Gescheiterte BI-Projekte

Wenn der Mensch nicht will, hilft die Software nichts

02.09.2009 von Uta Nommensen
Zwei Drittel aller Business-Intelligence-Projekte scheitern. Firmen lassen sich von teuren Tools blenden und hören nicht auf ihre Berater, meinen zwei selbständige BI-Profis.

Entscheider werden mit einem Sammelsurium von firmeninternen Reports und Analysen oft überschwemmt. Die Zahlen und Tabellen, die aus verschiedenen Abteilungen des Unternehmens eintreffen, sind manchmal inkongruent und bieten keinen echten Überblick. Eine unklare Datenlage erschwert aber den Firmenlenkern, umgehend zu reagieren und die richtigen Weichen zu stellen, wenn Unternehmensprozesse aus dem Ruder laufen. Ein übergreifendes Berichtswesen kann die Entscheider dabei unterstützen, auf geschäftliche Ereignisse adäquat zu reagieren.

Bunte Grafiken allein machen noch kein gutes BI-Tool.
Foto: Getty Images

Um die teils heterogenen Datensysteme der Unternehmen in den Griff zu bekommen, müssten Business-Intelligence-Systeme sorgfältig eingeführt werden. So manche teuer erworbenen Produkte führen nicht zum Erfolg, weil die fachliche Zusammenführung der BI-relevanten Daten nicht auf technischem Wege gelöst werden kann. „Hier fehlt meist die konzeptionelle Vorarbeit, welche Auswertebedürfnisse das Unternehmen überhaupt hat. Diese überführt der BI-Fachmann dann in ausgeklügelte Data-Warehouse-Modelle und stellt so den Unternehmen verlässliche Daten zur Verfügung“, sagt der freiberufliche Berater und Entwickler Wolfgang Taag, der seit 2000 in mehr als zehn deutschen SAP BW/BI-Projekten mitwirkte.

Schlechte Daten, schlechte Ergebnisse

Leider scheitern BI-Projekte manchmal daran, dass mit Daten gearbeitet wird, die gar nicht die ewünschten Ergebnisse bringen können - frei nach der Devise: Man nimmt, was man hat und bekommt nicht, was man braucht. „Für den Projekterfolg ist es aber entscheidend, den umgekehrten Weg zu gehen und zunächst die Anforderungen des Kunden nach neuen Key Performance Indikatoren (KPI) zu analysieren, um dann korrekte Rückschlüsse auf die operativen Systeme zu ziehen“, sagt Dirk Bisping, Vorstand des Bundesverbands Selbständige in der Informatik (BVSI). Im ersten Schritt sollte deshalb genau analysiert werden, welche Daten das Unternehmen braucht.

BI-Experte Dirk Bisping: Viele Firmen lassen sich durch teuere Tools blenden.
Foto: BVSI

Dabei setze Bisping, der in der Data-Warehouse-Beratung auf Basis von Cognos und Business Objects tätig ist, auf eine Doppelstrategie. Er arbeitet zunächst mit den vorhandenen Daten und ermittelt damit bestmöglich die vom Kunden gesuchten KPIs. „Gleichzeitig berät er den Kunden, wie dieser längerfristig seine Systemlandschaft ausbauen kann, um Zahlen zu erhalten, die mit dem jetzigen Berichtswesen noch gar nicht generierbar sind“ erklärt Bisping.

BI-Produkte werden nach Erfahrung von Experten manchmal unüberlegt eingekauft. Manche Einkäufer lassen sich bei Verkaufsshows zu Produkten hinreißen, die bunte und bewegte Bilder und Grafiken produzieren und ´selbstverständlich´ alle Daten der Welt verarbeiten können. Dabei wird leider meist verschwiegen, dass die notwendige Integration komplexer Unternehmensdaten zu einem sinnvollen BI-Datenmodell keines Falls trivial ist und nicht durch den Einsatz von Tools geleistet werden kann. „Die Unternehmen kaufen Tools, ohne sie mit den innerbetrieblichen technischen und fachlichen Gegebenheiten abzustimmen“, sagt Wolfgang Taag.

Schwachstelle Qualitätskontrolle

BI-Experten haben die Aufgabe aus riesigen, oft unüberschaubaren und scheinbar kaum kompatiblen Datenmengen hoch verdichtete Kennzahlen zu erzeugen. Der BI-Experte muss viele Daten bündeln, zueinander in Beziehung setzen und passende Datenmodelle erstellen. „Bei diesen hochkomplexen Vorgängen können sich leicht Fehler einschleichen. Eine äußerst gründliche Qualitätskontrolle ist deshalb enorm wichtig. „Die Qualitätskontrolle kann bis zu 50 Prozent des gesamten Projekts einnehmen“, sagt Dirk Bisping.

