Wenn Benutzer CRM scheitern lassen

18.11.2003
Von Michael Gomolka . Michael Gomolka ist Partner bei der Esprit Consulting AG in München und dort für den Bereich Customer-Relationship-Management verantwortlich. MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Während bei vielen Customer-Relationship-Management-(CRM-)Projekten technische Fragen akribisch analysiert und diskutiert wurden, fanden die Bedürfnisse und Wünsche der Anwender nur selten Gehör. Zahlreiche CRM-Vorhaben scheiterten. Nun setzt sich langsam die Überzeugung durch, dass die Rechnung ohne den Wirt, sprich den Anwender, nicht zu machen ist.

Montagmorgen bei einem internationalen Großkonzern: Hektischer Betrieb auf Gängen, geschäftiges Hallo in Teeküchen und Großraumbüros. Nicht so in der Vertriebsabteilung des Konzerns. Dort herrscht schlechte Stimmung. Schon wieder eine Woche mit der "Wunderwaffe" Customer-Relationship-Management.

Bild: Photodisc/lex

Für die Vertriebsmitarbeiter steht das neue System vor allem für eins: Daten erfassen und arbeiten wie die Buchhalter. Für das eigentliche Geschäft, sprich für Verkaufsgespräche beim Kunden vor Ort, bleibt kaum noch Zeit. Das Ergebnis: Die Anwender arbeiten ungern und ungenau mit dem System, die Datenqualität nimmt immer mehr ab. Auch das anfangs so euphorische Management ignoriert das System zunehmend. Denn schließlich möchte man sich ja nicht auf mangelhafte Daten verlassen. Ein Teufelskreis.

Technik alleine führt nicht weit

Das Beispiel ist typisch: Zahlreiche Firmen haben sich in den letzten Jahren intensiv mit Themen wie Kundenbindung und Ertragssteigerungsprogrammen beschäftigt und viel Geld in umfangreiche CRM-Lösungen investiert. Die erhofften Umsatzsteigerungen und Kosteneinsparungen haben sich jedoch häufig nicht eingestellt. Die Gründe: fehlende Akzeptanz bei Anwendern, zu komplexe Bedienung, mangelhafte Datenqualität, fehlendes Berichtswesen; Kurzum, eine Fokussierung auf technische Fragen, ohne den Anwendern die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Aber was hilft ein technisch einwandfreies System ohne überzeugte Benutzer? Schließlich sind genau sie es, die die Kundenbindungswaffe zum Leben erwecken sollen und daher besonderer Betreuung bedürfen.

Viel verspricht hier eine Kombination aus Steuerung, Anreizen und Coaching vor Ort. Damit sollen bei den Mitarbeitern vor allem zwei Dinge erreicht werden: eine verstärkte Gewinnung der richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt sowie ein Motivationsschub für den Umgang mit dem jeweiligen CRM-System. So kann letztendlich dessen Wert für den einzelnen Anwender, aber auch für das Unternehmen erheblich gesteigert werden. Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für die Akzeptanzförderungsmaßnahmen ist schnell beantwortet: so früh wie möglich. Aber auch wenn die Einführung des CRM-Systems bereits abgeschlossen ist, geben Steuerung, Anreizsysteme und Coaching durchaus noch Sinn. Denn auch zu einem späteren Zeitpunkt können so die Nutzung des Systems, die Mitarbeiterzufriedenheit und damit der Wert der CRM-Einführung deutlich gesteigert werden.

Ein technisch einwandfreies CRM-System nützt wenig, wenn die Endanwender nicht von den Vorteilen der Lösung für die eigene Arbeit überzeugt sind. Mit Maßnahmen zur Akzeptanzsteigerung sollte daher schon vor Projektstart begonnen werden. Nach der CRM-Einführung können Anreizsysteme und Mitarbeiter-Coaching die Zufriedenheit erhöhen.

