Wenn der Job über die Studienwahl entscheidet

09.10.2001 von Melanie Stagg
In einer Leserumfrage von YOUNG PROFESSIONAL wurde immer wieder nach Praktikantenberichten gefragt. Ab dieser Ausgabe erzählen ehemalige Kurzzeitarbeiter, wie es ihnen bei der Firma ergangen ist, was sie zu tun hatten und ob und wie nützlich dieser Job für später war.

Schon vor Beginn seines Studiums konnte Sebastian Pietsch auf umfangreiche berufliche Erfahrungen zurückblicken. Gleich eine Woche nach Vergabe der Abiturzeugnisse ist Pietsch als Praktikant bei Neustart Corporate Media Lab eingestiegen, einem Medienlabor mit Sitz in München. „Zu Anfang hatte ich typische Praktikanten-Tätigkeiten zu erledigen“, berichtet er.

Sebastian Pietsch konnte sich von der Arbeit nicht trennen und verlängerte den Vertrag.

Dazu zählten Besorgungsfahrten, das Ausdrucken von Präsentationsmappen oder auch das Filmen von Firmenpräsentationen.

Aber mit dem Umzug der Büroräume von Nürnberg nach München durfte der Praktikant intensiv am Neuaufbau der Firma mitarbeiten. So lernte er Rechner ans Netzwerk anzuschließen, Server zu warten und Rooter zu konfigurieren. Schließlich durfte sich Pietsch an Projekten beteiligen und sogar eigene Projekte leiten. Neben dem Gestalten und Programmieren von Web-Seiten hat der 22-Jährige auch Einblicke in den Aufbau eines Intranet-Auftrittes gewonnen.

Nach drei Monaten wäre sein Praktikum vorbei gewesen, jedoch konnte Pietsch sich von seiner Arbeit nicht losreißen. Nicht nur die familiäre Atmosphäre in dem Medienlabor hat ihn dazu gebracht, seinen Full-Time-Job auf weitere fünf Monate auszudehnen. „Das Besondere bei Neustart ist, dass wir uns unsere Projekte aussuchen können. Wir sind nicht gezwungen, jeden Auftrag anzunehmen und dadurch in der Lage, immer wieder mal etwas Neues auszuprobieren“, zählt Pietsch die Vorteile auf.

Zwar hätte er auch bei Siemens als Werkstudent anfangen können, nachdem er beim Wettbewerb „www.mein-handy-geht-ins-netz.de“ gewonnen hatte. Aber er entschied sich dagegen: „Die Atmosphäre eines Großkonzerns ist mir zu anonym“. Heute hat Pietsch auch keinen Grund zu klagen. Neben einem Gehalt, mit dem er durchaus zufrieden ist durfte er sich sogar einmal einen Firmenwagen - ein BMW der 5-er-Klasse - für private Zwecke ausleihen; in einem großen Unternehmen wohl undenkbar, zumindest mit dem Status als Praktikant.

Die Arbeitszeiten sind bei Neustart flexibel. „Manchmal fange ich erst um elf Uhr an oder gehe mit einem Kollegen zum Brunchen, aber es kommt schon mal vor, dass ich dann bis tief in die Nacht im Büro sitze. Das längste war mal bis fünf Uhr morgens“, erzählt er.

Seit dem Sommersemester 2001 ist Pietsch an der Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch-Gmünd immatrikuliert. Dort studiert er Gestaltung mit den Schwerpunkten Information und Medien. Warum die Wahl auf diese Hochschule gefallen ist? „Das hat Tradition“, sagt der Young Professional, „mein Bruder hat dort studiert, meine Kollegen von Neustart auch und mein Chef ist dort Dozent.“ Mit dem Job geht es auch während des Semesters weiter. Dann arbeitet Pietsch via E-Mail, da ein Pendeln zwischen Schwäbisch-Gmünd und München aus Zeitgründen nicht möglich ist.

Jedenfalls möchte er der Firma Neustart noch eine Zeit lang treu bleiben. Aber „irgendwann, vielleicht im Rahmen meines Pflichtpraktikums im Ausland, will ich etwas anderes kennen lernen.

Kontakt: Neustart, Hans Krämer, E-Mail: kraemer@neustart.de, Telefon: 089/54 07 0046. MPS Mediaworks: Markus Claassen, E-Mail: claassen@mps-mediaworks.de, Telefon: 089/95 99 00.

