Cisco Expo 2008

Web 2.0 ist mehr als nur Social Networks

07.05.2008
Mit dem Web 2.0 und entsprechenden Collaboration-Tools wird die Wirtschaft laut Cisco-Boss John Chambers um 50 Prozent produktiver werden.

Unter dem Motto "Gemeinsam machen wir Zukunft" stand die diesjährige "Cisco Expo" in Berlin. Der entscheidende kommende Wettbewerbsfaktor - sowohl für einzelne Unternehmen als auch für ganze Volkswirtschaften - ist laut John Chambers, CEO von Cisco, das Thema Collaboration. "15 Jahre nach dem offiziellen Start des Internets hat jetzt die zweite Phase der weltweiten Netzwerkrevolution begonnen", so Michael Ganser, Deutschland-Geschäftsführer und Vice President Europe von Cisco. "Neue Collaboration-Formen wie Video und Web 2.0 werden nicht mehr von Unternehmen vorangetrieben, sondern von den Menschen, den Verbrauchern und vor allem der jungen Generation."

Cisco Expo 2008
Cisco Expo 2008
Über 3500 Besucher diskutierten auf der Cisco Expo in Berlin aktuelle IT- und TK-Trends.
Cisco Expo 2008
Positive Stimmung verbreiteten Cisco-Chef John Chambers und Michael Ganser auf der Cisco Expo in Berlin: In Sachen Innovationskraft sei die deutsche Industrie wieder auf Platz Zwei.
Cisco Expo 2008
Einem Prediger gleich schwor Cisco-Boss John Chambers die Besucher auf die Collaboration-Zukunft ein.
Cisco Expo 2008
Auf der Cisco Expo demonstrierte Cisco-Boss Chambers wie im Unified-Communication-Zeitalter auf dem Desktop unterschiedliche Kommunikationsmedien wie Video, Voice, E-Mail SMS, etc. verschmelzen.
Cisco Expo 2008
Ein breite Raum nahm auf der Cisco Expo das Thema TelePresence ein. Das Highend-Videokonferenzsystem sollte als Unified-Communication-Lösung zeigen, wie sich IT zur Reduzierung der CO2-Emissionen nutzen lässt.
Cisco Expo 2008
Mit dem Nexus 5000 will Cisco unter dem Schlagwort "unified fabric" verschiedene RZ-Technologien wie FibreChannel durch Data Center Ethernet (DCE) ablösen.

Allerdings scheint Deutschland in diesem Punkt ein Problem zu haben. Zwar attestiert das Weltwirtschaftsforum der deutschen Industrie in Sachen Innovationskraft mittlerweile den zweiten Platz im internationalen Vergleich, doch beim Zukunftsthema Collaboration belegt Deutschland im europäischen Vergleich nur in einer Disziplin einen Spitzenplatz: "Geht es um die Ignoranz gegenüber dem Thema, dann liegt Deutschland auf Platz eins", beklagt Ganser. Und dies auf einem Gebiet, von dem Chambers überzeugt ist, dass es "alle Geschäftsmodelle komplett verändern wird".

Eventuell hat aber die ITK-Industrie an dieser Haltung in Deutschland teilweise selbst Schuld. So wurde Cisco auf seiner Hausmesse nicht müde, die Bedeutung eines intelligenten Netzes als Plattform für die gesamte Kommunikation zur Zusammenarbeit zu betonen, doch konkret reduzierte sich dies in vielen Vorträgen und der begleitenden Ausstellung dann eher auf die Themenkomplexe Green IT und TelePresence. Vor allem Ciscos Highend-Videokonferenzsystem nahm auf der Expo einen breiten Raum ein. Das System, über das Konkurrenten aufgrund seiner komplexen Installationsvorschriften bis hin zur Raumgestaltung schon mal als "Videoconferencing by Segmüller" (Anm. d. Red.: bei Segmüller handelt es sich um ein großes süddeutsches Einrichtungs- und Möbelhaus) lästern, diente als Paradebeispiel dafür, wie sich per IT der CO2-Ausstoss reduzieren lässt.

Die Collaboration-Zukunft

Dass Collaboration und Unified Communication mehr ist als ein Videokonferenzsystem der Luxusklasse - das zugegebenermaßen in Live-Demonstrationen immer wieder aufs Neue fasziniert -, wurde auf der Cisco Expo lediglich in Chambers Keynote andeutungsweise deutlich. Der CEO demonstrierte, wie ein vernetzter Arbeitsplatz in zwölf bis achtzehn Monaten aussehen könnte. Dann, so die Vision Ciscos, laufen die verschiedenen, vernetzten Kommunikationsmedien wie Video, RSS-Feed, SMS, VoIP oder E-Mail auf dem Desktop zusammen und werden dort als Widgets organisiert. Ergänzt wird das Ganze beispielsweise durch Adressbücher, Kontaktlisten sowie virtuelle Arbeitsräume zur Diskussion und Whiteboards zum gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten. Glaubt man den Worten Chambers, dann dient diese Oberfläche, die als Weiterentwicklung des heutigen "MeetingPlace" betrachtet werden kann, auch als Bindeglied zwischen verschiedenen Kommunikationsarten: Auf diese Weise soll es möglich sein, dass etwa eine Videokonferenz zwischen einem TelePresence-System und einem Handy mit Videokamera stattfindet.

