Neues Lernmodell

Web 2.0 macht E-Learning mobiler

06.02.2008
Während elektronische Lernplattformen in den Unternehmen weitgehend etabliert sind, sind moderne Technologien des Web 2.0 für die meisten noch Zukunftsmusik. Doch das wird sich ändern. Web 2.0 und Social Software wie Wikis, Podcasts und Blogs verändern das E-Learning dramatisch.

Noch bestimmt das formale Lernen den Alltag in den Unternehmen. Das klassische Blended Learning verbindet Seminare und Workshops mit den Möglichkeiten des Computer-gestützten Selbstlernens wie Web-based Trainings (WBT). In vielen Unternehmen wird diese Form der betrieblichen Weiterbildung über Lernplattformen organisiert, wie sie die Saarbrücker IMC mit Clix oder Time4you mit dem IBT Server anbieten.

Doch das informelle Lernen gewinnt an Bedeutung. "Es wird zunehmend auch unabhängig und außerhalb von Lernplattformen gelernt - mit Wikis, Podcasts, Weblogs und anderen Web 2.0-Tools", berichtet Michael Kerres, Professor am Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissens-Management der Universität Duisburg-Essen. Er sieht daher die besondere Herausforderung für Unternehmen und Anbieter darin, informelles Lernen und die traditionellen Formen des E-Learning miteinander zu verknüpfen und dabei auch das Wissens-Management und die Personalentwicklung einzubeziehen. "Die Möglichkeiten des E-Learnings erweitern sich momentan deutlich. Das heißt aber nicht, dass die mittlerweile traditionellen Formen keinen Bestand haben werden", macht Kerres deutlich, dass dafür auch herkömmliche Lernplattformen eingesetzt werden können. Allerdings böten sich Ansätze an, die stärker auf Web 2.0 ausgerichtet sind.

Lutz Michel; D-Elan: Web 2.0 ist der Motor für neue Entwicklungen im E-Learning.

Lutz Michel, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Netzwerks der E-Learning-Akteure (D-Elan), sieht die Web-2.0-Tools als Ergänzung zu Lernplattformen. "Sie werden systematisch dort, wo es sinnvoll ist, integriert. Nach wie vor kommen Lernplattformen für das Kompetenz- und Trainings-Management, für die Verwaltung von Lerninhalten und Services, für prüfungsrelevante Prozesse oder auch zu Abrechnungszwecken zum Einsatz", betont er.

Die Web-2.0-Technologien ergänzen die bestehenden Systeme aber nicht nur, sie sind auch der Motor für neue Entwicklungen im E-Learning. D-Elan nennt in diesem Zusammenhang die elektronische Zusammenarbeit, Vernetzung, Virtualisierung und den von Benutzern erstellte Inhalt (User-Generated Content). Und auch das so genannte Microlearning, bei dem es darum geht, Lerninhalte in sehr kleine Informationseinheiten aufzuteilen, hat seinen Ursprung in gewisser Weise im Internet. "Dieses besteht per se aus vielen Inhaltehäppchen zum Beispiel in Blogs oder Communities, die bei den Nutzern sehr gut ankommen. Man würde eine Chance vergeben, wenn man sich um dieses Thema nicht kümmern würde", sagt Michel.

"Schon vor einigen Jahren ist deutlich geworden, dass vor allem kleinere Unternehmen sich die von ihnen benötigten Lerninhalte nicht von externen Dienstleistern erstellen lassen können", erläutert Lutz Goertz, Abteilungsleiter Bildungsforschung beim Institut für Medien- und Kompetenzforschung (MMB) den Trend zum User-Generated Content. Diese Unternehmen versuchten alle Möglichkeiten zu nutzen, sich ihre Lerninhalte maßgerecht selbst zu erstellen. Dazu gehören laut Goertz Werkzeuge des Web 2.0 wie Wikis oder Communities.

Anbieter binden Web-Anwendungen ein

Einige E-Learning-Anbieter haben bereits reagiert und ihre Produkte um Web-2.0-Schnittstellen und -Inhalte ergänzt. So präsentiert die Karlsruher Time4you AG in Hannover (Halle 6, Stand C45) ihr Produkt IBT Application Farm. Diese liefert ein Set von Schnittstellen zu etwa 15 verschiedenen Web-Anwendungen etwa für Blogging, Wikis und Content Management. Diese Anwendungen lassen sich nahtlos in die Lernplattform IBT Server integrieren. Die Application Farm ist eine der Neuheiten in der Version 12 der IBT Server Software. Hinzu kommen unter anderem zusätzliche Workflows auf der Basis von Anwenderbeispielen.

Andreas Herrmann: Das Lernen via Videokonferenzen und Webinaren steht erst am Anfang.

Aber auch bewährte Bestandteile der Lernplattform wie den IBT Collaboration Server können Messe-Besucher am Stand der Karlsruher kennen lernen. Diese Komponente ergänzt die Online-Lehr- und Lernmethoden durch Audio- und Videokonferenztechnik, ein interaktives Whiteboard und Application Sharing.

