Sparmaßnahmen wegen Finanzkrise

Was taugen die Prognosen der SAP?

10.10.2008 von Frank Niemann
Noch vor kurzem hatte der Finanzvorstand des Softwarekonzerns die Geschäftsprognosen bekräftigt. Wenig später folgten eine Gewinnwarnung und drastische Sparappelle.

"In der Kantine gibt es Mittags nur noch Wasser und Brot", witzelt ein SAP-Mitarbeiter, der trotz der verordneten Sparmaßnahmen seines Arbeitgebers den Humor noch nicht verloren hat. An der Verpflegung müssen die Angestellten des Softwarehauses in Walldorf noch nicht sparen, aber in vielen anderen Dingen sollen sie sich beschränken. Die Vorstandssprecher Henning Kagermann und Leo Apotheker verlangen von den Mitarbeitern, Geschäftsreisen einzuschränken: Gereist wird nur noch zum Kunden, und das nur mit Economy-Ticket. Der Vorstand verzichtet auf Urlaubstage und schlägt vor, die Angestellten sollten es ihm gleichtun. Hatte SAP bisher händeringend Fachkräfte gesucht, verhängt das Unternehmen nun einen Einstellungsstopp.

Unerwarteter Geschäftsrückgang

Die Auswirkungen der Finanzkrise hat SAP voll erwischt. Noch im September hatte der Konzern frohlockt, die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bestätigen zu können. Anfang dieser Woche musste der ERP-Spezialist dann einräumen, die Kunden würden sich bei Softwarekäufen aus Angst vor der Finanzmarktkrise zurückhalten. Nach Darstellung des Vorstands sind die Geschäfte kurz vor Ende des dritten Quartals "abrupt und unerwartet" zurückgegangen. Am 28. Oktober will SAP die vorläufigen Zahlen für das dritte Quartal vorstellen und sich dann auch zum weiteren Verlauf des Geschäftsjahres äußern.

Was die Prognosen anbetrifft, scheint SAP nicht besser und nicht schlechter als andere zu sein, meint Christian Hestermann, Research Director ERP beim Beratungshaus Gartner.

SAP steht sicher nicht mit dem Rücken zur Wand, hat aber mit Erschrecken feststellen müssen, dass die Finanzkrise das Unternehmen früher und härter trifft als erwartet. "SAP wächst weiterhin, wird seine Renditeziele aber wohl nicht mehr erreichen", kommentiert Frank Naujoks, ERP-Experte und Director Research bei Intelligent Systems Solutions in Zürich. Ohnehin werde der Konzern seit einiger Zeit auf Rendite getrimmt, daher verwunderten die Sparmaßnahmen nicht. "Das sind Vorsichtsmaßnahmen, die den Mitarbeitern ein Gefühl für den Ernst der Lage vermitteln soll."

Prognose mit kurzer Halbwertzeit

Dass wegen der Börsenturbolenzen Unsicherheit herrscht und größere Investitionen seitesn der SAP-Klientel vermieden werden, ist verständlich (siehe auch "IT-Budgets und die Finanzkrise"). Doch kommt das wirklich so überraschend? "Man fragt sich, wie gut die interne Controlling- und Planungssoftware der SAP ist, wenn eine Prognose nicht einmal einen Monat hält", meint Naujoks. SAP vermarktet Softwarelösungen, mit denen Kunden genauere Umsatzprognosen treffen können sollen. Auch aus diesem Grund hatte der Konzern den Business-Intelligence-Hersteller Business Objects gekauft. Zudem führt das Unternehmen Applikationen im Portfolio, mit denen sich unter anderem Geschäftsrisiken frühzeitig erkennen lassen (Governance, Risk and Compliance). " Trotz der weiteren Verbreitung solcher Tools sind Firmen offenbar immer noch nicht vor negativen Überraschungen sicher. Was die Prognosen anbetrifft, scheint SAP nicht besser und nicht schlechter als andere zu sein", konstatiert Christian Hestermann, Research Director ERP beim Beratungshaus Gartner.

Auch Enterprise Support verunsichert die Kunden

SAP wächst weiterhin, wird seine Renditeziele aber wohl nicht mehr erreichen, kommentiert Frank Naujoks, ERP-Experte und Director Research bei

SAP-Kunden sind aber nicht nur wegen der Finanzkrise verunsichert. Zu Absatzproblemen dürfte künftig beitragen, dass viele Firmen sich über die Erhöhung der Wartungsgebühren im Zuge der neuen Supportstrategie ("Enterprise Support") ärgern. Für Unternehmen steigen die Wartungskosten schrittweise von heute 17 auf 22 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre. Kunden überdenken auch unabhängig von den Turbulenzen der Finanzwirtschaft derzeit geplante Projekte beziehungsweise Investitionen in SAP-Lösungen.

Höhere Wartungseinnahmen helfen SAP andererseits, eine Flaute im Softwaregeschäft besser zu überstehen. Wenn der Umsatz mit Support steigt, tut dem Unternehmen ein schleppender Lizenzabsatz weniger weh. Dieser Effekt wirkt aber nur kurz. "Wenn sich SAP durch die Wartungserhöhung das Geschäft den Erfolg mit Kunden aus dem Mittelstand erschwert, ist das für die Zukunft kaum hilfreich", gibt Gartner-Experte Hestermann zu bedenken.