Karriere als Berater

Was zählt mehr - Projekterfahrung oder Prozesswissen?

15.05.2009 von Gabi Visintin
Auch wenn sich die Anforderungen zunehmend angleichen - es ist nicht egal, ob ein Berater im Anwenderunternehmen oder in einer Consulting-Firma arbeitet.

Administrations- und Wartungsaufgaben bestimmen den Arbeitsalltag vieler Computerfachleute in Anwenderunternehmen: "Der Anteil an Supporttätigkeiten ist dort oft noch recht groß, und der Job ist in der Regel gleichförmiger als im Beratungshaus", erklärt Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Bonner Personalberatung 1 a Zukunft. Doch je größer das Anwenderunternehmen, um so eher wird diese Regel durchbrochen. So berichtet Uwe Holländer, bei Bayer auf IT-Recruiting spezialisierter Personaler, dass der Chemiekonzern eine eigene IT-Beratungsabteilung mit rund 30 Mitarbeitern betreibt und gezielt SAP-Berater einstellt. Angesichts der 350 Ländergesellschaften von Bayer weltweit sieht der Arbeitsalltag der SAP-Berater ähnlich aus wie der ihrer Kollegen in den Consulting- und Systemhäusern. "Unsere Mitarbeiter sind viel und international unterwegs, konzipieren Projekte, rollen sie aus und lernen unterschiedliche IT-Themen kennen."

Der Hauptunterschied zwischen internen und externen Beratern liegt im unternehmensspezifischen Know-how: Beim Anwender haben das Domänen-Wissen über die eigene Branche und auch das betriebsinterne Prozesswissen größeres Gewicht als im Beratungshaus. Bei Bayer sind deshalb viele SAP-Berater ausgebildete Chemiker - eine gute Ausgangsbasis für die Kommunikation der SAP-Experten mit den Naturwissenschaftlern des Konzerns, mit denen sie gemeinsam branchenpezifische Anwendungen entwickeln oder einführen.

Thomas Fellger, Bebit: 'Projekterfahrung ist im Beratungshaus wichtiger als Branchenkenntnisse.'
Foto: bebit

Branchenwissen ist auch bei den System- und Beratungshäusern gefragt. Bei der Einstellung ist es jedoch nicht die Hauptsache. "Für uns hat nicht das tiefe Fach- oder Branchenwissen Vorrang, sondern die praktische Projekterfahrung", erläutert Thomas Fellger, Leiter Enterprise Solutions beim Mannheimer IT-Dienstleister Bebit. Er wirft deshalb zuerst einen Blick auf die Projektreferenzlisten. Wenn sich Bewerber "mit Erfahrung" bei ihm melden, stellt er beispielsweise genaue Fragen aus dem Beratungsalltag wie diese: "Welche konkreten Anforderungen hat der Kunde gestellt, wo gab es Probleme oder Konflikte, welche Verantwortung haben Sie im Projekt übernommen?" Wer beim Kunden im Einsatz war, beweist für ihn auf jeden Fall Kommunikationsfähigkeit, aber auch Belastbarkeit.

Dirk Osterkamp, Lynx: 'Ein Berater sollte über ein breites Wissen verfügen und vernetzt denken können.'

Auch Dirk Osterkamp, Geschäftsführer der Lynx GmbH , SAP-Dienstleister aus Bielefeld, geht ähnlich an Bewerbergespräche heran. Das einzelne Modulwissen reicht seiner Meinung nach nicht mehr aus: "Es ist wichtig, dass sich Berater nicht nur in einem Modul bewegen, sondern ein breites Wissen mitbringen und vernetzt denken." Deshalb rät er speziell den SAP-Beratern, Brücken zu anderen Disziplinen zu schlagen: "Zum Beispiel sollten Finanzexperten auch Wissen rund um die Unternehmensplanung aufbauen und so ihr Lösungs-Know-how stärken."

Zertifizierungen sind hilfreich

Auch Zertifizierungen sind auf dem Qualifikations-Tableau nicht außer Acht zu lassen, auch wenn Anwenderfirmen wie Bayer weniger davon halten. "Eine Zertifizierung allein ist dünn", meint Bayer-Personaler Holländer. Bebit-Berater Fellger betont, dass sein Arbeitgeber Bewerber ohne SAP-Zertifizierung einstellt, solche Bescheinigungen hätten aber eher eine Testfunktion: Sie belegen das Weiterbildungs-Engagement eines Bewerbers. Und auf noch einen Gesichtspunkt weist Fellger hin: "Aus Kundensicht sind Zertifikate, die das Fachwissen unserer Berater auszeichnen, hilfreich, bei öffentlichen Ausschreibungen sind sie sogar vorgeschrieben."

Dagmar Schimansky-Geier, 1 a Zukunft: 'Beraterjobs beim Anwender können etwas gleichförmiger sein.'

Fakt ist, dass System- und Beratungshäuser mehr Berater suchen als Anwenderunternehmen. "Im Grunde genommen ist das keine Überraschung: Anwender konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft und versuchen, ihre IT-Mannschaften schlank zu halten", erläutert Personalberaterin Schimansky-Geier. Die Hauptaufgabe der Dienstleister sei das Gegenstück dazu: Sie bieten den Anwendern ihre Hilfe an und bauen ihre IT-Teams aus, je mehr Anwender nach Unterstützung fragen. "Heute spielt die IT in den Unternehmen eine zentrale Rolle, und der Stellenwert der IT-Abteilung und der CIOs ist gestiegen", betont sie. Das schmälere jedoch nicht die Rolle der externen Berater. Im Gegenteil: Weil die IT heute die meisten Betriebsprozesse unterstützt und sich kontinuierlich an den Unternehmenszielen ausrichten muss, so die Bonner Beraterin, habe mit dem IT-Wandel auch die Bedeutung der Beratungshäuser zugenommen. Externe Mannschaften leiteten internationale Rollouts oder Re-Engineering-Projekte für die Optimierung von Geschäftsprozessen, und wenn es sich anbietet, erarbeiten sie für ihre Kunden auch Outsourcing-Konzepte samt Umsetzungs- und Betreuungsplänen. Die besondere Rolle der externen Consultants für die Anwender gründet dabei auf ihrem Prozesswissen und ihren umfangreichen Erfahrungen aus unterschiedlichsten Projekten und Branchen, die sie in firmenspezifische IT-Konzepte einfließen lassen.

Tatsache ist aber auch, dass die Unterschiede zwischen den Beraterjobs in den Systemhäusern und ihren Kolleginnen und Kollegen bei den Anwendern kleiner geworden sind, wie Personalexperten feststellen. Auch die Gehälter, die Anwenderfirmen heute zahlen, sind deutlich gestiegen, "auch wenn das Salär bei den klassischen Beratungshäusern weiterhin die Hitliste anführt", wie Schimansky-Geier aus Erfahrung weiß.