingenieure und Entwickler, die sich mit Fahrzeugelektronik auskennen.

Der Blick in die Fahrerkabine eines Fendt-Traktors verrät vieles: Neben Lenkrad und Armaturenbrett thront eine mächtige "Multifunktionsarmlehne", ausgestattet mit diversen Knöpfen, 6,5-Zoll-Bildschirm und Joystick, über den sich sämtliche Fahrfunktionen aktivieren lassen. "Ob Lenkung, Getriebe, Motoreneinspritzung oder Hydrauliksteuerung, heute sind alle Betriebskomponenten im Traktor elektronisch gesteuert. Damit haben wir mehr Elektronik als in einem Auto", sagt Rainer Hofmann, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Fendt, nicht ohne Stolz. Im Vordergrund ständen nicht so sehr Multimedia-Anwendungen, wie sie in Autos zu finden sind, sondern Steuerungen, die die Arbeit des Landwirtes unterstützen: Zeit, Saatgut und Diesel sparen heißen die Ziele, die durch das GPS-gestützte Spurführungsgerät erreicht werden sollen. Hier errechnet der Satellit, in welchen Spuren der Traktor fahren oder welche Kurven er ziehen soll.

Keine Spur von Krise

Im Gegensatz zur Automobilindustrie ist die Krise beim traditionsreichen Traktorenhersteller, der zum US-amerikanischen Agco-Konzern gehört, noch nicht angekommen. Im vergangenen Jahr verkaufte Fendt über 15.400 Landmaschinen und damit 15 Prozent mehr als 2007. Kontinuierlich schafft das Unternehmen neue Stellen, insbesondere in Hofmanns Abteilung: Die ist seit 1990 von drei auf mittlerweile 31 Mitarbeiter angewachsen, auch in diesem Jahr sucht Hofmann noch Verstärkung.

Rainer Hofmann, Fendt: In einem Traktor steckt mehr Elektronik als in einem Auto.

Während die Elektrikentwickler CAD-gestützt den Einbau von Steuergeräten und anderen Komponenten wie Lampen konstruieren, konzentrieren sich die Softwareentwickler auf die Softwaresteuerungen. In einem Schlepper finden sich etwa 20 unterschiedliche, komplexe Steuerungen. Zudem müssen die Entwickler Sensorik, Hardware und die Schnittstellen zu angrenzenden Funktionsbereichen der Maschine im Blick haben.

Wer als Softwareentwickler nach Marktoberdorf kommt, muss etlichen Anforderungen genügen. Dazu Hofmann: "Für die Elektronikentwicklung suchen wir Informatik- und Elektrotechnik-Ingenieure mit Schwerpunkt Softwareentwicklung. Idealerweise bringen sie Erfahrung in Fahrzeugelektronik mit, etwa mit CAN-Bus-Systemen und Embedded-Linux-Betriebssystemen." In Sachen Fachwissen kann Hofmann keine großen Kompromisse eingehen, da es bei ihm im Unterschied zu größeren Unternehmen keine übergreifenden Funktionen wie Projekt-Manager gibt, die man auch ohne tiefes technisches Know-how ausfüllen kann.

Entwickler müssen sich mit Fachbereichen austauschen

Zudem sollten die Bewerber auch eigenständig arbeiten können und kommunikativ sein. Die Fähigkeit, sich mit anderen auszutauschen und abzustimmen, müssen Entwickler bei Fendt immer wieder unter Beweis stellen: Wenn etwa eine Endgeschwindigkeitsregelung entwickelt werden soll, müssen die IT-Experten gemeinsam mit Kollegen aus anderen Konstruktionsabteilungen die Funktion beschreiben. Auch das Programmieren selbst findet im Team statt: In der Regel programmieren die Mitarbeiter zwar parallel an verschiedenen Funktionen, die zusammen aber eine Steuerung ergeben.

In einem Fendt 936 Vario stecken 20 verschiedene Softwaresteuerungen.

Auch in der Testphase müssen die Entwickler eng mit anderen Abteilungen zusammenarbeiten. "Da die Elektronik in die komplette Fahrzeugsteuerung und Mechanik eingebunden ist, kommt man um die Kommunikation mit Kollegen aus den anderen Fachbereichen nicht herum", bilanziert Hofmann, der in diesem Punkt auch wenig Abstriche machen mag. Wenn Kandidaten im Vorstellungsgespräch verschlossen seien und etwa das Thema ihrer Diplomarbeit nicht verständlich erklären könnten, hätten sie nur geringe Chancen auf ein Vertragsangebot. Ein Bewusstsein für Qualität ("Mit welchen Mitteln erreiche ich mein Ziel?") und Kosten ("Wird das Ergebnis dem Aufwand gerecht?") könne man sich dagegen aneignen, räumt Hofmann ein.

Mit der Motivation seiner Mitarbeiter hat Hofmann kaum Probleme: "Unser Produkt spricht Männer an, aber auch Frauen können sich bewerben. Leider konnten wir noch keine Ingenieurin für die Softwareentwicklung einstellen. Wir haben auch Mitarbeiter, die in der Landwirtschaft aufgewachsen sind." Und so mancher Entwickler lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und leiht sich einen PS-starken Traktor aus, um selbst auszuprobieren, ob die von ihm programmierte Steuerung auch in der Praxis funktioniert. Die Fluktuation im Unternehmen ist gering. Wenn Mitarbeiter wechseln, dann um der Karriere willen, da Führungspositionen beim Mittelständler mit flachen Hierarchien nur begrenzt vorhanden sind. Die niedrige Wechselbereitschaft führt Hofmann nicht nur auf das Produkt und die interessante Technologie zurück: Viele schätzten den Firmensitz, da das Allgäu einen hohen Freizeit- und Erholungswert biete.

IT in der Landtechnik

IT-Anwendungen gehören fest zum Arbeitsalltag in der Landwirtschaft. Denn mit ihrer Hilfe werden Ressourcen wie Treibstoff und Dünger sparsam eingesetzt und gleichzeitig Erträge gesteigert. Daher stecken in den Fendt-Traktoren IT-Systeme, die jederzeit alle Betriebsdaten der Maschine aufzeichnen. Der Landwirt ruft diese Daten via Bluetooth oder GSM/GPRS auf seinem Laptop oder PC ab, wertet sie über eine Agrar-Management-Software aus und kann der Schleppersteuerung zum Beispiel GPS-gestützte Auftragsbearbeitungsdaten zusenden, so dass die Ackerfläche optimal bearbeitet wird. In diesem System wird zudem der Datenbus zwischen den Schleppern und IT-gestützten Arbeitsgeräten gesteuert, die beim Säen, Düngen, Schneiden oder Ernten zum Einsatz kommen.

Mehr zum Thema Entwickler