Entsprechende Vereinbarungen müsse der BI-Freiberufler mit dem Kunden treffen, damit er das BI-Projekt im Kostenrahmen und termingerecht abschließe. Die Qualitätskontrolle werde aber bei der Projektplanung oft unterbewertet und dann reiche die Zeit nicht aus, um sie sorgfältig abzuschließen. Es sei daher empfehlenswert, den BI-Berater in die Projektplanung einzubeziehen, um einen realistischen Zeitplan aufzustellen.

Wenn Controller mauern

Das Gros der BI-Projekte scheitert nicht an der Technik, sondern am Faktor Mensch. BI-Projekte werden abteilungsübergreifend durchgeführt und eine ganze Anzahl von Controllern, CIOs und Abteilungsleitern sind involviert. Aber nicht jeder der Beteiligten ist an einer Datentransparenz wirklich interessiert. Möglicherweise mauern einzelne Abteilungen oder Controller wollen ihre Berichte selbst an die Firmenspitze weiterleiten und zeigen sich wenig kooperationsbereit.

Die Verantwortung für BI-Projekte sollte deshalb in der Hand von Projektsponsoren liegen, die möglichst weit oben in der Firmenhierarchie angesiedelt sind. „Nur wenn die Geschäftsführungsebene die BI-Projektleitung mit weit reichenden Privilegien ausstattet, kann das Projekt die geforderten Daten vollständig bereitstellen“, sagt Wolfgang Taag.

Was BI-Freiberufler können müssen

Darum sollte der BI-Freiberufler nicht nur fachlich ein Experte sein. Er muss auch in der Lage sein, „alle Projektbeteiligten mit ins Boot zu bekommen“, sagen Bisping und Taag übereinstimmend. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit Datenverantwortlichen und Abteilungsleitern ist daher für einen erfolgreichen Projektverlauf unerlässlich. Denn ohne die Zahlen und innerbetrieblichen Prozesse zu kennen, kann der BI-Fachmann sein Projekt nicht erfolgreich durchführen. Dass der BI-Experte gegenüber den Mitarbeitern den richtigen Ton trifft, damit alle sich eingebunden fühlen, kann für den Projekterfolg entscheidend sein.

Neben sozialer Kompetenz und ausgewiesener Methodenkenntnis muss der BI-Experte seine Tools natürlich aus dem Effeff kennen. Denn nicht nur ein gutes Konzept ist wichtig, anschließend muss er das Konzept „natürlich auch in Bits und Bytes gießen. Aber das Tool muss nicht das erstbeste, es kann auch das zweitbeste sein. Entscheidend ist die richtige Methodik“, weiß Bisping aus Erfahrung.

Denn um ein aussagekräftiges BI-Konzept zu erstellen, kommt es nicht in erster Linie auf das Tool, sondern auf die methodischen Fähigkeiten des BI-Experten an. Statt auf das teuerste Tool sollten die Unternehmen eher auf den kompetentesten BI-Experten setzen. Er zeichnet sich vor allem durch seine Erfahrung aus, die er bei namhaften Unternehmen gesammelt hat.“, sagt Taag. Leider werde die von Unternehmen oft teuer eingekaufte Kompetenz der BI-Berater nicht immer beachtet. Die Kunden hören nicht auf uns und handeln gegen unsere Empfehlungen, sagen etliche BI-Berater. Auch dies ist ein kritischer Punkt, der zum Misserfolg eines BI-Projektes beitragen kann.

Wenn Kunden nicht auf die BI-Berater hörden

Das Fazit kann lauten: Die ausgewiesene Methodenkompetenz des BI-Experten ist für die erfolgreiche Abwicklung eines Projektes wichtiger als ein schickes Tool. „80 Prozent macht ein gutes Data Warehouse - und nur 20 Prozent ein gutes BI-Tool“, weiß Bisping. Doch alle Kompetenz nützt dem Berater nicht, wenn seine Vorschläge nicht angenommen werden oder er keine Rückendeckung von der Geschäftsführung erhält. Das ist wohl einer der Hauptgründe dafür, dass so viele BI-Projekte scheitern.

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