Basistechnik WebEx

Vorzeigeanwendung in Sachen Collaboration ist Ciscos Highend-Videokonferenzsystem Telepresence.
Foto: Cisco

Hinter dem Ganzen steckt letztlich Technologie, die Cisco mit der Übernahme von WebEx erwarb, die für Chambers eine der "besten Akquisitionen" der letzten Jahre ist. WebEx ermöglicht nämlich das virtuelle Zusammenarbeiten in Konferenzschaltungen auch über relativ schmalbandige Verbindungen. Mit der WebEx-Lösung vertraute Anwender berichten sogar davon, dass sie bereits über GPRS erfolgreiche Konferenzschaltungen realisiert hätten. Das technische Geheimnis dahinter ist, dass WebEx auf einem globalen, privaten Netz basiert und konstant im Hintergrund die Daten eines virtuellen Meetings überträgt. Bei Veränderungen an einem Dokument muss so nicht die komplette Datei neu übertragen werden, sondern nur die neue Information. Offen blieb bei Chambers Vortrag jedoch, wie die WebEx-Technik in eine künftige MeetingPlace-basierende Collaboration-Plattform integriert werden soll. Stand heute handelt es sich bei WebEx nämlich um eine Hosted-Plattform, mit der sich Cisco als Service-Provider betätigt. Zieht man dann Chambers strategische Ankündigungen der letzten Zeit mit ins Kalkül, dass sich Cisco zu einem IT-Player wandeln müsse, dann stellt sich die Frage, ob es die WebEx-Technologie künftig auch als Server-Applikation oder als Service für die größeren Enterprise Switches und Router geben wird.

Ciscos DataCenter-Strategie

Deutlicher sichtbar wird die Ausrichtung von Cisco als IT-Player in Sachen DataCenter. Mit der Strategie DataCenter 3.0 will die Company den Anforderungen einer Service-orientierten, Web-2.0-basierenden Applikationswelt in den Rechenzentren gerecht werden. So soll es die Cisco-Technik erlauben, regelbasiert und dynamisch auf die unterschiedlichen Anwendungsanforderungen zu reagieren und dadurch die Ressourcen den jeweiligen Applikationen besser zuweisen und skalieren zu können. Zudem trage man mit DataCenter 3.0 dem Trend Rechnung, dass Web- und XML-Anwendungen mehr Kommunikation zwischen Geräten wie Servern und Speichern verursachen. Hierzu hat Cisco mit dem Data Center Ethernet (DCE) ein eigenes Protokoll entwickelt, das einen schnellen und verlustfreien Datentransport im Rechenzentrum garantieren und damit eine Alternative zu Infiniband oder FibreChannel sein soll. Bereits 2009 werden in diesem Bereich laut Cisco 10-Gigabit-Anschlüsse zum Standard gehören, 2011/12 soll dann die 40-GBit-Schallmauer durchbrochen werden. Neben dem Leistungsschub wartet DCE nach Angaben der Networking-Company noch mit einem weiteren Vorteil auf: Da bisherige Übertragungsverfahren in DCE gekapselt werden, lasse sich so die Zahl der I/O-Karten in Servern drastisch reduzieren, was Kosten und Energie einspare. Gleichzeitig lasse sich dank der höheren Geschwindigkeiten mehr Anwendungsintelligenz wie Replikation und Backup von den Servern in die Switches im Netz verlagern. Eigene Server oder Plattenspeicher, so Cisco werde man allerdings nicht anbieten. Allerdings hat der DCE-Ansatz einen Schönheitsfehler: Das Protokoll ist noch nicht standardisiert. Experten rechnen frühestens in einem Jahr mit einer entsprechenden Spezifikation.

Mit ihrer DataCenter-Strategie will die Company in fünf Jahren zum führenden Ausstatter für Rechenzentren avancieren. Damit würde sich Cisco nicht nur einen lukrativen Markt - rund 70 Prozent der IT-Budgets fließen heute in die Rechenzentren - erschließen, sondern gleichzeitig seine Position in den Unternehmen verstärken. Während ein Switch heute eher leicht gegen ein Konkurrenzprodukt ausgetauscht ist, hat die RZ-Ausstattung für das Gros der Anwender strategische Bedeutung. Auf lange Sicht gibt dann auch die starke Betonung des Themas TelePresence auf der Cisco Expo Sinn. Mit dem Videokonferenzsystem, das primär auf der Entscheidungsebene der hohen Führungskräfte (CxO) verkauft wird, hält auch der CallManager, Ciscos IP-Kommunikationssoftware, bei den Anwendern Einzug und legt ein Unternehmen in Sachen VoIP oder Unified Communication auf die Cisco-Welt fest. (hi)