Vorteile, Nachteile

Wenn das Handy zur Fahrkarte wird

21.07.2010
Schlange stehen am Schalter war gestern. Tickets werden immer häufiger im Internet gebucht. Nun will die Bahn die Handyfahrkarte einführen. Die SB-Angebote haben aber nicht nur Vorteile.
Die Bahn liefert Fahrkarten per MMS direkt auf das Handy.

Das Handy einfach vor der Abfahrt an einen Sensor halten und einsteigen. Bahnfahren ohne die herkömmliche Zugfahrkarte. Geht es nach den Vorstellungen von Konzernchef Rüdiger Grube, soll dies schon ab dem kommenden Jahr für die täglich rund 5 Millionen Bahnkunden möglich sein. Fluggesellschaften haben schon längst das Mobilfunktelefon zum bequemen Ticketbuchen und Einchecken entdeckt. Das Reisen soll damit weiter erleichtert werden.

Mit den SB-Angeboten wird der Verbraucher aber auch immer mehr eingespannt. Die Konzerne sparen damit Personal und Kosten, die Kunden oft nur vermeintlich Zeit. Bei Problemen landen sie nicht selten in den kostspieligen Warteschleifen irgendwelcher Hotlines. Verbraucherschützer und Gewerkschaften sehen die Entwicklung daher mit Sorge. "Für den Kunden bedeutet der SB-Service, er übernimmt Funktionen, für die er keinen ökonomische Vorteile erhält", heißt es bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Nach dem Reisehandy-Konzept der Bahn soll künftig ein spezielles Programm die besten Verbindungen für die geplante Reise raussuchen und buchen. Das Ticket wird dann mit Bahnsteignummer und Zuginformationen aufs Handy geschickt. Vor Reiseantritt wird dieses dann an ein spezielles Lesegerät, dem elektronischen Anmeldepunkt (neudeutsch: Touch Point), gehalten. Auch das Umsteigen und der Wechsel zu S-Bahn oder Bus geht angeblich problemlos. Und bei Fahrscheinkontrollen wird das Handy einfach an ein Gerät beim Schaffner gehalten. Seit zwei Jahren probt die Bahn dieses Konzept in Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Jetzt sucht sie noch Partner bei den regionalen Verkehrsanbietern.

Die Schließung weiterer Schalter und den Abbau von Personal habe dieses Konzept nicht zur Folge, versichert der Konzern. Die Zahl der 400 Reisezentren und 3.100 Bahnagenturen werde konstant bleiben. Auch ältere Menschen oder Nicht-Handy-Besitzer müssen nicht fürchten, auf der Strecke zu bleiben. "Das ist erstmal ein Parallelangebot für technikaffine Kunden", betont ein Sprecher. Fahrkartenschalter würden nicht so schnell verschwinden. Ohnehin will die Bahn bis zum kommenden Jahr die Aufstellung von bundesweit 7000 Fahrkarten- Automaten, die schneller und leichter zu bedienen sind, abgeschlossen haben.

Auch bei Lufthansa und Germanwings

Bei der Lufthansa nutzt mittlerweile die Hälfte der rund 56 Millionen Fluggäste im Jahr den Check-In am Automaten oder über das Internet. Bis 2012 sollen es gut drei Viertel der Passagiere sein. Internetfähige Mobiltelefone können schon länger als elektronische Bordkarte genutzt werden. Vor drei Jahren hatte die größte deutsche Fluggesellschaft dies als erste Airline angeboten. Vor allem Geschäftsleute und Vielflieger nutzten das Angebot sehr gerne, sagt Sprecher Jan Bärwalde.

An weltweit mehr als 600 Automaten an gut 65 Standorten können sich Lufthansa-Passagiere mittlerweile selber einchecken. Die Airline begründet die vermehrte Aufstellung dieser SB-Automaten mit dem immer geringeren Platz, der auf den Flughäfen zur Verfügung steht. Ein Abbau von Personal gehe damit nicht einher, heißt es. Es komme nur zu Verschiebungen. Zu dem könne auch künftig bei Problemen am "bemannten Serviceschalter" eingecheckt werden. Außerdem werde es weiterhin Betreuer an den Automaten geben.

Bei der Lufthansa-Tochter Germanwings nutzen gut 40 Prozent der rund sieben Millionen Passagiere die mittlerweile 24 SB-Automaten an den Flughäfen in Köln, Berlin, Hannover, Hamburg und München. Zudem buchten fast 95 Prozent ihr Ticket online. "Das Internet ist unser Supermarkt", betont Sprecherin Angelika Schwaff. (dpa/ajf)