Ratgeber BPM

Was Prozess-Management wirklich bringt

19.03.2015 von Martin Böhn
Business Process Management verspricht viele Vorteile: eigene Abläufe transparenter gestalten, Teilaufgaben automatisieren, Mitarbeiter und Systeme effektiver einsetzen. Doch um BPM erfolgreich zu machen, braucht es einiges an Vorwissen und die richtigen Werkzeuge.
  • BPM-Tools dienen der Erstellung und der Analyse von Arbeitsabläufen mithilfe vorgefertigter Modelle.
  • Anwender haben die Wahl zwischen fachlichen und technischen Modellen. Das fachliche Modell verdeutlicht die Zusammenhänge etwas plastischer, das technische Modell setzt eher auf logische Zusammenhänge. die ein Computer besser "versteht".

Unter dem Begriff Business Process Management beziehungsweise Prozess-Management werden viele verschiedene Bereiche zusammengefasst. Abhängig davon, was mit den Modellen gemacht werden soll und welche Inhalte dafür in den Modellen abgebildet werden, haben sich verschiedene Marktsegmente gebildet.

Business Process Management hilft Anwendern bei der Strukturierung und Optimierung ihrer Geschäftsabläufe.
Foto: tashatuvango - Fotolia.com

Prozessmodellierung: Visualisierung

Der Fokus der Prozessmodellierungswerkzeuge in diesem Segment liegt in der Darstellung der Abläufe. Sachzusammenhänge sollen so verdeutlicht werden, dass ein Mensch diese lesen und nachvollziehen kann. Die Systeme bieten zumeist Portale für die flexible Navigation innerhalb der Strukturen an, es können aber auch Prozesshandbücher (beispielsweise als PDF-Dokument) erstellt werden. Hauptanwendungsgebiete sind die Dokumentation der bestehenden Abläufe (Dokumentation für Qualitätsmanagement, Schulung der Mitarbeiter) und der Entwurf neuer Abläufe (kontinuierliche Verbesserung durch Vorschlagswesen oder vollständiger Neuentwurf). Schnittstellen zu anderen Systemen sind meist wenig ausgeprägt. Der Fokus liegt auf der Einbindung einzelner Daten, wie beispielsweise auf der Bereitstellung von Formularen oder Handbüchern oder Kopplung an die Benutzerverwaltung.

Workflow: Ausführung

Die BPM-Werkzeuge in diesem Segment erstellen Workflows, welche direkt ausgeführt werden. Die Steuerung des Ablaufs übernimmt die Software, ebenso einzelne Teilaufgaben (automatisch ausgeführte Teilschritte). Der Anwender ist eingebunden, indem Aufgaben generiert und seine Eingaben über entsprechende Masken erfasst werden. Die Modelle müssen so exakt sein, dass das System die ausführbaren Prozesse erstellen und steuern kann. Die Anforderungen an die Integration zu Drittsystemen sind zumeist deutlich höher.

Business Process Management - Marktanalyse 2014
18 BPM-Software-Suites im Test
Die Entwicklung von Business-Process-Management (BPM) hat in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gemacht. Angesichts der weiter um sich greifenden Digitalisierung vieler Geschäftsprozesse sowie der damit verbundenen Automatisierung setzen immer mehr Unternehmen entsprechende Softwarewerkzeuge ein. Doch das Angebot an BPM-Lösungen ist breit gefächert, was die Auswahl und Entscheidung für Anwenderunternehmen nicht gerade erleichtert.
AgilePoint
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (63,7%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (89,0%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (71,5%)</p>
Agito
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (55,0%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (93,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (58,6%)</p>
Appain
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (59,5%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (86,4%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (68,8%)</p>
Appway
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (59,4%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (92,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (64,0%)</p>
Axon Ivy
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (66,7%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,6%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (70,5%)</p>
Bizagi
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (70,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (90,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> hoch (78,0%)</p>
DHC Business Solutions
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (46,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (82,5%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (56,0%)</p>
Groiss Informatics
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (62,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,6%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,8%)</p>
HCM Customer Management
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (53,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (81,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,7%)</p>
IBM
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (68,1%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (95,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (71,5%)</p>
Inspire Technologies
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (62,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (96,1%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,4%)</p>
JobRouter
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (62,0%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (85,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (72,3%)</p>
K2
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (55,6%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> mittel (79,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (69,6%)</p>
Metasonic
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (54,5%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (92,4%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> gering (59,0%)</p>
Oracle
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (64,2%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (94,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (68,0%)</p>
Prologics
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (62,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (90,8%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (69,1%)</p>
SoftProject
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> gut (65,3%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> sehr hoch (96,3%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (67,8%)</p>
TIM Solutions
<br> <p><b>Gesamterfüllungsgrad:</b> angemessen (58,8%)</p> <br> <p><b>Mächtigkeit:</b> hoch (89,5%)</p> <br> <p><b>Komfort:</b> mittelmäßig (65,7%)</p>

