Arbeitgeber müssen mehr tun

Weiterbildung statt Leiharbeit

14.04.2010 von Hadi Stiel
IT-Anbieter sollten ihre Computerfachleute lieber verstärkt weiterbilden, als nach kurzfristigen Sparmöglichkeiten zu schielen.
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Die Weltmarktkrise hat sich in Deutschland bisher nicht so schädlich auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt wie in anderen EU-Ländern. Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh. So sehen die Bundesregierung und Analysten den Negativschub auf dem deutschen Arbeitsmarkt erst noch kommen. Sie gehen von einer Arbeitslosenquote um zehn Prozent aus, wie derzeit in den USA und im EU-Schnitt. Damit ist es auch zu früh, für den IT-Arbeitsmarkt Entwarnung zu geben.

Mit einem prognostizierten Marktwachstum in Deutschland in diesem Jahr von lediglich 1,4 Prozent werden die Unternehmen an den IT-Personalkosten und IT-Investitionen sparen, steht zu befürchten. Dann werden auch die Aufträge für IT-Hersteller und IT-Dienstleister gering ausfallen. Laut IDC sollen in Deutschland die IT-Ausgaben bis einschließlich 2012 pro Jahr nur um 3,3 Prozent steigen. Die Bereitschaft, eigene Spezialisten zu halten oder neue einzustellen, könnte so in den Unternehmensführungen nachlassen. "Die Stunde der Wahrheit kommt noch für alle Unternehmen und Anbieter", warnt Rudolf Ruter, Partner bei Ernst & Young und zuständig für den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland. Gigantische Unterstützungsleistungen des Staates wie Kurzarbeitergeld über alle Branchen, Abwrackprämie für die Automobilindustrie, Rettungsfonds und Consumer-Programme hätten bisher die wirtschaftliche Situation geschönt und dem Arbeitsmarkt geholfen. Er sieht in der Zeitarbeit weitere Alarmsignale für den deutschen Arbeitsmarkt inklusive dem IT-Bereich: "Unternehmensführungen signalisieren damit eine schwindende Bereitschaft, in eigenes Personal zu investieren." Die meist deutlich schlechter bezahlten Leiharbeitsplätze haben sich in Deutschland von 2003 bis 2009 mehr als verdoppelt.

Diese Politik sei für die IT gefährlich, warnt Mathias Hein, freiberuflicher IT-Berater in Neuburg an der Donau: "Qualifizierte IT-Kräfte reifen über fünf bis sieben Jahre in ihrem speziellen Arbeitsumfeld heran. Ihre Aufgaben können von Leiharbeitskräften nicht einmal annähernd bewältigt werden." Die Folge sei Qualitätsverlust. Outsourcing sei unter diesen Umständen schädlich: "Unternehmen und IT-Anbieter ziehen sich darüber aus der Personalverantwortung zurück." Dabei müssten gerade in Krisenzeiten nicht nur Corporate Responsibility, also die Eigenverantwortung für unternehmerisches Handeln, sondern auch Corporate Citizenship, also die Verantwortung für die Gesellschaft, groß geschrieben werden. So hat nach dem Marktinstitut Eito (European Information Technology Observatory) der deutsche Outsourcing-Markt 2009 um sieben Prozent zugelegt. Andererseits registriert Hein, dass immer mehr Menschen von den Unternehmensführungen erwarten, dass diese einen substanziellen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten: "Auch Kunden, Mitarbeiter und Investoren fordern vermehrt, dass die Geschäftslenker nicht nur eine langfristige unternehmerische Verantwortung, sondern auch eine langfristige Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen."

Microsoft vermisst Ausbildungsoffensive

Als Beispiel sei der Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung (AKNU) der Schmalenbach-Gesellschaft (www.aknu.org) genannt, in dem sich 150 Unternehmen, Organisationen und Interessensgruppen für ein nachhaltiges unternehmerisches und soziales Handeln starkmachen. Ihre langfristige ökonomische, soziale und ökologische Strategie spiegelt sich auch in ihrer Personalpolitik wider. IT-Hersteller und IT-Dienstleister sind allerdings innerhalb des AKNU kaum vertreten.

Marcel Schneider, Microsoft: "Wir müssen die Mint-Fächer, das sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, stärker fördern:"

Im IT-Bereich setzt man weiterhin auf die Kräfte eines freien Marktes. Insbesondere Softwareanbieter sind bisher weniger von der Finanz- und Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen worden als viele andere Wirtschaftszweige. Marcel Schneider, Mitglied der deutschen Microsoft-Geschäftsführung, vermisst aber eine Aus- und Weiterbildungsoffensive der IT-Anbieter wie der Anwenderuternehmen für ihre geschäftswichtige IT: "Neue Technologien wie Virtualisierung, Cloud Computing und Collaboration stellen höchste Ansprüche an IT-Experten. Sie müssen die dafür notwendige Software durchdringen, damit sie im Dreiecksverhältnis von bestehender IT, Organisation und Geschäftsstrategie professionell und gewinnbringend eingesetzt werden kann."

Beispielsweise hat Microsoft das Portal MSEmploy eingerichtet. Es besteht aus drei Säulen: der Vermittlung von IT-Fachkräften, dem Traineeprogramm SmartStart und dem Weiterbildungsprojekt SmartStep. Das Portal haben bisher knapp 900 Partner für Stellen- und Trainee-Ausschreibungen genutzt. Mit Hilfe von SmartStep können sich Spezialisten zudem Zusatzqualifikationen durch flankierende Schulungen und Trainingsmaßnahmen aneignen. Das Microsoft-Partnersystem umfasst 223.000 Beschäftigte und generiert knapp ein Siebtel des deutschen ITK-Umsatzes.

Schneider empfiehlt, "die so genannten Mint-Fächer - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - stärker zu fördern, besonders die Informatikausbildung an den Universitäten mehr am Markt und Arbeitsmarkt auszurichten".

Langsames Wachstum

IDC zieht ein eher pessimistisches Resümee aus der Lage der Weltwirtschaft und damit auch für die Stellen- und Berufschancen für IT-Spezialisten. Die IDC-Experten gehen davon aus, dass der IT-Markt langsamer wachsen wird. Weltweit gingen dadurch jährlich Umsatzpotenziale von 35 Milliarden Dollar verloren. Um überleben zu können, müssten die Anbieter ihre Offerten neu ausrichten, und zwar auf Bereiche mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten.

Chancen sieht IDC vor allem in den Schwellenländern sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen. Aber auch dort werde sich das Wachstum erheblich verlangsamen. Dafür sei der öffentliche Sektor durch staatliche Initiativen zur Ankurbelung der Wirtschaft und des Einsatzes neuer Technologien für die IT-Anbieter nach vielen Jahren wieder interessant.