FAQ zu BPM

Was Sie über Business-Process-Management wissen müssen

11.10.2011 von Hans Tscherwitschke
Was steckt hinter dem Schlagwort BPM, und warum sollten sich Unternehmen damit beschäftigen? Ein Experte führt in das Thema ein.

Mit Hilfe eines methodischen Prozess-Managements (Business-Process-Management, kurz BPM) lassen sich betriebswirtschaftliche Abläufe in der täglichen Arbeit "zum Leben" erwecken. Dies bietet die Basis, um brachliegende Potenziale zu identifizieren und zu nutzen. Eine entscheidende Dimension von Prozess-Management sind die beteiligten Menschen. BPM kann Reibungsverluste an Abteilungsgrenzen vermeiden, die Mitarbeiter motivieren und die Akzeptanz der Prozesse steigern. BPM ist die Kunst, Kosten und Zeit einzusparen, ohne bei der Prozessqualität Kompromisse eingehen zu müssen. Wie bei jeder Management-Aufgabe oder jedem Einführungsprojekt fallen verschiedene Aufwands- und Kostenblöcke an, die je nach Umfang des Projekts, des Ansatzes und der Organisation sehr unterschiedlich ausfallen können.

Was ist Prozess-Management?

BPM beziehungsweise (Geschäfts-)Prozess-Management (GPM) ist eine Management-Disziplin, eine Methode mit ganzheitlichem Ansatz, um betriebswirtschaftliche Prozesse zu verwalten und zu verbessern. Die grundlegende Vorstellung ist, in Prozessen zu denken und sich an Prozessen zu orientieren (Prozessorientierung). Als zentrale Frage wird meist "Wer macht was, wann, wie und womit?" angeführt. Dieser Katalog zielt aber nur auf eine Aufnahme (Ist), eine Analyse (Sinn) und eine Dokumentation der Prozesse ab.

Um tatsächlich Ansatzpunkte zum besseren Erreichen der Unternehmensziele ableiten zu können ("Prozessoptimierung"), müsste die Frage noch ergänzt werden "…mit welchem Aufwand (Kosten) und welchem Ergebnis (Mehrwert)?"

Was genau ist ein Prozess?

Fragt man fünf IT-Experten, bekommt man fünf verschiedene Erklärungen, was ein Prozess ist. Im Folgenden soll ein Geschäftsprozess folgendermaßen definiert werden:

Somit ist das kleinste Element der Prozessschritt, also eine einzelne Aktivität oder eine Transaktion. Um einen Prozess zu beschreiben, sind daher auch die Prozessschritte zu beschreiben, zu analysieren und zu dokumentieren. Dies erfordert eine Reihe von Informationen:

Man muss wissen:

In Summe ergibt sich aus den Prozessschritten der Prozess. Ein einzelner Prozess kann ein Prozessschritt aus einem übergeordneten Prozess sein (Prozesshierarchie). In der Regel gliedert man von den Hauptgeschäftsprozessen (beziehungsweise Geschäftsszenarien wie Beschaffung oder Fertigung) nach einzelnen Geschäftsprozessen (wie Verkauf von Lagerware).

Neben den variablen, prozessabhängigen Informationen gibt es auch wiederkehrende, kontinuierliche Daten, die zur Beschreibung erforderlich sind. Diese nennt man Prozess-Stammdaten (beispielsweise Abteilung und Rolle).

Ein entscheidender Aspekt bei Prozessen sind die Schnittstellen. Dies können technische Schnittstellen von System zu System, menschliche Schnittstellen von Person zu Person oder Abteilungsgrenzen sein, die überschritten werden. Schnittstellen sind immer mit größter Sorgfalt zu beachten, da hier oft das meiste Verbesserungspotenzial liegt.

Ist BPM nur ein Thema für die IT?

Oft werden BPM-Initiativen aus der IT heraus getrieben, sei es aus dem Versuch, IT-Kosten durch Prozessoptimierung zu senken, oder technologisch Weichen für morgen zu stellen (Stichwort SOA oder SaaS). Dabei hat BPM nur mittelbar mit IT zu tun. Man kann Prozess-Management auch ohne jeglichen IT-Anspruch betreiben. Hierin liegt wohl der Grund, warum BPM im Mittelstand so wenig genutzt wird: Der IT-getriebene Ansatz (Bottom-up) deckt nur einen Teil des Potenzials ab.

