Präsentieren mit Powerpoint

Weniger Folien sagen mehr

20.08.2008 von Michael Schweizer
Microsofts Präsentationsprogramm hat schon viele Vorträge ruiniert. Erfahrene Praktiker sagen, wie man es besser machen kann.

Hartmut Mehdorn war Goliath. Anhand vieler Powerpoint-Folien erklärte der Bahnchef der zuständigen Behörden-Jury, warum der ICE zwischen Frankfurt am Main und Stuttgart nicht halten solle. Dann ergriff David das Wort, der junge Nahverkehrs-Direktor des Regionalverbands. Er legte keine einzige Folie auf, sondern erzählte Geschichte: Der Rhein-Neckar-Raum sei seit den alten Römern eine wirtschaftliche Drehscheibe. Fast 100.000 Unternehmen seien dort zu Hause, an denen könne man nicht vorbeifahren. Mannheim bekam seinen ICE-Bahnhof. David hatte gewonnen.

Diese Episode gibt der Rhetorik- und Präsentationstrainer Matthias Pöhm in einem seiner Lehrbücher wieder. In ihr konkretisieren sich die gängigsten Beschwerden über Powerpoint: Es nervt. Mächtige wollen damit manipulieren. Präsentatoren versuchen damit ihre Inkompetenz zu überspielen. Das stimmt alles. Aber es kann nicht die ganze Wahrheit sein, sonst würde das Tool nicht jeden Tag 30 Millionen Mal benutzt.

Zu viele Folien - zu viel Text

"Wenn man jemanden davon überzeugt, dass er sich auf das Wesentliche konzentriert und nicht 50 Folien verwendet, sondern zehn, ist schon viel gewonnen", sagt der Stuttgarter Trainer und Coach Axel Rittershaus. In seinen eigenen Produktvorträgen - sein zweites Unternehmen Leopard International vermittelt zwischen ausländischen Softwareherstellern und deutschen Anwendern und Partnern - beschränkt er sich allerdings auf drei bis vier Bilderfolien und zeichnet seine Kernaussagen ("mehr als drei kann sich eh kein Mensch merken") auf Flipcharts. "Pointiert und sparsam" solle man mit Powerpoint umgehen, rät auch Christa Nehls, die nach über 25 Jahren bei Digital Equipment, Compaq und Hewlett-Packard nun in Römerberg Coaching und individualpsychologische Beratung anbietet.

So dankbar das Publikum sein wird, wenn der Vortragende es vom Folien- Trommelfeuer verschont, gewonnen ist es damit noch nicht. Viele Vortragende stellen ihr Wissen umfassend dar, statt den kleinen Teil davon auszuwählen, den die Zuhörer brauchen. Techniker überfordern Nichttechniker mit fachlichen Einzelheiten, Vorstände belästigen gestandene Informatiker mit Marketing-Phrasen über das eigene Haus. Weil es ihm helfe, genau diese fehlende Orientierung an der Zielgruppe zu vermeiden, ist Powerpoint für Axel Daldorf "das Werkzeug schlechthin". Vor Endanwendern, Managern und Messegästen könne er damit jeweils so präsentieren, wie es inhaltlich, aber auch in "Stil und Farbe", zu ihnen passe. Ohne Powerpoint wäre das viel aufwändiger. Daldorf arbeitet im Vertrieb des SAP-nahen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Realtime. Auf die Umfrage "Hassen Sie Powerpoint?" in COMPUTERWOCHE online antwortete er als Einziger klar negativ: "Ich liebe Powerpoint."

So einfach wie möglich

Coach Axel Rittershaus empfiehlt: Nie mehr als drei Aussagen auf eine Folien.

Powerpoint ist kein Wortmedium. Mit Text sollten Präsentatoren auf der Folie so sparsam wie irgend möglich umgehen. Sie drängen den Zuschauer sonst zum Lesen, lenken ihn vom Vortrag ab und zerstören den Kontakt zu ihm. Die zwei Hauptstärken der Software fangen mit dem gleichen Buchstaben an. Erstens Vereinfachung: Powerpoint eignet sich für einprägsame Gegenüberstellungen aus wenigen Elementen in der Art von "Männer wollen.../Frauen wollen..." (Nehls). Mit zwei Balken kann man zeigen, dass ein Service, der bisher 100 Minuten dauert, mit neuer Technik nur 50 Minuten brauchen wird (Rittershaus). Komplexere Zusammenhänge überfüllen die Folien. Zweitens Visualisierung: Ein Bild sagt ohne Worte, was der Redner mit Worten sagt. So strömt die Botschaft noch durch einen anderen Kanal.

Alles hängt davon ab, ob der Präsentator zum Publikum eine Verbindung aufbauen kann. Auf ihn kommt es an - seine Mitteilung als solche könnte er ja auch per Mail verschicken. Er muss "präsentieren statt aufzählen", sagt Jörg Hochwald, der zusammen mit einem Partner den Dienstleister und Franchise-Geber Unidocs übernommen hat. "Ich versuche immer mehr, wieder zu lernen, Texte vorzutragen", schreibt Christian Podiwinsky, Business Process Expert bei SAP Österreich in Wien. Das letzte Wort setzt er in Großbuchstaben. Vieles, was man mit Powerpoint schlecht mache, könne man damit auch besser machen, argumentiert Roland Dreyer aus Stuttgart, der als Betreiber des Medienbüros Art & Science auch Unternehmen und Museen in Archivfragen berät: "Das Problem liegt nicht im Programm, sondern beim Anwender."

