Weg mit der defensiven Sparlogik!

05.01.2006 von Prof. Peter Bienert
Portfolio-Management ermöglicht eine IT-Führung, die sich an Werten statt an Kosten orientiert.

Die IT sitzt in der Kostenfalle: Sie zieht den Rotstift geradezu magisch an, denn als signifikante Einzelposition im Budget ist sie den Entscheidungsträgern ohnehin ein Dorn im Auge. Zudem mangelt es an Verständnis und Transparenz für ihren Wertbeitrag zur Gesamtleistung des Unternehmens. Dabei werden viele Sparprogramme mit dem Reifegrad einer Betaversion auf den Weg gebracht: Man sucht überflüssige Euros, nicht Antworten auf die Kernfrage betriebswirtschaftlich korrekter Budgetierung: "Wie viel IT bekommen wir eigentlich für unser Geld?" Auch eine IT, die ihre Kosten Jahr für Jahr um 35 Prozent kappen würde, bliebe so lange in der Sparspirale gefangen, bis sie ihren Leistungsbeitrag sichtbar erbrächte.

Hier lesen Sie...

  • warum die IT den Rotstift magisch anzieht;

  • was das Portfolio-Management dagegen ausrichtet;

  • inwiefern es sich um mehr handelt als eine Methode der Kostenkontrolle;

  • welchen Preis die Unternehmen dafür zahlen müssen.

Als strategische Aufgabe wird das Portfolio-Management von der IT-Governance aus gesteuert.

In seinem Buch "Technology Paradise Lost" rechnet Erik Keller gnadenlos mit dem IT-Overspending ab, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass eine Verminderung der IT-Ausgaben keineswegs bedeute, dass die Informationstechnik zu einem "normalen Gebrauchsgut" geworden wäre. Vielmehr seien die "großen Gewinner" wahrscheinlich die Unternehmen, "die es schaffen, mit weniger Kosten einen höheren Informationsgehalt aus der IT zu erzielen".

Kostenschnitte sind zwar unumgänglich, reichen aber für die Zukunftssicherung eines Unternehmens niemals aus. Es gilt also, die Ressourcen nach Maßgabe der Leistungsbeiträge zur Wertschöpfung des Unternehmens zu verteilen. Welche Vorhaben welchen Beitrag versprechen, entscheidet nicht die IT-Abteilung, sondern die Unternehmensführung; sie ist es auch, die deren tatsächliche Wirksamkeit überprüfen muss. Aber die IT ist gefordert, ein Rahmenwerk für die Entscheidungs- und Bewertungsgrundlagen zu schaffen. Dies ist das Aufgabenfeld des Portfolio-Managements.

Weit mehr als nur eine buchhalterische Pflichtübung

Die Grundlage des Portfolio-Managements ist die durchgängige Inventarisierung vorhandener sowie geplanter IT-Systeme, -Vorhaben und -Ressourcen. Diese "Assets" werden in einer Matrix den Daten gegenübergestellt, die nötig sind, um Prioritäten im Planungsprozess zu setzen, operative Projekte und Prozesse zu kontrollieren sowie deren Wertbeitrag zu ermitteln.

Schon das Metaprojekt-Management als Teildisziplin des Portfolio-Managements erfordert mehr als die reine Kostenanalyse. Um die Unternehmensführung mit sinnvollen Aussagen über den "Gesundheitszustand" aller Projekte zu versorgen, ist die Auseinandersetzung mit komplexeren Messgrößen wie Fertigstellungsgrad, Änderungsmaß und Termintreue notwendig. Das gilt vor allem für die Bewertung des "Strategical Alignment" (Abgleich geplanter Projekte mit den Grundzielen des Unternehmens) und die Formulierung zentraler "Key-Performance-Indikatoren" (KPIs). Diese beiden Komponenten unterscheiden das Portfolio-Management von der buchhalterischen Pflichtübung, die Projekte und Kosten nur auflistet.

