IT-Dienstleistungen im Jahr 2015

Welche Trends das Servicegeschäft beeinflussen

07.05.2008 von Sabine Prehl
Der Markt für Beratung und IT-Services wird in den kommenden Jahren weiter wachsen. Nicht nur technische Neuerungen dürften ihn dabei verändern.
Große IT-Dienstleister mit umfassenden Angeboten haben aus Sicht der Befragten die besten Marktchancen.

Wie wird der IT-Service- und Beratungsmarkt im Jahr 2015 aussehen? Welche Trends setzen sich durch, und welche Konsequenzen hat das für Anwender und Anbieter? Die Berater von Lünendonk und die Zukunftsforscher der Future Management Group haben zu diesen Fragen eine Studie erarbeitet und mit hochrangigen Branchenvertretern diskutiert. Einigkeit besteht darin, dass sich der Markt in den nächsten Jahren nicht nur durch technische Neuerungen und standortpolitische Entscheidungen wie Near- und Offshoring verändern wird. Künftige Geschäftsmodelle müssen auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren, Energie- und Umwelt-Aspekte sowie gesetzliche Rahmenbedingungen berücksichtigen, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen.

1. Anforderungen an die IT steigen

Ein wesentlicher Faktor ist dabei das Rollenverständnis der IT: Heutige Unternehmen wünschen sich, dass die IT nicht nur effektiv agiert, sondern auch die Geschäftsprozesse flexibler gestaltet, so dass sich Innovationen schneller umsetzen lassen. Dieser Spagat ist nach den Worten von Walter Kirchmann, Geschäftsführer des Münchner IZB Informatik-Zentrums, umso schwieriger zu bewältigen, als die IT-Mitarbeiter immer mehr und immer komplexere Applikationen betreuen müssen. "Da bleibt nicht mehr viel Luft für Innovation."

2. Anforderungen an die Provider steigen

Um ihre IT im Tagesgeschäft zu entlasten und die Kosten zu senken, lagern immer mehr Unternehmen bestimmte Bereiche aus. Gleichzeitig verlangen sie aber auch, dass extern erbrachte Services nachweisbar zum Geschäftserfolg beitragen. Nach Ansicht von Katrin Horstmann, Chief Corporate Business Development Officer bei T-Systems, werden neue Angebote - etwa Managed-Services- und On-Demand-Offerten - diesem Anspruch zunehmend gerecht. Viele Anwender seien allerdings nicht in der Lage, den geforderten Mehrwert genau zu definieren. Zudem beschränke sich das Gros der Provider nach wie vor auf technische Messgrößen - Angaben, mit denen etwa Fachabteilungen nichts anfangen können: "Die wollen wissen, welche geschäftlichen Vorteile der Service konkret bringt", so Horstmann. Ähnlich sieht es Hartmut Lüerßen, Partner der Lünendonk GmbH: "Die wenigsten Dienstleister können ihren Innovationsbeitrag nachweisen. Oder innovative Veränderungen werden als solche nicht erkannt."

Die wichtigsten Einflussfaktoren

  • Globalisierung: Offshoring und Nearshoring nehmen weiter zu;

  • Wertbeitrag durch IT: Auch Innovation ist zunehmend gefragt;

  • Anbieterstruktur: Große Generalisten und kleine Spezialisten dominieren;

  • IT-Quote in Unternehmen: Was machen sie selbst, was lagern sie aus?

  • Neue Leistungen und Service-Bundles für IT- und Geschäftsprozesse;

  • War for talents: Fachkräftemangel bremst das Marktwachstum;

  • Mobilisierung und Consumerization: IT-Nutzung verändert sich;

  • Politik und Gesetzgebung: Neue Regeln für IT-Sicherheit und Datenschutz;

  • Energie und Umwelt: Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen an Bedeutung.

3. Auslagern, was nicht zum Kerngeschäft zählt

Vor diesem Hintergrund lagern die meisten deutschen Anwender bislang vorrangig Infrastruktur-nahe Dienste aus, um die Kosten zu senken. Selbst große Unternehmen beschränken sich nach wie vor auf Betriebsdienste: "Uns geht es darum, durch das Outsourcing von Commodity-Aufgaben Freiräume für die IT zu schaffen. Aber geschäftskritische Bereiche müssen inhouse bleiben", begründet Jörg Raaymann, Bereichsleiter Organisation und Informatik bei der Landesbank Hessen-Thüringen, dieses Verhalten. Aus Sicht der Anbieter gibt es aber auch über die Infrastruktur hinaus viele Bereiche, die nicht unternehmenskritisch sind. "Der Anwender sollte sich überlegen, wo es für seine Kunden keine Rolle mehr spielt, ob die Services von ihm selbst oder von einem externen Dienstleister erbracht werden", empfiehlt IZB-Geschäftsführer Kirchmann. Nach Ansicht von Thomas Lünendonk, Inhaber der gleichnamigen Beratungsfirma, sind viele Firmen bei diesem Thema noch stark in langjährigen Gewohnheiten verhaftet. Selbst in Vorzeigeunternehmen wie Porsche gebe es in dieser Hinsicht noch viel Potenzial: "Streng genommen könnte Porsche die gesamte Fertigung auslagern und sich nur noch auf Imagepflege und Marketing konzentrieren", so die provokante These des Beraters.

