4 Mobbing-Phasen

Was tun gegen Mobbing am Arbeitsplatz

19.02.2021 von Rene Schmöl
Mobbing kostet der Volkswirtschaft Milliarden. Betroffene sollten sich wehren, auch wenn das leider oft wenig bringt.
Wenn es Sekt gibt, haben sich alle lieb. Oder sie tun zumindest so.
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In den ersten Wochen dachte sich Alexandra Ruhling* gar nicht viel dabei. Sicher, es hatte dieses Abteilungs- und Teamleiter-Meeting gegeben, und sie war nicht wie sonst dazu eingeladen worden. Vielleicht ging es einfach um die geplante Umstrukturierung im Vertrieb. Mit diesem Thema hatte sie, die Leiterin eines Teams von Programmierern, ja ohnehin wenig zu tun.

Auch dass ihr Chef seit Tagen statt eines 'Guten Morgen' nur noch ein gequältes nicken produzierte, wenn er ihr auf dem Flur begegnete, ließ bei ihr nicht die Alarmglocken schrillen. Hat wahrscheinlich mal wieder Ärger mit seiner Frau.

Doch dann passierten noch zwei Dinge: Erstens fragten die beiden langjährigen Kolleginnen, mit denen Alexandra Ruhling meistens zu Mittag aß, sie dreimal hintereinander nicht, ob sie mitwolle in die Kantine, obwohl sie wie immer an ihrer offenen Bürotür vorbeigekommen waren. Das kam ihr doch irgendwie demonstrativ vor …

Ein paar Tage später schließlich, bei einer spontan angesetzten Besprechung mit ihrem Chef, zwei anderen Teamleadern und drei weiteren Kollegen, fragte der Chef sie völlig unerwartet, wie sie über die Pläne für den Vertrieb dachte. Und wie sie die jüngst auf dem Meeting diskutierten Ansätze beurteile.

"Was zum Teufel läuft hier ab?"

Als sie sagte: "Ich war nicht auf dem Meeting", und der Chef darauf in schlecht gespielter Verwunderung "Sooo? Warum das denn?" entgegnete, fiel bei Alexandra Ruhling endgültig der Groschen. Sie antwortete nicht, dachte aber jetzt: "Was zum Teufel läuft hier eigentlich ab?"

Mobbing: Ursachen, Methoden, Folgen
Lange hält die das nicht durch
In den meisten Fällen geht Mobbing vom direkten Vorgesetzten aus, zum Beispiel weil er eine Mitarbeiterin loswerden will.
Die konnte ich noch nie leiden
Auch ein häufiger Auslöser für Mobbing sind jahrelange, oft mühsam unterdrückte Antipathien zwischen Kollegen.
Du! Bist! Klein!
Zentrales Ziel dahinter, das leider allzu oft erreicht wird: Die Betroffene soll sich klein, ohnmächtig und schlecht fühlen.
Wer braucht dich schon?
Eine gängige und sehr wirkungsvolle Mobbingmethode ist das Ausschlussprinzip: Kollege X wird einfach nicht mehr eingeladen zum Meeting, obwohl es dabei auch um Themen gehen, die ihn betreffen. Die Botschaft: Du wirst nicht mehr gebraucht hier.
Du schaffst das schon
Auch beliebt, vor allem um Männer fertigzumachen: den Betreffenden mit Arbeitsmengen zuschütten, die niemand bewältigen könnte. Und anschließend sein Versagen anprangern.
Habt ihr eigentlich schon gehört...
Gerüchte, harmlos vorgetragen und jedes für sich nur mäßig fies, können zusammen den Ruf eines Menschen unrettbar ruinieren.
Die Richtung: Abwärts
Die Folgen von Mobbing für den einzelnen sind verheerend, viele der Opfer werden dadurch chronisch krank.
Nicht! Mit! Mir!
Experten empfehlen, sich zu wehren. Das ist schon deshalb wichtig, weil sich betroffene dann weniger ohnmächtig, weniger als Opfer fühlen.

Oft geht Mobbing ausschließlich vom Vorgesetzten aus

Ruhling wurde gemobbt, das lief ab, weil man sie loswerden wollte. Die Geschichte ist in mehrfacher Hinsicht typisch. Erstens weil ihr Chef der Antreiber war: In 40 Prozent aller dokumentierten Fälle in Deutschland geht das Mobbing ausschließlich vom direkten Vorgesetzten aus. In weiteren zehn Prozent sucht dieser sich zusätzlich Verbündete beim Erniedrigen seines Opfers, wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) herausgefunden hat.

Klassisch auch, dass Ruhling über die soziale Schiene gemobbt wird. Frauen grenzt man aus, grüßt sie nicht mehr, isoliert sie. Männern redet man ihre Leistung schlecht oder nimmt ihnen die Arbeit weg, gibt ihnen das Gefühl, nutzlos zu sein.

Mobbing zieht sich über 16 Monate

Im Durchschnitt der Fälle dauert so ein Mobbing-Horror mehr als 16 Monate. Wer nicht rechtzeitig herausfindet aus der Mühle, wird krank, bekommt Magen-/Darm- oder Rückenprobleme, Kreislauferkrankungen, am Ende oft schwere Depressionen.

Mobbing verursacht Milliardenschäden

Und es kann noch schlimmer kommen: Vor einigen Jahren geriet der französische Autokonzern Renault in die Schlagzeilen, weil sich innerhalb von vier Wochen drei ihrer Mitarbeiter das Leben genommen hatten.