Über Daten- und Funktionsaufrufe werden Informationen zur Prozesssteuerung genutzt - beispielsweise im ERP hinterlegtes Restbudget bei Bedarfsanforderungen, Verfügbarkeit von Sachbearbeitern im Reklamationsmanagement. Teilweise sind die Funktionen des BPM-Werkzeugs auch in bestehende Applikationen integriert, beispielsweise indem die Aufgabenliste als Portlet in einer bestehenden Portalanwendung angezeigt wird.

In diesem Segment lässt sich zusätzlich danach unterscheiden, ob die Prozesse durch die BPM-Software selbst als Workflows umgesetzt werden sollen, oder ob die BPM-Software die Steuerungsregeln für eine Drittsoftware übernimmt. Beispiele für den zweiten Anwendungsfall sind Komponenten, welche zur Prozessdefinition für SAP-Systeme oder Microsoft SharePoint genutzt werden.

Kennzahlen: Analyse und Simulation

Funktionen zur Analyse finden sich zumeist auch in den Werkzeugen zur Visualisierung und zur Ausführung. Sie unterscheiden sich aber im Betrachtungsgegenstand. Analysen auf Basis der Prozessmodelle (Prozessklassen) ermöglichen Auswertungen über die hinterlegten Prozessobjekte und die Prozessstrukturen selbst. Damit lassen sich Fragen beantworten wie:

Demgegenüber betrachten Analysen im Workflow-Segment die konkret ausgeführten Abläufe (Prozessinstanzen). Damit wird der Schritt vom Soll zum Ist vollzogen. Die Auswertungen können sich auf einzelne Abläufe (zur Erfüllung von Nachweispflichten) oder ganze Prozessgruppen beziehen (beispielsweise durchschnittliche Abarbeitungsdauer, aufgetretene Engpässe, Abweichungen zu Soll-Vorgaben). Zudem wird zwischen einer Vergangenheitsbetrachtung (Reporting: Abgearbeitete Prozesse) und der Analyse der Gegenwart (Monitoring: Aktueller Prozessstatus) unterschieden.

Im Bereich Kennzahlen gibt es darüber hinaus Spezialisten. Diese widmen sich entweder besonderen fachlichen Analysen (Balanced Scorecard) oder stellen besondere Funktionen (beispielsweise die Simulation von Prozessverläufen) zur Verfügung.

BPM-Werkzeuge werden zumeist in den Bereichen Visualisierung, Auswertung und Ausführung verwendet.
Foto: BARC

Wie viel Software braucht das Projekt?

Obwohl manche Anbieter mehrere Marktsegmente abdecken, lässt sich bei vielen Systemen ein klarer Funktionsschwerpunkt erkennen. Das liegt daran, dass sich die notwendigen Inhalte der Prozessmodelle für die Visualisierung und die Ausführung unterscheiden. Man muss zwischen fachlichen und technischen Modellen trennen.

Fachliche Modelle muss der Mensch verstehen. Dazu werden alle Aktivitäten grafisch gut visualisiert, die Anwender können bei Bedarf zwischen den Sichten wechseln - beispielsweise die Ablaufsicht, die Sicht auf Ressourcen und die Sicht auf die Organisation. Zudem können sie auf verknüpfte Zusatzinformationen wie hinterlegte Handbücher zurückgreifen. Die fachlichen Modelle enthalten Elemente, welche für die technische Ausführung nicht relevant sind, wie beispielsweise grafische Einstiegspunkte in Form von Prozesslandkarten oder einzelne Schritte, welche die Mitarbeiter manuell ohne Systemunterstützung vornehmen. Dazu gehören Dinge wie "Dokument aus dem Drucker nehmen und unterschreiben" oder "Material in der Maschine nachfüllen".