"Das synchrone Lernen über das Internet in Form von Videokonferenzen oder Webinaren steht in Deutschland erst am Anfang", ist Andreas Herrmann, Vice President für Geschäftsentwicklung der Netviewer AG, überzeugt. Das Unternehmen (Halle 3, Stand C63) hat vor Kurzem die Netviewer Academy gestartet. Dabei handelt es sich um ein Internet-Portal für Online-Seminare, auf dem Schulungsanbieter und Trainer ihre E-Learning-Angebote präsentieren und Seminare abhalten können. Netviewer nimmt ihnen dabei die organisatorische Abwicklung ab und stellt die Technologie zur Verfügung. Die Plattform basiert auf der Web-Conferencing-Lösung "Netviewer five", mit der sich Trainer und Teilnehmer im virtuellen Seminarraum treffen.

Netviewer five unterstützt Sprachübertragung mittels Full-Duplex VoIP, womit sich Telefonkosten deutlich einsparen lassen. Weitere Highlights sind die Multi-Video-Darstellung und ein Umfrage-Manager, mit dem der Dozent oder auch der Teilnehmer die Lernerfolge eines Webinars unmittelbar abragen kann.

Als zusätzliche Funktionserweiterungen stellt Netviewer einen Web-Kalender und eine Pre-Chat-Umgebung vor. Mit dem Web-Kalender können Unternehmen ihre Online-Meetings planen, verwalten und öffentlich machen. Der Chat ermöglicht spontane Anfragen. Weitere Cebit-Neuheiten von Netviewer sind der Live-Presenter - ein Portal für interaktive Live-Sendungen, das im zweiten Quartal verfügbar sein wird - und die Netviewer Single Event Edition. Diese ermöglicht Onlinekonferenzen und -schulungen für bis zu 1000 Teilnehmer.

E-Learning und Green IT

Der deutsche E-Learning-Primus IMC (Halle 6, Stand B36) hat sich für die CeBIT auf die Fahne geschrieben, die ökologischen Vorteile von E-Learning transparent zu machen. Wolfgang Krämer, Vorstandssprecher des Saarbrücker Unternehmens, ist überzeugt, das Learning Solutions eine Kernanwendung der Green IT werden. Schließlich sparen die entfallenden Geschäftsreisen und Präsenzveranstaltungen nicht nur Reisekosten, sondern auch CO2. Das machen die IMC-Lösungen durch integrierte CO2-Zähler nun auch für die Nutzer transparent.

Lutz Goertz, MMB: Mittelständler können es sich nicht leisten, Lerninhalte von externen Dienstleistern erstellen zu lassen.

Die Saarländer zeigen in Hannover ihre gesamte Palette vom integrierten Learning Management-System Clix über das Autorenwerkzeug Lecturnity, mit dem sich Lerninhalte erstellen lassen, bis zur Web 2.0 Content Community Slidestar. Ab April wird Clix 8 ausgeliefert. Einzelne Neuerungen sind aber bereits auf der CeBIT zu sehen - zum Beispiel das erweiterte Ressourcen- und Veranstaltungs-Management-Tool. Dem Hersteller zufolge werden in die Lernplattform immer mehr kollaborative Komponenten integriert, die es erlauben, formelles und informelles Lernen zu koppeln. Zudem wurde die Lern-Management-Lösung für Mashup-Technologien geöffnet. Diese versetzen Benutzer in die Lage, selbst neue Web-Seiten zu erstellen, die Daten und Dienste von unterschiedlichen Anbietern kombinieren. Als weiteres Wachstumsfeld im Bereich E-Learning hat IMC Serious Games entdeckt. Hier soll es bald ebenfalls Angebote aus Saarbrücken geben.

Auch am Stand des Content-Spezialisten Webacad (Halle 6, Stand C37/1) können sich Messebesucher über den Einsatz spielerischer Elemente im E-Learning informieren. Der selbständige Geschäftsbereich des Seminaranbieters Management Circle stellt zudem neue Beratungsleistungen vor – vor der Strategieentwicklung über die technische Konzeption bis hin zum Marketing-Plan für E-Learning-Projekte.

Die Know How! AG (Halle 6, Stand 35/1) zeigt unter anderem ihr Modell des Tandemlernens, bei dem zwei Lernpartner sich gegenseitig beflügeln. In zwei Vorträgen wird Vorstand Freder Tempel "Mediengestütztes Tandem-Lernen als aktuelle Form des kollaborativen E-Learning vor dem Hintergrund aktueller Web-2.0-Entwicklungen" auch im Rahmen des Forums in Halle 6 vorstellen (siehe Kasten).

Eurelea kommt nach Hannover

Nicht nur, dass die CeBIT die Themen E-Learning und Wissens-Management erstmals in einem eigenen Ausstellungsschwerpunkt zusammenfasst: Mit dem europäischen E-Learning-Award Eurelea kommt zudem eine der wichtigsten Branchenauszeichnungen nach Hannover. In den vergangenen Jahren wurde der Preis im Rahmen der Learntec verliehen. Prämiert werden innovative Aus- und Weiterbildungsangebote, die sich elektronischer Lehr- und Lernmittel bedienen sowie berufsqualifizierendes Wissen vermitteln.

E-Learning-interessierte Messebesucher – 2007 waren das nach Messeangaben rund ein Viertel aller Messegäste – finden in Halle 6 mit dem CeBIT-Forum Learning & Knowledge Solutions einen zentralen Anlaufpunkt. Das Vortragsprogramm besteht aus mehr als 50 Fachbeiträgen. Weitere Informationen finden Sie unter www.cebit-learningknowledge.de.