4. Web 2.0 und Unternehmertum

Nicht nur IT-bezogene und wirtschaftliche Aspekte, auch gesellschaftliche Entwicklungen wie die steigende Mobilität der Anwender verändern die Arbeitswelt. Private und berufliche IT-Nutzung verschmelzen zunehmend. Die Generation der unter 30-jährigen ist immer online, der Schutz der Privatsphäre scheint sie dabei wenig zu interessieren. "Selbst ältere Leute, die damals gegen die Volkszählung protestiert haben, haben heute offenbar kein Problem damit, sich in Communities wie Xing in Sachen Interessen und Mediennutzung regelrecht zu entblättern", wundert sich Lünendonk. Darauf müssten sich die Arbeitgeber hinsichtlich IT-Sicherheit und Vertraulichkeit von Daten einstellen. Laut IZB-Chef Kirchmann sind aber auch rechtliche Aspekte zu bedenken, wenn Mitarbeiter ihre eigenen Laptops ins Büro mitnähmen. Und schließlich verändert der Trend zum Unternehmertum den Markt. Immer mehr Arbeitgeber verlangen von ihren Mitarbeitern Eigeninitiative, Selbstverantwortung, Flexibilität und Kreativität. Dadurch wächst laut Lünendonk der Wettbewerb zwischen internen und externen Dienstleistern. Vor allem im IT-Beratungsgeschäft nehme die Zahl an selbständigen Spezialisten zu.

5. Serviceanteil an der IT nimmt zu

Während der Beratermarkt floriert, leiden die Outsourcing-Anbieter trotz zunehmender Aufträge unter einem starken Preisdruck, der ihre Umsätze wieder schmälert. Insgesamt stehen die Zeichen aber auf Wachstum, glauben die Experten. Immer mehr IT-Themen und -Produkte seien in Form von Dienstleistungen verfügbar, begründet Lünendonk-Partner Lüerßen: "Itil beispielsweise gab es vor zehn Jahren noch gar nicht. Heute ist es weitgehend automatisiert - als Service."

6. Nachfrage nach umfassenden Angeboten

Die Zukunftsstudie bestätigt diesen Optimismus. Besonders gute Marktaussichten attestieren die Befragten - CIOs, Vorstände von Anbietern und Wissenschaftler - Anbietern, die umfassende Dienstleistungen offerieren. Auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich) bis 9 (sehr wahrscheinlich) erhalten Provider, die ihren Kunden Anwendungs- und Infrastruktur-nahe Services aus einer Hand anbieten, mit sechs Punkten die höchste Bewertung (siehe Grafik "Welcher Anbietertyp 2015 am häufigsten sein wird"). Bei Dienstleistern, die lediglich einzelne IT- oder TK-Infrastruktur-Services erbringen, sehen die Befragten dagegen wenig Potenzial (3,1). Allerdings wurden nur große Anwenderunternehmen befragt, die auch jetzt schon einen integrierten Provider bevorzugen und den Großteil der Services über wenige, internationale Dienstleister abwickeln, um die Zahl ihrer Rechenzentren zu konsolidieren. Kleinere Anbieter stoßen da sprichwörtlich an ihre Grenzen, gibt Bank-Manager Raaymann zu bedenken. "Und ich will ja nicht in jedem Land mit einem anderen Provider zusammenarbeiten."

7. Mittelstand bleibt lokalen Anbietern treu

Im Mittelstand können die Branchenriesen dagegen nach wie vor schwer Fuß fassen. "Die großen Anbieter haben noch keinen Weg gefunden, mittelständische Firmen in Deutschland gezielt zu adressieren und entsprechende Kostenstrukturen einzuführen", räumt T-Systems-Managerin Hostmann ein. Hier dominieren daher kleine, lokale Provider, die das Bedürfnis der Anwender nach persönlichem Kontakt "auf Augenhöhe" erfüllen. "Ein gut vernetzter, lokaler Dienstleister hat reelle Chancen - vor allem wenn er auch noch Offshore-Kapazitäten besitzt", ist Lünendonk überzeugt. In diesem Punkt besteht allerdings noch Nachholbedarf: Laut einer 2007 veröffentlichten Studie des Beratungshauses verfügen nur 34 Prozent der kleineren bis mittleren Systemintegratoren und Beratungshäuser über Nearshore- oder Offshore-Ressourcen. Vor allem das Mittelfeld wird es künftig schwer haben, das nationale Geschäft weiterzuentwickeln und sich gleichzeitig international aufzustellen, um auch große Unternehmen bedienen zu können.

8. Offshoring ja, aber nicht um jeden Preis

Allerdings sollten sich die Anbieter gut überlegen, was sie in Niedriglohnländer verlagern, warnt IZB-Chef Kirchmann: "Wir haben zwar Offshore-Kapazitäten, aber manche Aufgaben lassen sich einfach nicht von Indien und auch nicht von Osteuropa aus erledigen." Sein Call-Center etwa betreibe das IZB bewusst in Bayern. "Natürlich verdienen die Leute hier mehr, aber dafür werden unsere Kunden persönlich betreut", so Kirchmann. Und dann seien sie auch bereit, mehr zu zahlen. "Wir haben lange darüber nachgedacht, wie wir unsere Services billiger anbieten können. Heute überlegen wir uns, für welche Leistungen die Kunden mehr Geld ausgeben würden. Davon profitieren beide Seiten."