Mit TCO & Co den Wertbeitrag ermitteln

Welche IT-Investition zahlt sich aus?

02.08.2011 von Michael Maicher
Kaum eine anderer Bereich steht so unter Rechtfertigungsdruck wie die IT. Aber wie lässt sich ihr Wertbeitrag überzeugend nachweisen?
Foto: Fotolia, Monsterdruck

Seit Jahren äußern die IT-Verantwortlichen großes Interesse daran, den Nutzen ihrer Investitionsprojekte für den Unternehmenserfolg zu demonstrieren. Dabei haben sie es nicht leicht. Das erste Problem besteht schon darin, dass es den Unternehmen meist an den notwendigen Methoden für das Projektportfolio-Management mangelt. Als Konsequenz daraus werden viele finanzielle und personelle Ressourcen vergeudet.

Die Ursache hinter diesem Mangel ist die fehlende Governance-orientierte Balance zwischen strategischer Ausrichtung, Priorisierung und operativer Umsetzung der vielfältigen. IT-Investitionen. Wo sie vorhanden ist, gibt es auch eine enge Verzahnung aller relevanten IT-Vorhaben auf der Grundlage einer IT-Strategie. Und damit lassen sich widersprüchliche Vorgehensweisen ohne gemeinsamen Nenner vermeiden.

Insofern ist das Projektportfolio-Management ein wertsteigerndes Instrument. Es zielt darauf, die Ressourcen der IT strategische einzusetzen, die Budgets einzuhalten und die Qualität der Projektergebnisse zu verbessern. Und damit steigt der Wertbeitrag der IT.

Welcher Wertbeitrag der IT?

Zahlreiche Wissenschaftler und Beratungsunternehmen haben Ansätze und Methoden entwickelt, um das Phänomen "Wertbeitrag der IT" zu erklären. Allerdings hat sich bislang kein Ansatz als allgemeingültig durchgesetzt. Es ist noch nicht einmal allgemeine Auffassung, dass die IT überhaupt einen strategischen Wertbeitrag leistet. Viele bzeichnen sich einfach nur als Commodity. Naturgemäß geben die CIOs der IT grundsätzlich eine positive Bewertung, während Finanzverantwortliche häufig ein skeptisches bis negatives Urteil fällen. Es fehlt an neutralen Einschätzungen.

Diesem Dilemma lässt sich nur entrinnen, wenn mit praxisgerechten Methoden der subjektive Anteil an den Einschätzungen verringert wird. Schon aus Gründen einer gemeinsamen Strategie wird ein Konsens in der Wertschätzung der IT - sowohl generell als auch bezogen auf die Einzelinvestitionen - immer notwendiger.

Eine tragende Rolle spielt dabei das Thema Governance. Aber deren Ansätze können nur funktionieren, wenn nicht nur die Ziele von Business und IT miteinander verzahnt werden. Vielmehr muss darüber hinaus auch klar sein, mit Hilfe welcher Wertbeiträge die IT den Geschäftsstrategien sinnvoll Rechnung tragen kann. Wieder einmal zeigt sich hier, wie wichtig ein wertorientiertes Projektportfolio-Management ist, um die Wirkungszusammenhänge von IT-Investitionen und Nutzen der IT transparent zu machen.

So logisch diese Aussage ist, so schwierig erweist sich ihre Umsetzung. Es fängt an mit der Frage, was überhaupt der Wertbeitrag der IT bedeutet Es gibt nicht die eine und einzige Kennzahl zum Messen und Steuern des Unternehmenserfolgs. Genauso undenkbar ist eine einzige Kennzahl, um den Wertbeitrag einer IT-Investition seriös auszudrücken. Die Realität ist viel zu komplex, oft gibt es vielschichtige und veränderliche Einflussfaktoren. Deshalb muss bei den Verantwortlichen auf allen Ebenen ein gemeinsames Verständnis über Wertbeiträge und deren Zusammenhänge geschaffen werden.

Basismethoden der Investitionsrechnung

Welche Methoden gibt der Investitionsrechnung gibt es eigentlich? Da wären zunächst die Basismethoden. Dazu zählen zum einen die statischen Verfahren wie Kostenvergleichsrechnung und Gewinn- oder Renditevergleich.

