Was SAP-Profis können müssen

03.08.2007 von Ingo Glaser
Die technischen Anforderungen an SAP-Experten verändern sich. Zudem sorgen neue Geschäftsmodelle der Walldorfer dafür, dass sich Freiberufler umstellen müssen.

Verantwortlich für diese Entwicklung sind insbesondere die Neugestaltung der SAP-Technologiearchitektur und der darauf aufsetzenden Anwendungen und Lösungen. Mit der Einführung von Netweaver und der Enterprise Service Architecture (ESA) wird die SAP-Plattform schrittweise zu einer Business Process Platform, auf der unternehmensweite Anwendungen in offener und flexibler Form aufgesetzt und realisiert werden. Die SAP- Enterprise-SOA (Service-orientierte Architektur für unternehmensweite Anwendungen) ermöglicht es mit Hilfe von Netweaver, die Inhalte von SAP-Applikationen zu flexiblen Geschäftsprozessen zusammenzufügen.

Spezialisierte SAP-Berater

Aufgrund des breiten Leistungsspektrums der SAP-Anwendungen ist die Mehrzahl der heutigen SAP-Berater auf spezielle Module des klassischen SAP-R/3 Systems wie FI, CO, HR, PP oder auf Lösungskomponenten spezialisiert. Die Berater verfügen oftmals sowohl in betriebswirtschaftlicher als auch IT-Sicht über langjährige Erfahrungen bezüglich der Implementierung und der Anpassung dieser R/3 Module.

Besonders gefragt bleiben SAP-Berater auf den Gebieten SCM, CRM und SRM.

Mit der Vorstellung von SAP ERP 2004 und danach SAP ERP 2005 hat sich einerseits die technische Basis der SAP-Anwendungen umfassend verändert, andererseits wurde die ERP-Funktionalität im Vergleich zu R/3 durch eine Vielzahl zusätzlicher Geschäftsprozesse (wie ESS, SEM, Analytics) erweitert. Die Anwendungen setzen auf Netweaver 2004 beziehungsweise Netweaver 2004s auf und nutzen damit verknüpfte technologische Komponenten wie Netweaver Portal, Netweaver Process Integration oder SAP Business Intelligence. Damit wird den Kunden ein weicher Übergang von R/3 in die neue Enterprise-SOA-Welt ermöglicht. Berater, die zukünftig in dieser neuen SAP-Architektur Kundenprojekte umsetzen, müssen daher mehr denn je ein tiefes und übergreifendes Wissen besitzen, um die als Web-Services ausgeprägten SAP-Geschäftsfunktionen zu Geschäftsprozessanwendungen zusammenzufügen. Für die meisten heutigen SAP-Berater ist eine umfangreiche Aus- und Weiterbildung erforderlich, um diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden. Dies ist zwar mit Kosten verbunden, hat aber für einen entsprechend zertifizierten Consultant auch den Vorteil, dass sein Können höher honoriert wird. SAP schult Interessenten über ihre Consultant Academy, und auch die Geco-Gruppe bietet mit Ihrer patentierten Online Testplattform Be-Certified die Möglichkeit, Netweaver- Know-how zu überprüfen.

SAP-Experten gefragt

Aktuell ist die Auftragslage im SAP-Projektmarkt für IT-Freiberufler durch eine hohe Nachfrage nach SAP-Experten gekennzeichnet. Obwohl die Nachfrage das Angebot übersteigt, ändern sich die Preise wenig. Teilweise haben die Projektkunden noch nicht erkannt, dass hochqualifizierte SAP-Spezialisten für anspruchsvolle Anwendungsfelder, wie SCM, CRM, oder Portale nicht zum Honorar eines klassischen FI-Beraters verpflichtet werden können. Die starke Nachfrage nach SAP-Experten ist zu einem hohen Prozentsatz auf die Release-Wechselprojekte zurückzuführen.

