Pflichtverletzung durch Mitarbeiter muss vorliegen

Was Sie von Abmahnungen wissen sollten

02.04.2011 von Renate Oettinger
Pauschalvorwürfe des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer sind unzulässig. Dr. Christian Salzbrunn sagt, warum.

Eine arbeitsrechtliche Abmahnung ist der Ausdruck einer Missbilligung des Arbeitgebers wegen der Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht durch den Arbeitnehmer. Die Notwendigkeit einer Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung folgt aus dem so genannten Ultima-Ratio-Prinzip. Es besagt mit einfachen Worten, dass eine arbeitsrechtliche Kündigung immer nur das letzte Reaktionsmittel eines Arbeitgebers darstellen kann. Dieser ist vielmehr gehalten, einen Arbeitnehmer mittels einer Abmahnung zur Abkehr von einem pflichtwidrigen Verhalten zu bewegen. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt außerdem, dass nur erhebliche und auch nur objektiv tatsächlich vorhandene Pflichtverstöße abgemahnt werden können, Bagatellfälle dagegen nicht.

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Im Allgemeinen werden der arbeitsrechtlichen Abmahnung drei Funktionen zugesprochen. Sie hat eine Dokumentationsfunktion, da die Abmahnung den Arbeitnehmer auf seine Pflichtverletzung aufmerksam machen soll und den beanstandeten Vorfall festhalten soll. Im Rahmen der Beanstandungs- bzw. Hinweisfunktion soll dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gegeben werden, das abgemahnte Verhalten abzustellen und durch künftiges pflichtgemäßes Verhalten eine drohende Kündigung abzuwenden. Aus der Warnfunktion folgt schließlich, dass dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung anzudrohen sind (anderenfalls kann lediglich von einer so genannten Ermahnung gesprochen werden, welche für eine nachfolgende Kündigung nicht ausreichen würde).

Aus diesen drei Funktionen ergibt sich auch der notwendige Inhalt einer arbeitsrechtlichen Abmahnung. Zum einen muss der Sachverhalt des Pflichtverstoßes konkret, präzise und so detailliert wie möglich dargestellt werden. Es genügt nicht, wenn in der Abmahnung pauschal auf bekannte Vorkommnisse oder auf wiederholte Pflichtverletzungen verwiesen wird. Zum anderen muss das Verhalten des Arbeitnehmers als nicht vertragsgemäß gerügt werden. Es muss deutlich werden, dass der Arbeitgeber weitere entsprechende Pflichtverstöße von Seiten des Arbeitnehmers nicht tolerieren wird.

Unerlässlich wird demzufolge die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Aufgrund der geltenden Warnfunktion müssen für den Wiederholungsfall auch Hinweise gegeben werden, aus denen sich deutlich ergibt, dass der weitere Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Zwar muss nach der bestehenden Rechtsprechung das Wort "Kündigung" nicht unbedingt fallen, gleichwohl empfehlen sich für die Praxis trotzdem derart nachhaltige Formulierungen.

Schwammige Formulierungen

Eine Abmahnung, die den zuvor beschriebenen Erfordernissen nicht genügt, ist letztendlich unwirksam. Der Arbeitnehmer hat einen einklagbaren Anspruch darauf, dass eine solche rechtswidrige Abmahnung aus seiner Personalakte entfernt wird. Dies gilt vor allem im Falle von schwammig und unpräzise formulierten Abmahnungen. Auf diese Rechtslage hat das LAG Düsseldorf in einem Urteil vom 24.07.2009 erneut hingewiesen.

In dem zu beurteilenden Fall ging es um einen Mitarbeiter beim Ordnungsamt der Stadt Viersen, der umfangreiche Verschwiegenheitsverpflichtungen zu beachten hatte. Entgegen dieser Verschwiegenheitsverpflichtung hat dieser Mitarbeiter einem Kollegen von einem Bußgeldverfahren gegen die Rechnungsprüfung der Stadt wegen eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsgesetz berichtet.