Zum anderen gibt es dynamische Verfahren, die eine zeitdifferenzierte Betrachtung der anfallenden Kosten- und Nutzeneffekte sowie eine Diskontierung berücksichtigen. Beispiele dafür sind Discounted Cash Flow ("Barwert") oder NPV (Net Present Value). Diese Methoden haben die Vorteile der einfachen Kosten-Nutzen-Aussagen und monetären Bewertungen von Investitionen auf ihrer Seite. Allerdings steht und fällt die Ergebnisqualität mit den Annahmen und der Prognosefähigkeit. Zudem ist dem spezifischen Risikoprofil jeder einzelnen Investition Rechnung zu tragen.

Daneben gibt es kostenorientierte Methoden wie Total Cost of Ownership (TCO), Aufwandsschätzverfahren (Function Point, Cocomo) oder die Prozesskostenrechnung. Diese Verfahren werden gern genutzt, bedeuten durch ihren speziellen Blickwinkel jedoch jeweils eine bestimmte Akzentuierung der Investitionskostenbewertung.

Angereichert werden können diese Basismethoden um Sensitivitätsanalyse und Simulation, wobei letztere auf Modellierung und Quantifizierung durch Zufallswerten basiert. Solche erweiterten Methoden sind eine sinnvolle Ergänzung, wenn es um die Validierung von Entscheidungsvorlagen und Investitionsrechnungen geht. Sie sind aber zum Teil sehr aufwändig und erfordern mathematisch-statistische Kenntnisse. Ein Hinderungsgrund für den Einsatz ist auch, dass das Management diesen Verfahren häufig misstraut, weil die Ergebnisse nur schwer nachvollziehbar sind.

Keine Methode überzeugt wirklich

Es gibt zahlreiche wertbasierte Methoden für das Projektportfolio-Management auf dem Markt. Allerdings hat sich in der Unternehmenspraxis noch keine wirklich durchgesetzt. Denn alle sind sie entweder exakt und umfassend oder einfach und ungenau. Gerade komplexe Methoden finden nur geringe Akzeptanz in der Praxis, weil die Bewertung von IT-Investitionen und die mathematischen Berechnungsverfahren zu aufwändig sind. Die dafür notwendige Zeit will kaum ein Unternehmen investieren. Einfachere Vorgehensweisen wie die Nutzwertanalyse oder die Scoring-Modelle sind stärker verbreitet, werden aber wegen ihrer Subjektivität und Manipulierbarkeit häufig kritisiert.


Wertorientierte Verfahren zur Bewertung von IT-Investitionen

Ganzheitliche, wertorientierte Ansätze zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von IT-Investitionen setzen auf den Basismethoden und erweiterten Methoden der Investitionsrechnung auf. Dazu gehören insbesondere:

  • Total Cost of Ownership (TCO): Dieses Modell betrachtet bei einer IT-Investition sowohl die heutigen als auch die künftig anfallenden Kosten, um die Kostenstruktur transparent darzustellen. Es erweitert den Analyseumfang um den Kostenanteil, der durch Wartung, Support, Weiterentwicklung und Ablösung entsteht. Es gibt hierfür Ansätze von Gartner und Forrester, die sich nur in Nuancen unterscheiden. Positiv am TCO-Modell ist sein Ziel, die Kostenanalyse zu strukturieren. Indem das Modell die direkten und indirekten Kosten einbezieht, führt es zu einer ganzheitlichen Kostenstrukturanalyse. Nachteilig ist die Beschränkung auf die reinen Kosten einer IT-Infrastruktur. Zum Nutzen, der von einer betriebswirtschaftlichen Sicht her mit einbezogen werden müsste, werden keine Aussage gemacht.

  • Total Economic Impact (TEI): Dieses Verfahren wurde 1997 von der Giga Group konzipiert und von Forrester weiterentwickelt. Es konzentriert sich auf die vier Bausteine Kosten, Nutzen, Flexibilität und Risiko, aus denen der TEI ermittelt wird. Der Vorteil liegt in der ganzheitlichen Betrachtung und pragmatischen Herangehensweise der Risikobewertung. Nachteilig ist, dass für die quantitative Bewertung des Nutzens keine allgemeingültigen Regeln bestehen und die Berechnung der Flexibilität mathematisch sehr komplex ist.