Durchgängiger Berichtsprozess ist das A und O

Zunächst dreht es sich dabei um den Vertrieb. Dafür müssen unter anderem folgende Fragen geklärt werden: Nach welchen Kriterien steuert das Vertriebs-Management oder der einzelne Vertriebsmitarbeiter seinen Bereich? Woran wird der Vertriebserfolg gemessen? In der Regel hilft hier die Entwicklung eines durchgängigen Berichtsprozesses. Damit soll sichergestellt werden, dass dem einzelnen Mitarbeiter jederzeit die notwendigen Daten für seine Arbeit zur Verfügung stehen. Auf der gleichen Datenbasis sollte das Management seine Entscheidungen treffen. Dies schafft Transparenz und Vertrauen. Kern des Berichtsprozesses ist die Festlegung von Kennzahlen, anhand derer das Unternehmen sein Geschäft steuert. Das sind beispielsweise die Anzahl der Vertriebskontakte pro Kunde, der Umsatz pro Besuch oder auch der Deckungsbeitrag pro Kunde.

In einem zweiten Schritt geht es um die Entwicklung eines Bonusprogramms. Anreize sollen die Mitarbeiter animieren, die CRM-Lösung im täglichen Betrieb einzusetzen. Die Beispiele reichen von Erfolgsprämien für erfasste und gewonnene Angebote bis hin zu Geldbeträgen pro erfasste Aktivität. Besonders attraktiv: Jeder Mitarbeiter sammelt für jede erfasste Aktivität - je nach Auftragsvolumen und Erfolg - Punkte. Diese kann er später in Geschenke oder harte Euros umwandeln. Manchmal reicht es jedoch bereits, konkret in die Zielvereinbarungen aller Mitarbeiter - auch des Top-Managements - zu schreiben, wie sie die Systeme nutzen sollen.

Die eigentliche Datenpflege und Informationsverwendung wird schließlich durch ein persönliches Coaching gesteigert. Das Unternehmen bildet dazu ein Team, das zunächst ausgewählte Anwender vor Ort berät. Es zeigt ihnen - Führungskräfte eingeschlossen - anhand realer Daten was das System kann, und sammelt Erfahrungen und Eindrücke über aktuelle Funktionen, Bedienung, Mitarbeiterbefähigung und Datenqualität. Auch das Topmanagement bedarf persönlicher Unterstützung, um zu begreifen, wie es mit den CRM-Informationen umgehen und diese für ihre Entscheidungen nutzen kann. Aus den gesammelten Ergebnissen leitet das Coachingteam schließlich weitere Maßnahmen, zum Beispiel ein spezielles Training von Mitarbeitern, ab. Meist hilft in diesem Zusammenhang aber schon die Vereinfachung des Systems auf das Wesentliche.

Den Erfolg messbar machen

Vergleicht man die Akzeptanz von CRM-Systemen in Abteilungen, bei denen Maßnahmen zur Akzeptanzförderung getroffen wurden, mit anderen, so zeigt sich Erstaunliches: Steigerungen der Systemnutzung um über 200 Prozent sind machbar. Als eindrucksvolles Beispiel sind hier die Erfahrungen eines internationalen Industriekonzerns zu nennen. Dort stellten sich zwei Abteilungen im direkten Vergleich der Erfolgsmessung. Als Grundlage dienten Kennzahlen wie die Anzahl der Anmeldungen am CRM-System pro Woche, der Prozentsatz der bereinigten CRM-Daten oder aber die Dauer für die Erfassung eines Angebots im CRM-System. Das Ergebnis: Abteilung A, in der es Fördermaßnahmen gab, hatte nach acht Wochen bereits 70 Prozent der Daten bereinigt, Abteilung B erst 25 Prozent. Zudem benötigte Abteilung A, in der es Fördermaßnahmen gab, 60 Prozent weniger Zeit für die Angebotserfassung als Abteilung B. In der Folge wurden die Maßnahmen auf den ganzen Konzern

ausgeweitet.