An ihm liegt es auch, wenn er mit den Spezialeffekten übertreibt. "Einflug von rechts, Schweben von links, Blitz von oben, Motorengeheul und Eisenbahn-Schnaufen" (Nehls) erinnern an die Urzeit von Powerpoint, als es noch nicht so hieß, nicht vermarktet wurde und das - wenn auch beruflich genutzte - Spielzeug eines obrigkeitskritischen Individualisten war. Als Mittel, etwas zu verkaufen, wirken solche anarchistischen Ton- und Bildscherze dagegen, wenn man sie nicht sehr zurückhaltend für "gebildete und erwachsene Menschen" (Daldorf) dosiert, peinlich und aufdringlich. Das wird noch manchem Graswurzel-Tool und manchem schönen Internet-Auftritt so gehen: In dem Moment, in dem man es kommerzialisiert, ist der Witz weg.

Auf Powerpoint verzichten?

Powerpoint ist kein hoffnungsloser Fall. Gute Präsentationen sind damit möglich. Manche Vortragsprofis verzichten aber darauf oder würden das gerne tun. Dafür gibt es mindestens drei Gründe. Zum Beispiel kann man Vereinfachung als Manipulation verstehen: "Die Schere im Kopf versucht immer mal wieder, Informationen Powerpoint-gerecht zu verbiegen", klagt Thomas Kupfer, selbständiger Dokumentar und Archivar aus Berlin. Der freie PR-Fachmann Dirk Podbielski aus Hamburg hält Powerpoint für ein "komplexes Programm", das "wenig Nutzen bietet, der mit anderen Mitteln nicht effizienter und oft effektiver erzeugt werden könnte". Und Matthias Pöhm warnt, dass Folien den Energiestrom zwischen Redner und Publikum unterbrechen. Deshalb werde man von Powerpoint so müde.

Doch nicht jeder, der ohne Powerpoint auskommen will, wird das durchhalten können. Freiberufliche Präsentationstrainer, Coaches und PR-Experten werden von Kunden gebeten, ihre Folien zu überarbeiten, gleich selbst welche für sie herzustellen oder ihnen beizubringen, wie das geht. Vertriebsleute in Unternehmen müssen damit leben, dass ihr Arbeitgeber den öffentlichen Auftritt standardisieren möchte: Bestimmte Mitteilungen über die Firma sollen in jedem Vortrag vorkommen und werden daher auf Standardfolien gebannt. Viele, die präsentieren müssen, glauben, dass ihre Zuschauer Powerpoint auch dann erwarten, wenn sie es nicht mögen. "Es braucht verdammt viel Mut, es anders zu machen", kommentiert Rittershaus.

Manchmal hilft der Zufall. Christa Nehls erinnert sich: "Vor Jahren wollte ich einen Vortrag halten über SAP CRM Sizing. Leider meinte mein Notebook, es müsse die Zusammenarbeit verweigern. Also bin ich an die Tafel und habe den Vortrag mit Whiteboard und Stiften gehalten. Das Feedback war folgendermaßen: Vielen Dank, wir haben endlich einmal etwas mitbekommen."

Lesetipp: "Es geht auch ohne"

Matthias Pöhm: Präsentieren Sie noch oder faszinieren Sie schon? Der Irrtum Powerpoint. München (mvg Verlag) 2006 (286 Seiten, 19,90 Euro).

Die ersten 60 Seiten widmet Matthias Pöhm Tipps für gute Powerpoint-Präsentationen (Tendenz: wenige Folien mit sehr wenig Text, "Die Botschaft einer Folie muss in maximal zwei Sekunden zu erfassen sein"). Dann erklärt der Schweizer Rhetorik- und Präsentationstrainer das Thema für abgeschlossen: Heute empfiehlt er, auf Powerpoint ganz zu verzichten. Ein besseres Hilfsmittel sei der Flipchart. Damit kann der Redner Spannung erzeugen, indem er ausnutzt, dass das Publikum noch nicht weiß, was kommt: "Sie schreiben die ersten Buchstaben des Wortes schweigend hin und fangen erst in der Sekunde zu reden an, da die Zuschauer gerade noch nicht das Wort erkennen." Pöhms Ratschläge sind immer konkret: "Benutzen Sie nur die größten, dicksten Stifte, die Sie bekommen können."

Pöhm glaubt nicht an Fachsprachen: Redner könnten lernen, alles allgemeinverständlich zu sagen. Er ermutigt zu Hauptsätzen und gefühlsstarken Geschichten. Wer etwas verkaufen wolle, solle jeden Vorteil, den er verspricht, in Euro umrechnen. Wer sich dagegen ein schlafendes Publikum wünscht, dem rät der Trainer zu Worthülsen wie "flexibel", "dynamisch" und "innovativ".

Pöhm beschreibt auch Präsentationen, die von Ideen leben, die man nur einmal verwenden kann. Ein Redner sprach vor Menschen, die für das, was ihnen wichtig war, mehr Zeit haben wollten. Der Redner zählte auf, was die Leute vielleicht jetzt schon taten, und nahm dabei für jede Aktivität ein gefülltes Wasserglas in die Hand. Dann ließ er die meisten Gläser zu Boden fallen.