Materialwirtschaft, Controlling, Rechnungswesen

Was leistet ERP als Software as a Service?

03.06.2013 von Uwe Küll
Immer mehr Firmen interessieren sich für SaaS-Modelle, sind beim Thema ERP aber noch zurückhaltend. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen sind derlei Angebote jedoch interessant.
Foto: Sergey Nivens, Shutterstock.com

Software as a Service (SaaS) spielt im ERP-Bereich im Vergleich zu anderen Anwendungen wie etwa Customer-Relationship-Management (CRM) bislang eine eher untergeordnete Rolle in Deutschland. Nahezu alle klassischen ERP-Funktionen wie Finanzbuchhaltung, Materialwirtschaft, Projekt-Management oder Marketing und Verkauf lassen sich heute auch als Cloud-Lösung realisieren. Haben die deutschen Anwender das Cloud-Konzept noch nicht verstanden?

"So kann man das nicht sagen", meint Steve Janata, Senior Advisor bei der Experton Group. "es gilt zu unterscheiden zwischen ERP aus der Cloud, bei dem der Kunde ein speziell für ihn gehostetes und für seine Anforderungen konfiguriertes und angepasstes ERP-System, etwa von SAP einsetzt, und einem echten Software-as-a-Service-Angebot. Letzteres zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es einmal standardisiert bereitgestellt und dann von vielen Instanzen genutzt wird."

Hemmschuh Individualisierung

Allerdings setzen deutsche Firmen bei der ERP-Software immer noch sehr oft auf weitgehend individualisierte Systeme. Daher sind es bislang nur wenige, meist kleine Unternehmen, die ein hoch standardisiertes ERP-as-a-Service-Angebot wahrnehmen. Doch das dürfte sich in absehbarer Zeit ändern. Denn einerseits arbeiten die Hersteller intensiv daran, die großen Pakete in kleinere Einheiten aufzuspalten, die dann in Teilprozessen als standardisierter Service eingesetzt werden können.

Und andererseits dürften immer mehr Anwenderunternehmen darauf kommen, dass sich der Aufwand, den sie für die Nutzung ihrer individualisierten Lösung betreiben, nur selten wirklich rechnet. Die Folgen beschreibt Frank Naujoks, Product Marketing Manager Dynamics AX bei Microsoft, so: "Wir stellen generell fest, dass Unternehmen wieder stärker auf Standards setzen als auf eine hundertprozentige Abdeckung ihrer Anforderungen durch die Anpassung der Software."

Die Vorteile des Cloud Computings
Speziell für kleine und mittelständische Betriebe stellen Anfangsinvestitionen in die IT eine enorme Hürde dar. Cloud-Modelle bieten als Alternative nicht nur die Chance, Kapitalkosten in Betriebskosten umzuwandeln, sondern auch unter dem Strich zu sparen.
Cloud-Services verhindern ...
... den Kapitaleinsatz bei der IT-Ausstattung weitgehend (Capex). Technische oder personelle Ressourcen entfallen.
Es muss kein zusätzliches Know-how ...
... im Unternehmen aufgebaut werden.
Weil sich die Experten des IT-Dienstleisters ...
... um die kontinuierliche Funktionsfähigkeit der IT kümmern, werden Entscheidungsträger entlastet – von Installationsfragen über den Ausbau bis zu Austausch- und Skalierungsfragen.
Das Cloud-Modell vereinfacht ...
... eine Reihe von IT-Aufgaben: Implementierung, Upgrades, Downgrades, neue Releases, Patch-Management, wichtige Updates, laufende Erweiterungen und Fehlerbeseitigung.
Cloud-Lösungen gewährleisten die ...
... Einhaltung von Compliance-Richtlinien.

Attraktiv für kleine und mittlere Unternehmen

Das sieht Janata ähnlich: "Allein das Einspielen eines mittleren Updates kostet viele Firmen mehrere Tage, bis die ERP-Software wieder richtig läuft." Bei SaaS-Angeboten entfalle dieser Aufwand für den Anwender komplett. Denn in diesem Modell werde die Software vom Hersteller im Hintergrund permanent gepflegt, ohne dass der Anwender dadurch beeinträchtigt wird. "Und die Kosten sind mit der monatlichen Benutzungsgebühr abgedeckt." Peter Dibbern, Leiter Business Development bei Psipenta, betont in diesem Zusammenhang: "Cloud Computing hat vor allem auch kleinsten Organisationen den Zugang zu ERP-Prozessunterstützung ermöglicht. Vor der Cloud konnten sich diese Firmen Technologien wie ERP-Systeme einfach nicht leisten."

Hinzu kommt das Thema Sicherheit, das aufgrund steigender Compliance-Anforderungen an Bedeutung gewinnt: "In puncto Security ist das Cloud-Modell besonders für mittelständische Unternehmen attraktiv, da sie so das Sicherheitsmaß eines ausfallsicheren Rechenzentrums erhalten, was ansonsten für kaum einen Mittelständler bezahlbar wäre", sagt Godelef Kühl, Vorstandsvorsitzender der Godesys AG.

Wie das in der Praxis aussieht, beschreibt Andree Stachowski, Mitglied der Geschäftsleitung der All for One Steeb AG: "Der Betrieb etwa von SAP Business ByDesign erfolgt in den Rechenzentren von SAP in St. Leon-Rot. Für Cloud-Services wie Managed Mail nutzen wir unsere Rechenzentren in Frankfurt." Alle Rechenzentren befänden sich in Deutschland, sagt der Manager. Sie unterlägen den als besonders hoch eingestuften Sicherheitsstandards und seien gegen Ausfälle stark geschützt. Bei reinen Cloud-Landschaften würden alle Transaktionen im Rechenzentrum verarbeitet, die daher naturgemäß besonders sicher sind. "Übrigens wandern auch herkömmliche On-Premise-Lösungen zunehmend in unsere Rechenzentren, weil sie hier unter Sicherheitsaspekten einfach besser aufgehoben sind."