Probleme mit BPM-Lösungen

Keine Möglichkeiten zur Simulation oder Trendvoraussage

Kein verlässliches Monitoring

Große Verständnislücken zwischen Fachbereich und IT-Abteilung

Nur mit hohen Kosten und/oder viel Zeit erweiter-, anpass- oder optimierbar

Von Mitarbeitern nicht akzeptiert

Zu kompliziert

Die technischen Modelle dienen der Prozesssteuerung durch die Workflow Engine. Alle Teilschritte müssen so spezifiziert werden, dass der Computer sie entweder eigenständig ausführen kann oder dass klare Eingaben vom Benutzer über entsprechende Masken gefordert werden. Daher sind oft noch technische Details zu ergänzen, beispielsweise der Zugriff auf Daten und Funktionen aus Drittsystemen. In diesen Modellen werden auch Aufgaben definiert, die vollständig ohne Zutun - und oft auch ohne genaues Wissen - des Anwenders umgesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise die Aufgaben "Restbudget ermitteln" oder "zuständigen Entscheider bestimmen".

Kunden unterscheiden daher gezielt zwischen den Prozessvarianten und haben oft bewusst Systeme aus beiden Kategorien im Einsatz. Der Vorteil einer Suite ist, dass der Basisprozess identisch ist und Änderungen in beiden Welten bereit stehen. Allerdings müssen die spezifischen Anpassungen an das fachliche oder technische Modell auch hier nachgearbeitet werden. Bei der Nutzung von unterschiedlichen Systemen sind alle Änderungen immer in zwei Systemen nachzuvollziehen - von der Bedienung her allerdings auf das Zielsegment abgestimmt. Der Gesamtaufwand kann damit geringer sein.

Ob Anwender auf das fachliche oder das technische BPM-Modell setzen sollten, hängt vom konkreten Einsatzzweck ab.
Foto: BARC

Technisches vs. fachliches Modell

Ein Beispiel für die Unterschiede zwischen technischem und fachlichem Modell ist die (vereinfachte) Rechnungseingangsbearbeitung. Manche Aktivitäten werden vom Anwender ohne Systemunterstützung umgesetzt, sind also nur für die Visualisierung relevant. Andere Aktivitäten sind automatisiert, das System erledigt diese ohne Nutzerinteraktion. Daher sind sie nur für das technische Modell relevant. Die dritte Form von Aktivität beschreibt die systemgestützte Arbeit des Anwenders, ist also in beiden Modellen relevant. Allerdings kann sich die konkrete Ausgestaltung der Aktivitäten in technischem und fachlichem Modell unterscheiden, da beispielsweise im technischen Modell zusätzliche Steuerparameter angegeben sind. (sh)

Am Beispiel der Rechnungseingangsbearbeitung lassen sich die Unterschiede der BPM-Modelle gut nachvollziehen.
Foto: BARC

Beispiel: Fachliches Modell vs. technisches Modell

Aktivität

Fachliches Modell

Technisches Modell

A1: Rechnung scannen

Anweisung für die Handgriffe des Mitarbeiters

(keine Systemaktion oder Speichern des gescannten Dokuments)

A2: Rechnung erkennen

Mitarbeiter kann an der Verschlagwortungsmaske die Indexierung ergänzen

System kann regelgesteuert Indexinformationen auslesen

A3: Papierdokument ablegen

Anweisung für den Mitarbeiter

(keine Systemaktion)

E1: Entscheidung: mit oder ohne Bestellbezug

A4: Bearbeitungsfrist setzen

(keine Nutzeraktion)

System definiert anhand von Regeln, wann die (folgende) Aufgabe bearbeitet ist

A5: Rechnung freigeben

Mitarbeiter gibt Freigabe oder verweigert diese

System stellt die Eingabemaske bereit

A6: Rechnung automatisch verbuchen

Mitarbeiter gibt Freigabe oder verweigert diese

System stellt die Eingabemaske bereit

A7: Rechnungseingangsbuch prüfen

Mitarbeiter sieht und bearbeitet Übersicht

System stellt Übersicht bereit