Eine Schlüsselrolle in der Planungsphase spielt die enge Koordination mit der IT-Architektur. Anforderungen dürfen nicht linear auf die Liste der geplanten Vorhaben übertragen werden. Vielmehr ist eine bereichsübergreifende Bündelung aller Anforderungen nach funktionalen Leistungsgruppen wie dem Domänenmodell einer Service-orientierten Architektur nötig, um Prioritäten aus der Gesamtsicht des Unternehmens zu gewinnen.

"Hat sich die Einführung eines neuen CRM tatsächlich gelohnt?" - "Wie haben sich unsere Wartungskosten gemessen an der Funktionsmenge entwickelt?" - "Rechnet sich Outsourcing im Vergleich zu unserer eigenen Effizienz?". Die Antworten auf diese Fragen schaffen Transparenz. Doch die hat ihren Preis: Portfolio-Management heißt Systematik, Priorisierung und durchgängige Kontrolle. Damit ist es der natürliche Feind von persönlichen Vorlieben, Abteilungsdenken und rein technischen Motiven. Es kratzt an etablierten organisatorischen Strukturen. Deshalb wird es nur in enger Verbindung zu einer strategisch verstandenen IT-Governance wirksam, die weit über eine Kontrollstruktur zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben hinausgeht.

In den meisten Unternehmensbereichen ist die Verfolgung komplexer KPIs wie Umschlagshäufigkeit, Kapitalbindung und Lohnstückkosten gang und gäbe. Die IT hingegen muss an dieser Stelle Neuland betreten. Es lohnt sich: Leistungsnachweise sind eine felsenfeste Argumentationsbasis für Projekte, deren Mehrwert bisher nur schwer zu begründen war.

Schwer fällt jedoch die Suche nach passenden Kriterien für Leistung und Mehrwert. Die korrekte Ermittlung aller Eingangswerte ist ein Killerkriterium. Zu suchen ist ein Kompromiss zwischen soliden Aussagen mit ausreichendem Detailgrad und einem an der betrieblichen Realität orientierten Ermittlungsaufwand. Um den betrieblichen Ablauf nicht unnötig zu belasten, sollte die automatisierte Datenerhebung bevorzugt werden, beispielsweise durch Integration mit einer Helpdesk-Anwendung oder Auswertung von Zugriffs- und Nutzungsprofilen.

Schätzverfahren öffnen einen neuen Blick auf die IT

IT lässt sich schlecht in Zeit, Gewicht, Stückzahl oder Volumen messen. Kostenschätzungsverfahren wie die Function-Point-Methode bilden hier eine solide Basis, fristen aber immer noch ein Schattendasein. Dabei öffnen sie bei konsequenter Anwendung einen neuen Blick auf die IT: Was von einem Offshore-Angebot zu halten ist, das 200 Dollar pro Function-Point bei einer Fehlerbeseitigungsrate von 92 Prozent vor Erstauslieferung kostet, erschließt sich erst im Zusammenhang mit Vergleichsgrößen aus dem eigenen Haus.

Das Portfolio-Management erstreckt sich von der Idee bis zur Erfolgsmessung über den kompletten Produktlebenszyklus jeder IT-Leistungskomponente. Es steuert den Einsatz aller IT-Assets nach strategischen Kriterien.

Der Tool-Markt ist noch weitgehend unausgereift

Eine derart komplexe Prozesskette zwingt vor allem größere Unternehmen zum Einsatz von Werkzeugen. Nur wenige Produkte auf diesem jungen Markt sind von Grund auf für diesen Zweck entwickelt worden. Als aktueller Vergleichsmaßstab gilt das Produkt "Clarity" von Computer Associates (CA) - umso mehr, als CA es nach der Akquisition von Niku wohl mit anderen Management-Werkzeugen integrieren wird.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Es gibt keine Wunderheilung für wuchernde Kosten! Ein "gesundes" IT-Budget definiert sich allein über die Werthaltigkeit der Ausgaben.