Der wesentliche Nutzen des BPM, nämlich die Unternehmensergebnisse hinsichtlich strategischer und operativer Zielerreichung wesentlich zu unterstützen (Top-down), wird dabei nicht oder nur teilweise berücksichtigt.

Eine entscheidende Funktion des Prozess-Managements wird aus diesem Sachverhalt deutlich: Das BPM bildet die Kommunikations- und Verständnisbrücke zwischen Management, Fachbereichen und IT. Über diese Methode werden die Unternehmensstrategie und die zugehörigen betriebswirtschaftlichen Prozesse mit den systemgestützten Prozessen in der IT in Verbindung gesetzt. Es geht darum, real existierende Abläufe und Anforderungen als betriebswirtschaftlich nutzbare Prozesse darzustellen, damit diese wiederum in Systemen und Organisationen umgesetzt, verwaltet und optimiert werden können.

Betriebswirtschaftlich nutzbar heißt in diesem Zusammenhang, dass alle relevanten Informationen zu einem Prozess übergreifend und integrativ identifiziert, analysiert und dokumentiert sind. Nur so lassen sich Maßnahmen ableiten.

Ein häufiges Missverständnis in der Praxis ist, man könne BPM "abschließen". Oft werden nach der Ist-Aufnahme oder der Einführung eines BPM-Tools die Aktivitäten eingestellt, nach dem Motto: "Jetzt haben wir doch ein BPM". Falsch! Damit ist nur das Einführungsprojekt (des Tools) abgeschlossen. Wie jede Management-Aufgabe ist ein sinnvolles Prozess-Management eine kontinuierliche Aufgabe, die zugegebenermaßen phasenabhängige Schwerpunkte hat. Um aber den vollen Nutzen und Mehrwert aus den Investitionen zu ziehen, ist es erforderlich, ein Verständnis für den Prozesslebenszyklus zu schaffen.

Welche Aufgaben umfasst das Prozess-Management?

Grundsätzlich lassen sich folgende Aufgabenblöcke der BPM-Methodik zusammenfassen:

Die genaue Ausprägung der Aufgabenblöcke hängt von der Situation des Unternehmens und der gestellten Aufgabe ab. Dies ist vergleichbar mit dem Projekt-Management: Hier hängen die Phasen, Arbeitspakete, Meilensteine etc. ebenso stark von der Art des Projekts ab wie im Prozess-Management die Phaseneinteilungen und Aufgabenblöcke vom verfolgten Ziel (Strategie/Markt) und dem Grad der bestehenden Prozessorientierung (Mensch/System).

Ebenso spielen die gewünschte Breite ("Scope", zum Beispiel einzelne Geschäftsbereiche, nur Kernprozesse, einzelne Systeme) und Tiefe ( etwa reine Dokumentation oder auch Modellierung und SOA-Ansätze) eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung der Aufgaben. Generell ist es ratsam, die gesammelten Prozesse in Prozesslandkarten oder in einem Corporate Process Repository zentral zu sammeln und zu verwalten. Insbesondere hinsichtlich der Steuerung von Prozessänderungen (Change-Management) im Prozesslebenszyklus spielt dies eine entscheidende Rolle.

Process-Management, Process-Monitoring und Performance- Management

BPM ist kein Tool, keine Anwendung, kein System an sich, gibt aber ohne adäquates Tool sicher keinen Sinn. BPM-Systeme (BPMS) dienen der technischen Unterstützung des methodischen Ansatzes und stellen eine sinnvolle und in der Regel zwingend erforderliche Ergänzung dar. BPM auf die reine Modellierung, sprich auf das Erfassen und Abbilden von Prozessen in Fluss- oder Ablaufdiagramme zu reduzieren greift zu kurz.

Eine Modellierung von ausführbaren Service-orientierten Geschäftsprozessen sowie deren Simulation ist heute zwar schon möglich, für den Mittelstand steht jedoch der Aufwand meist in keiner Relation zum Nutzen.

Die Abkürzung BPM wird uneinheitlich verwendet. Oft wird BPM mit Business-Process-Monitoring gleichgesetzt. Das Monitoring ist sicher ein wichtiger Teil des Prozess-Managements, jedoch sind hierfür einige Vorarbeiten erforderlich, die über den methodischen Ansatz bereitgestellt werden.

Geschäftsprozess-Management ist auch nicht zu verwechseln mit Business-Performance- Management. Dabei geht es um Methoden, Werkzeuge und Prozesse zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Ertragskraft von Unternehmen. Der Fokus liegt hier auf der Messung und Ermittlung von Kennzahlen, also eher im Bereich Business Intelligence.