Ob Mobbing in einem Unternehmen passiert, hängt stark vom Betriebsklima insgesamt ab.
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Die Ursachen waren vermutlich - wie meist in solchen Fällen - mehrere, aber ein Vertreter der Gewerkschaft CGT sah in allen drei Todesfällen "Belästigung" durch Vorgesetzte als den "Tropfen" an, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Abgesehen von solchen Tragödien ist Mobbing extrem teuer. Schätzungen gehen davon aus, dass mobbingbedingte Produktionsausfälle allein in Deutschland einen Wert von 12,5 Milliarden Euro jährlich erreichen. Hinzu kommen Renten- oder Pensionszahlungen wegen Berufs- beziehungsweise Arbeitsunfähigkeit.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin identifizierte, sozusagen als Quintessenz mehrerer Studien, ...

Die 4 Phasen eines Mobbing-Prozesses:

  1. Es gibt einen ungelösten Konflikt: Zwei Kollegen können sich seit Jahren nicht ausstehen, der Chef will jemanden loswerden oder Ähnliches.

  2. Der Psychoterror beginnt: Der ursprüngliche Konflikt gerät in den Hintergrund, stattdessen wird das Opfer Zielscheibe von Schikanen und Herabsetzungen.

  3. Der Fall eskaliert: Die gemobbt Person macht wegen des Stresses irgendwann wirklich jene Fehler, die man ihr zu Beginn ungerechtfertigter Weise angelastet hatte. Sie wird stigmatisiert, gilt jetzt als 'problematisch'. Es folgen Abmahnung oder Versetzung.

  4. Das Ziel ist erreicht: Die Betroffene kündigt oder wird gekündigt.

Schockierend ist, wie viel Erfolg Mobbing hat: In mehr als 50 Prozent aller Fälle endet das Martyrium erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Neid, Missgunst, Eifersucht

Die Gründe dafür, jemand fertigzumachen, sind wenig originell: Neid, Missgunst oder Eifersucht von Kollegen zum Beispiel. Ein 'Opfer vom Dienst' zu haben sorgt für eine gewisse Sozialhygiene in der Gruppe, schweißt den Rest zusammen.

Irgendwann halten alle Abstand vom Opfer, weil sie Angst haben, seine Rolle könnte auf sie abfärben. Niemand will zur nächsten Zielscheibe werden für die Jagdgesellschaft.

Kollegen - oder Kolleginnen - die das Feuer in der Gerüchteküche ständig am Brennen halten, können allein dadurch verheerende Schäden anrichten.
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Natürlich werden auch Menschen gemobbt, weil sie Fehler machen oder weil sie tatsächlich schlechter Arbeiten als andere. Wenn der Chef in solchen Fällen zum Psychoterror greift, dann weil er konfliktscheu ist, weil es für ihn einfacher ist, wenn der Mitarbeiter von sich aus geht. Oder weil er generell jemanden braucht, an dem er eigenen Frust ablassen kann. 60 Prozent der Mobber sind Männer.

Wie die Gegenwehr aussehen kann

Gegenwehr hat prinzipiell - auch das zeigen Untersuchungen - nur wenig Aussicht auf Erfolg. In mehr als vier von fünf Fällen scheitern solche Versuche.

Vor allem weil sich mit Fortschreiten des Konflikts fast immer die klassische Einer gegen alle-, beziehungsweise Einer-gegen-viele-Situation entwickelt. Der kleine, dickliche Schüler auf dem Pausenhof hat schließlich auch keine Chance gegen die Übermacht seiner Gegner.

Trotzdem empfehlen Psychologen und Arbeitsmediziner Betroffenen, sich zu wehren. Oder es zumindest zu versuchen. Manchmal lassen sich am Anfang des Prozesses durch offene Worte die Wogen glätten.

Und wenn nicht, dann dient die Gegenwehr zumindest dazu, Handlungsfähig zu bleiben, das Selbstbewusstsein zu stärken und sich weniger als Opfer zu fühlen.

Banker sind besonders gefährdet

Es gilt, - so schwer das unter Umständen ist - Verbündete zu gewinnen, Zeugen zu haben für bestimmte Vorgänge, relevanten Schriftverkehr sorgfältig zu archivieren. Schließlich enden solche Dramen häufig vor dem Arbeitsgericht, und dort gewinnt der mit der besseren Munition. Wer sicher ist, absichtsvoll gemobbt zu werden, sollte dieses Mobbing für möglichst viele Kollegen sichtbar machen.

Und schließlich, ganz wichtig, empfiehlt es sich natürlich nicht, den Stress ständig ganz nah an sich heranzulassen. Die Experten der BAUA raten zur systematisch Entspannung und Ablenkung, damit das Mobbing nicht zum beherrschenden Lebensthema wird.

Übrigens haben Forscher auch herausgefunden dass es große Branchenunterschiede gibt bei der Mobbingintensität. Wo sie am höchsten ist? Bemerkenswerterweise in zwei Branchen, die unterschiedlicher nicht sein könnten in puncto Einkommen, Image und Tätigkeitsfeld. Die größte 'Chance', gemobbt zu werden, haben Angehörige von Sozialberufen (Altenpfleger zum Beispiel) und Mitarbeiter von Banken und Versicherungen.

*(Name geändert)