  • Rapid Economic Justification (REJ): 2003 vom Microsoft Business Value Center of Excellence entwickelt, zielt diese Methode darauf ab, den Wert eines Investments auf eine pragmatische Weise dem notwendigen Ressourceneinsatz und den Kosten gegenüberzustellen. Weil diese Methode einem Rollenmodell unterliegt, werden alle Stakeholder eingebunden. Je nach Investitionsvorhaben und Organisationsmodell kann der Einsatz von REJ sehr umfassend sein.

  • Total Value of Opportunity (TVO): Dieser Ansatz von Gartner baut auf der TCO-Methode auf und ergänzt sie durch Berücksichtigung der Dimensionen Nutzenbewertung, Risikobetrachtung und künftige Entwicklungen. Das sehr pragmatische Modell gibt konkrete Empfehlungen und Vorgaben zur Ermittlung von Kennzahlen und zur Vorgehensweise. Zu den Nachteilen gehört, dass die Anforderungen der Investitionsbetrachtung zu kurz kommen sowie die Berechnung der Optionen sehr aufwändig werden kann.

  • Business Value Index (BVI): Diese Methode wurde durch die IT-Organisation von Intel. Sie erweist sich als einfach zu nuten. Die Ermittlung des Business Value umfasst sowohl materielle als auch nicht materielle Kriterien wie Kundenanforderung, Umsatzpotential, strategische Abdeckung und Risiken, die über gewichtete Bewertungen zu einer Kennzahl verdichtet werden. Der finanzielle Wert wird dabei bewusst nicht mit dem Business Value gleichgesetzt. Schließlich gibt es auch Projekte, die finanziell nicht attraktiv sind, trotzdem aber über einen hohen Wert für das Business haben.

  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (WiBe): Die WiBe wurde 1992 von der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik im Bundesministerium des Inneren entwickelt und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Die WiBe konzentriert sich auf die Bewertung von Kosten und Nutzen einer IT-Maßnahme unter Verwendung eines umfangreichen Kriterienkatalogs. Hierbei werden alle Aspekte des TCO-Ansatzes berücksichtigt. Im Vergleich zu anderen Methoden berücksichtigt die WiBe den Dringlichkeitsaspekt. Andererseits hat sie eine Reihe von Nachteilen. Dazu zählen die fehlende Bewertung von Handlungsoptionen und die wenig ausgeprägte Risikobetrachtung.

  • Cranfield‘s Benefits Management (CBM): Grundannahme dieser Methode ist, dass sich ein Nutzen niemals allein aus der IT ergibt, sondern immer nur durch die gleichzeitige Änderungen von Organisationsstrukturen und Prozessen. Nutzen wird dabei definiert als Vorteil im Sinne eines Stakeholders oder einer Gruppe von Stakeholdern. CBM vernetzt verschiedene relevante Management-Disziplinen zu einem ganzheitlichen IT-Management-Ansatz. Zu den Vorteilen der Methoden gehören der klare Fokus auf Nutzen und Veränderungen sowie der Einsatz von Ursache-Wirkungs-Netzen. Nachteilig ist der umfassende Ansatz, dessen Implementierung sich zu einer komplexen Angelegenheit auswachsen kann.

  • Val-IT: Das Val-IT Framework wurde vom IT Governance Institute (ITGI) ab 2006 entwickelt und kann von der Hompage der Isaca kostenpflichtig heruntergeladen werden. Es ist relativ jung und damit noch nicht weit verbreitet. Da es aber in Anlehnung an CoBIT entwickelt wurde, kann eine weitere Verbreitung sicher angenommen werden. Val-IT verfolgt den Ansatz, Investitionen in einem Portfolio zu managen und so alle Aktivitäten zu verfolgen, die für die Wertschöpfung notwendig sind. Die Methode besteht aus drei Kernprozessen mit zusammen 41 Management-Praktiken. Vorteilhaft ist, dass den einzelnen Praktiken konkrete Verantwortliche zugewiesen werden (Rollenmodell). Es sind aber erst wenige Anwendungsfälle bekannt, zu wenige für eine detaillierte Beurteilung.