Da die Standardbetreuung des verbreitet eingesetzten R/3-Release 4.6c im Dezember 2006 endete, können Kunden nun diese Softwareversion bis Ende 2007 nur zu zwei Prozent höheren Wartungsgebühren nutzen. Bis Ende 2009 sind es dann sogar vier Prozent. Dies führt nun dazu, dass Kunden auf SAP ERP wechseln. Das von den Walldorfern präferierte Release ist SAP ERP 2005, dessen Betreuung bis zum März 2012 reicht. Technische und funktionale Innovationen wird SAP über Erweiterungspakete hinzufügen. Das nächste große SAP ERP-Release ist dann erst im Jahr 2010 geplant.

Bei den derzeit stattfindenden Release-Wechselprojekten fragen die Firmen häufig noch klassische SAP-Modulberater nach. Das ist darin begründet, dass die überwiegende Zahl der Kunden zunächst aus lizenzvertraglichen Gründen von R/3 auf SAP ERP wechselt. Da die klassischen in Abap 4 entwickelten R/3- Module auch auf der Application Platform von Netweaver ablaufen, sind augenblicklich noch zahlreiche SAP-Modulberater gefragt. Dies wird Anfang 2008 stark nachlassen, da alle SAP-Anwendungen dann ESA-kompatibel sein und die Kunden mit SAP ERP und SAP Business Suite auf Basis des Enterprise Service Repository ihre Geschäftsprozesse verstärkt über Web- Services komponieren werden. Spätestens dann wird der oben beschriebene Typ des SAP-Beraters begehrt sein.

Neuer Auftragsmarkt durch AS1?

Für neue Softwareentwicklungen benötigen die Unternehmen dann mehr Experten mit Netweaver-Developer-Studio-Erfahrung als klassische Abap-Programmierer. Aktuell und auch zukünftig ist in Großunternehmen weiterhin ein zunehmender Bedarf an SAP-Projektspezialisten für alle Anwendungsfelder der SAP Business Suite zu erwarten. Besonders begehrt bleiben SAP-Berater auf den Gebieten SCM, CRM und SRM (siehe Abbildung 2: "Das SAP-Projektmarktbarometer").

Viele Berater fragen sich, ob für sie durch die von SAP angekündigte Mittelstandslösung "A1S" ein neuer Auftragsmarkt bei mittelständischen Unternehmen entsteht. IT-Freiberufler sollten sich dabei im Hinblick auf komplexe und beratungsintensive Implementierungsprojekte nicht zu große Hoffnungen machen. Dies liegt vor allem an dem Vertriebs- und Nutzungsmodell der neuen Lösung. Die Software soll überwiegend über das Internet und das Telefon verkauft werden. Interessenten beantworten online einen Fragenkatalog über die mit der Lösung abzubildenden Geschäftsprozesse und erhalten im Gegenzug ein Grobkonzept für ihre Lösungsanforderungen.

Nach Übermittlung des Lösungsvorschlags an SAP soll der Interessent eine individuell vorkonfigurierte Testversion der A1S-Software über das Web bekommen, die er dann ausführlich testen kann. A1S wird auf Rechnern der SAP und von Partnerfirmen gehostet. Bei diesem "Try-Run-Adapt" genannten Geschäftsmodell bleibt für den Berater nur ein begrenztes Projektvolumen bei den eventuell noch nachträglichen notwendigen kleineren Anpassungen der Anwendung. Da die Lösung auf Web-Services und Netweaver basiert kommen dem Berater gute Kenntnisse des Enterprise Service Repository zugute. Das hauptsächliche Beratungspotenzial liegt im Vorfeld der Systemauswahl. Consultants, die sich frühzeitig detailliert mit der Lösungsarchitektur und den Möglichkeiten zur Abbildung mittelständischer Geschäftsprozesse vertraut gemacht haben, werden sich Zugänge zu einem wichtigen und lukrativen Markt verschaffen können.

Augenblicklich wird A1S von rund 150 Pilotkunden intensiv getestet. Obwohl aus SAP-internen Kreisen von noch nicht ausreichender System-Performance berichtet wird, hält SAP an dem Plan fest, die Lösung Anfang 2008 in breiter Form auf den Markt zu bringen. (hk)