Daraufhin mahnte die Stadt den Mitarbeiter ab. Allerdings enthielt die Abmahnung keine ausreichenden Angaben zu den dem Mitarbeiter vorgeworfenen Pflichtverletzungen, insbesondere auch nicht dahingehend, gegen welche Vorschriften zur Geheimhaltung er ganz konkret verstoßen haben soll (im vorliegenden Fall kamen gleich mehrere Rechtsvorschriften in Betracht).

Der Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte gaben die Richter des LAG Düsseldorf statt. Nach ihrer Ansicht reiche ein allgemeiner Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht aus. Ein Arbeitnehmer müsse einer Abmahnung unzweifelhaft entnehmen können, was sein Fehlverhalten war und gegen welche Rechtsvorschrift er konkret verstoßen hat. Die in einer Abmahnung bestehende Hinweisfunktion sei jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn es dem Arbeitnehmer überlassen wird, zu ermitteln, aus welcher Regelung sich die Pflichtwidrigkeit seines Handelns ergeben soll.

Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber eine exakte Erklärung für die Pflichtwidrigkeit abgibt und dass der Mitarbeiter weiß, welche rechtlichen Schlussfolgerungen der Arbeitgeber aus dem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitnehmers genau zieht (LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2009, Az.: 9 Sa 194/09).

Als Fazit aus dieser Entscheidung ist festzuhalten, dass das Abmahnrecht aufgrund seiner vielschichtigen Voraussetzungen oft nur schwer zu durchschauen ist. Deshalb erweisen sich in gerichtlichen Verfahren immer wieder viele Abmahnungen als Stolperstein für eine spätere Kündigung, die im Falle der Wiederholung des Pflichtverstoßes gegenüber dem bereits abgemahnten Mitarbeiter ausgesprochen wird.

Kündigungsgespräche richtig führen
Kündigungsgespräche richtig führen
Wer einem Mitarbeiter die Entlassung mitteilt, sollte darauf achten, dass es ein Gespräch auf Augenhöhe ist. Sechs Tipps zur Gesprächsführung.
Tipp 1
Achten Sie darauf, dass vor dem Gespräch mit dem Mitarbeiter keiner seiner Kollegen von der Kündigung erfährt.
Tipp 2
Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Welche Faktoren machen die Kündigung unumgänglich? Wie können Sie auf mögliche Einwände reagieren?
Tipp 3
Seien Sie ehrlich: Beschönigen Sie nicht die Situation, sondern geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein konstruktives Feedback.
Tipp 4
Berücksichtigen Sie auf jeden Fall, dass es bei einer Kündigung nicht nur um eine Fach- oder Führungskraft einer bestimmten Abteilung geht, sondern um einen Menschen mit allen seinen sozialen und gesellschaftlichen Bezügen. Das ist gerade dann wichtig, wenn man den Mitarbeiter nicht immer geschätzt hat.
Tipp 5
Geben Sie ihm genügend Zeit für seine Reaktionen wie Wut oder Tränen: Bieten Sie gegebenenfalls ein weiteres Gespräch in ein paar Tagen an, wenn der Mitarbeiter sich wieder gesammelt hat.
Tipp 6
Seien Sie auch in den nächsten Tagen stets offen für weitere Fragen des gekündigten Mitarbeiters.

Formalien beachten

Denn wenn das pflichtwidrige Verhalten zuvor nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden ist, kann im Wiederholungsfalle auch keine rechtmäßige Kündigung hierauf aufgebaut werden. Von daher ist Arbeitgebern anzuraten, auf die erforderlichen Formalien für eine Abmahnung ein ganz besonderes Augenmerk zu richten und in Zweifelsfällen einen entsprechenden fachlichen Ratschlag einzuholen.

Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf.
Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam.
Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist.
Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen.
Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.

Kontakt:

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Tel.: 0211 1752089-0, E-Mail: info@ra-salzbrunn.de, Internet: www.ra-salzbrunn.de