Nicht das Rad neu erfinden wollen

Der Vorteil von TCO ist die Einfachheit. Aber dafür ist die Methode auch sehr allgemein.
Foto: Ardour

Unglücklicherweise leiden alle Verfahren, die den Wert einer Investition quantifizieren und monetär bewerten, darunter, dass die Kosten ungenau prognostiziert werden; zudem lassen sich die Werte wegen unzureichender Transparenz der Annahmen und Berechnungen nach einiger Zeit schon nicht mehr nachvollziehen. Das Grundproblem besteht allerdings darin, exakte Prognosen über Kostenauswirkungen und Nutzeneffekte abzugeben. Und dieses Problem wird umso größer, je weiter der Planungshorizont reicht.

Auf der anderen Seite dürfen diese Tatsachen nicht als Begründung dafür dienen, einfach auf ein wertorientiertes Projektportfolio-Management zu verzichten. Denn die Frage nach dem Wertbeitrag einer IT-Investition wird sich künftig häufiger denn je stellen. Es gilt also, einen praktikablen Weg zu finden, diesen Wert zu ermitteln.

Der gangbare Weg dürfte so aussehen, dass die Portfolio-Manager eine eigene Methode zusammenbauen, mit der sich die jeweiligen unternehmensindividuellen Besonderheiten und Erfordernisse abbilden lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass vorher schon Planungs- und Steuerungsprozesse etabliert wurden, die auf einem gemeinsamen Verständnis von Kosten und Nutzen aller Verantwortlichen beruhen.

Das heißt nun aber nicht, dass die Unternehmen das Marktangebot völlig außer Acht lassen sollten. Vielmehr ist es sinnvoll, sich der vorhandenen, vor allem der kostenlosen Tools mit fertigen Templates zu bedienen, sofern sie zu den Erfordernissen und den gelebten Begrifflichkeiten passen. Im Bedarfsfall können sie auch individuell angepasst werden, beispielsweise für die Phasengliederung. Eine eigene Methode von Grund auf zu entwickeln wäre zu teuer und würde zu viel Zeit verschlingen - auch wenn dies von Beratern gerne angeboten wird.

Die wesentlichen Anforderungen

Beim Design des unternehmensindividuellen Ansatzs für das Projektportfolio-Management sind im Wesentlichen folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

Querschüsse und Machtkämpfe

Ein solches auf die unternehmensspezifischen Bedingungen ausgerichtetes Projektportfolio-Management ergibt in vielfacher Hinsicht Sinn. Unter anderem deshalb, weil es besser Bedingungen berücksichtigen kann, die sich in keiner Standardmethodik ausreichend wiederfinden. Dazu zählen die Politik- und Principal-Agent-Probleme.

Das politische Verhalten von Entscheidungsträgern oder Unternehmensbereichen zieht Aktivitäten außerhalb der formalen Machtstrukturen in einem Unternehmen nach sich. Sie führen zu Effekten wie dem Entzug von Ressourcen, dem Verzögern von Entscheidungen oder einem ständigen Infragestellen bereits getroffener Entscheidungen. Solche Einflüsse erschweren eine objektive Bewertung der Kostenschätzungen und Nutzeneffekte sowie die spätere Umsetzung.

Gleiches gilt für das Principal-Agent-Problem. Es resultiert aus den unterschiedlichen Interessen der Protagonisten beziehungsweise aus Zielkonflikten zwischen einzelnen Stakeholdern oder Gruppen von Stakeholdern. Ein häufiges Problem besteht beispielsweise darin, dass einzelne Bereiche sich selbst optimieren und dabei nicht immer das Gesamtoptimum des Unternehmens im Blick haben.

Als Konsequenz aus diesen allerorts anzutreffenden Bedingungen dürfen die Verfahren für das Projektportfolio-Management, realistisch betrachtet, nicht von einer homogenen Entscheidungsstruktur ausgehen. Um ein klares Entscheidungsmodell zu etablieren und einzuhalten, ist die sicht- und spürbare Unterstützung durch das Top-Management unabdingbar. Eine neutrale Beurteilung braucht eine unabhängige Kontrollfunktion im Unternehmen. Sie kann beispielsweise in der Revision, im Controlling oder in einem operativ nicht tätigen IT-Governance-Bereich angesiedelt sein.

Sind diese Maßnahmen gegenüber ergebnisverantwortlichen Bereichen nicht durchsetzbar, sollte in jedem "Machtbereich" eine eigene Methode eingesetzt werden, die gegebenenfalls mit den anderen abzugleichen ist. Übergreifende IT-Investitionen würden dann individuell ausgehandelt und budgetiert. (qua)