Für die war ich der Computergott. Anonyme Strukturen, fade Aufgaben und wenig Verantwortung für Studenten in einem Großkonzern? „Keineswegs“, meint Harald Reissl, der eineinhalb Jahre als Werkstudent bei der Siemens AG im Unternehmensbereich Corporate Technology beschäftigt war. Angestellt war er in der Abteilung Basistechnologien, die als Anlaufstelle für den gesamten Siemens-Konzern bei Fragen rund um die politische Normierungsarbeit fungiert.

Harald Reissl hatte viele Freiheiten, was ihn besonders motivierte.

Im Zuge der Umbenennung aller Unternehmensbereiche mit deutschen Namen in englische Bezeichnungen war Reissls erste Aufgabe, an der Gestaltung einer Abteilungsbroschüre mitzuwirken. Interessant wurde es für den Informatik-Studenten aber erst, als er einen neuen Intranet-Auftritt gestalten sollte. Von seinen Vorgesetzten erhielt er lediglich die Vorgabe, welche Inhalte die Site haben sollte, die Umsetzung blieb ihm selbst überlassen.

Auf den Passwort-geschützten Zugang, den er selbständig implementiert hat, ist Reissl besonders stolz. Siemens-Mitarbeiter müssen sich nur noch mit ihrem zugeteilten Login anmelden und können sich dann über verschiedene Themen rund um die Normierung erkundigen. Beim Abruf kostenpflichtiger Informationen erfolgt die Abrechnung über eine Datenbank, in der die Personalien der Siemens-Mitarbeiter, die sich eingetragen haben, gespeichert sind. Das Besondere an diesem Teil des Intranets ist, dass es sich hier um eine vollständige Userverwaltung handelt. So erhalten die Mitarbeiter nicht nur ihre eigenen Passwörter, sondern auch kostenlosen „Probe-Content“ bis zu einem bestimmten Umfang und Hilfe bei der Anforderung von Informationen.

„Meine Kollegen haben mich quasi für ein Computergenie gehalten“, beschreibt Reissl. Sogar abteilungsinterne Schulungen zum Programm Front Page hat er organisiert, und mit der Zeit wurde er zur Anlaufstelle bei diversen Computerproblemen. Als Informatiker ist das ja selbstverständlich, mag man vielleicht denken, aber „da haben viele eine vollkommen falsche Vorstellung von diesem Studiengang“, erwidert Reissl. Sämtliche PC-Kenntnisse habe er sich selbst angeeignet, das Studium habe ihm für seinen Job nichts genützt. „Theoretisch hätte auch ein Sprachwissenschaftler meine Aufgaben erledigen können. Voraussetzung ist eine gewisse technische Affinität und die Bereitschaft, mal ein Buch in die Hand zu nehmen und sich in ein oder zwei Programmiersprachen einzulesen.“

Ferner betont Reissl, dass ein Großkonzern wie Siemens keineswegs festgefahrene Strukturen haben muss. Die Arbeitszeiten waren absolut flexibel, für Studenten gibt es nicht einmal die obligatorische Stempeluhr. Das Vertrauen in den Young Professional erwies sich als groß, als ihm zwischen Weihnachten und Neujahr als einer von wenigen Zugang zum Büro gewährt wurde.

Das Engagement, das Reissl in den Aufbau „seiner“ Intranet-Seiten hineingesteckt hat, wurde auch belohnt. Zwar ist das reguläre Gehalt tariflich festgelegt und seiner Meinung nach „nicht prickelnd“, aber am Ende des Jahres gab es für ihn eine Sonderprämie und ein Paket mit Aktienoptionen. Besonders die Freiheit, die ihm sein Chef bei den anfallenden Aufgaben gelassen hat, war für ihn eine Motivation, nicht nur in den Semesterferien, sondern auch während der Vorlesungszeit einmal pro Woche ins Büro zu fahren.

Kontakt: Kirsten Lenz, Telefon: 089/636-53 545, Claudia Härle, Telefon: 089/636-49 155, E-Mail: career.ct@mchw.siemens.de. Allgemeine Anfragen für alle Abteilungen: Siemens AG, ZP IME DE (Praktika), Wittelsbacherplatz 2, 80333 München.