Welchen Mehrwert bietet BPM?

BPM erlaubt es nicht nur, Prozesse zu automatisieren, sondern bietet die Möglichkeit, Abläufe des Unternehmens an sich ändernde Markt- und Kundenanforderungen anzupassen - bis hin zur Entwicklung neuer Serviceangebote.

Vergleichbar ist dieser Mehrwert mit einer Skifahrt auf einem Gletscher. Zunächst muss das teure Ticket für die Gondelbahn gekauft werden, um auf den Gletscher zu gelangen (hoher Initialaufwand ohne direkten größeren Nutzen). Ist man oben angelangt, kann man nahezu mühelos die Pisten genießen (geringer Aufwand, Ausschöpfen der Potenziale). Und wer zuerst oben ist, kann seine eigene Spur bahnen, die Geschwindigkeit und Bögen selbst bestimmen und muss nicht den ausgefahrenen Spuren der Vorgänger folgen oder deren Bahnen kreuzen (Wettbewerbsvorteil).

Das Prozess-Management befähigt Unternehmen, sich selbst ein Bild über den Grad der Integration von Abläufen, Menschen, Organisation und genutzten Systemen zu machen und so selbst ungenutzte interne Potenziale zu erkennen und zu nutzen.

Wie kann BPM Abläufe straffen?

Bei industriell geprägten Mittelständlern sind Produkte oft technisch perfekt ausgereift, CAD-Anlagen auf dem neuesten Stand und Produktionsverfahren optimiert. Dabei werden aber - häufig unbewusst - Prozessstörungen in Kauf genommen, die durch unklare Verantwortlichkeiten, unnötige Liegezeiten ("Legen Sie es auf den Stapel") und Abteilungen mit divergenten Prioritäten verursacht werden. Häufig lassen sich solche Optimierungspotenziale durch einfache organisatorische (beispielsweise Kompetenzzentren) und prozessuale Anpassungen (beispielsweise elektronische Daten statt Papier) ausschöpfen - sofern sie denn identifiziert werden. Und genau das ist das Ziel von BPM.

Immer wieder erstaunt, dass solche internen Verbesserungspotenziale rasch nach dem Aufsetzen der Prozessbrille erkannt und mit relativ geringen Aufwänden genutzt werden können. Auch bisher unerkannte Marktchancen kommen durch ein aktives Prozess-Management ans Licht. Wenn beispielsweise die Anzahl und Komplexität der Kundenbeschwerden sehr hoch ist, lassen sich Qualitätsinitiativen und zusätzliche Serviceangebote daraus ableiten.

Umgekehrt ist Prozess-Management auch oft das Ergebnis von Qualitätsinitiativen (beispielsweise der ISO 9001), die grundsätzlich einen prozessorientierten Ansatz verfolgen. Daran erkennt man, dass BPM auch immer mit einem gewissen Qualitätsanspruch einhergeht - und trotzdem Kosten senken und Zeit sparen kann.

Ein anderes Beispiel ist, wenn sich bei der Entwicklung von neuen Produkten durch Anpassung der Feedback-Zyklen die Time-to-Market reduzieren oder weitere Produktideen generieren lassen.

Wie kann BPM die Zusammenarbeit verbessern?

Eine weitere, sehr wichtige Wirkungsrichtung des Prozess-Managements sind die beteiligten Menschen. Durch ein im Unternehmen verankertes und gefördertes prozessorientiertes, ganzheitliches Denken lassen sich Reibungsverluste an Abteilungsgrenzen vermeiden. Wenn jeder mitdenkt und den Kollegen und dessen Aufgabe vor und nach der eigenen Arbeit kennt und berücksichtigt, eröffnen sich hervorragende Möglichkeiten zur Entwicklung eines neuen Miteinanders, wo früher Abschottung und Abteilungsgrenzen vorherrschten. Dies bildet wiederum die Möglichkeit, die Prozessablauforganisation zu verbessern, um gezielt Optimierungspotenziale zu nutzen.

Fast automatisch ergeben sich Qualitätssteigerungen hinsichtlich der internen Abläufe, aber auch bei den Produkten und Dienstleistungen.

Durch die Erarbeitung von Prozessen und ihre Dokumentation in geeigneten Tools wird Wissen im Unternehmen gestreut und bleibt daher eher im Unternehmen, wenn bestimmte Mitarbeiter ausscheiden. (fn)