Skalierungseffekte überzeugen

Für Andreas Schwend, geschäftsführender Gesellschafter, dmc digital media center GmbH, hat der Megatrend Cloud Computing ERP in seiner Rolle als zentrale Steuerungseinheit deutlich gestärkt: "Für Unternehmen ist das ERP dadurch standort- und situationsunabhängig verfügbar. Darüber hinaus tragen die Cloud-Technologien zu einer flexiblen Skalierung der ERP-Systeme bei, die für E-Commerce-Geschäftsmodelle notwendig ist." Allerdings kann ERP-Software as a Service aufgrund der Standardisierung in der Tiefe der Prozessunterstützung mit den On-Premise-Angeboten nur eingeschränkt mithalten. Alexander Pohl, Vorstand der Scopevisio AG, betont jedoch: "In Sachen Funktionalität haben die vergleichsweise jungen On-Demand Anwendungen gegenüber den etablierten On-Premise-Angeboten inzwischen stark aufgeholt."

10 Trends im ERP-Markt 2013
Für das Jahr 2013 sind wichtige Entwicklungen in Sachen ERP-Software und ERP-Markt abzusehen. Für Anwender interessant zu wissen, denn ERP-Systeme bilden das Rückgrat der betrieblichen Informationsverarbeitung und verschlingen einen großen Teil des jährlichen IT-Budgets.
1. Der ERP-Markt bleibt dynamisch
Die schon seit Jahren vorhergesagte, aber bisher nicht eingetroffene Konsolidierung des Marktes für Enterprise Resource Planning wird auch 2013 nicht erfolgen. Zwar werden wieder einige traditionelle Anbieter aufgeben oder Systeme aus der aktuellen Weiterentwicklung nehmen, aber dieser Effekt wird durch zwei wesentliche Zuflüsse neuer ERP-Anbieter mehr als ausgeglichen: zum einen drängen noch immer internationale Anbieter auf den deutschen Markt, wie in den letzten Jahren Plex oder Jeeves. Zum anderen entwickeln sich bisherige Nischenanbieter mehr und mehr zu vollwertigen ERP-Anbietern, etwa der Berliner Anbieter Projektron, der mit seiner Lösung BCS ein vollwertiges ERP-System für projektorientierte Dienstleister anbietet.
2. Weiter hohe Investitionsbereitschaft
Die vom Center for Enterprise Research betriebene ERP-Trendstudie 2012 brachte eine erstaunlich hohe Investitionsbereitschaft der ERP-Anwender ans Licht. Fast 70 Prozent der Unternehmen befassen sich derzeit mit Investitionen in ihre ERP-Landschaft, das heißt, planen in ihre ERP-Systeme zu investieren oder machen gegenwärtig bereits. Vor diesem Hintergrund ist mit einer erheblichen Abkühlung der Investitionsbereitschaft im ERP-Umfeld im Jahr 2013 nicht zu rechnen.
3. ERP-Bedeutung nimmt ab
Trotz der hohen Investitionsbereitschaft sind die Tage gezählt, in denen das ERP-System die einzige unternehmensweite Anwendungslösung darstellte. Gerade Unternehmen mit spezialisierten Prozessen gehen zunehmend dazu über, neben das ERP-System weitere unternehmensweit genutzte Anwendungen zu stellen. Dennoch bleibt das ERP-System weiterhin der Maßstab für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Geschäftsabläufe und auch führendes System für die meisten Stammdaten.
4. Anbieter werden professioneller
Viele deutsche Mittelständler haben sich zu internationalen Weltmarktführern entwickelt und ihre Organisation sowie ihren Auftritt entsprechend angepasst. Die Softwarelieferanten dieser "Hidden Champions" haben diese Professionalisierung bisher erst teilweise absolviert. Das Center for Enterprise Research sieht jedoch bei vielen Anbietern große Anstrengungen, die für Softwareanbieter wichtigen Prozesse Vertrieb, Support und Entwicklung deutlich zu professionalisieren.
5. Big-Data-ERP ohne Business Analytics
Während noch vor wenigen Jahren die Beschaffung von Daten über Kundenverhalten oder Fertigungsprozesse ein großes Problem darstellte, hat sich der Fokus nunmehr auf die Auswertung dieser großen Datenmengen - Big Data - verschoben. Eine aktuelle Untersuchung des Lehrstuhls www.wettbewerbsfaktor-analytics.de zeigt, dass ERP-Systeme in diesem Punkt wenig leistungsfähig sind und sich dieses Manko in naher Zukunft auch kaum ändern wird.
6. ERP muss Prozesse besser abbilden
Die Anbieter kämpfen gegenwärtig mit ganz anderen Baustellen. Immer mehr Kunden verlangen umfassende Lösungen für das Geschäftsprozess-Management, die eng mit dem ERP-System verzahnt sind. Im Idealfall ist dies nicht nur für das Einführungsprojekt von Vorteil, sondern auch für Schulung und Support in der Betriebsphase. Diesen Anforderungen werden die Anbieter unterhalb der SAP-Liga derzeit nur unzureichend gerecht.
7. Technologie und Architektur werden wichtiger
Der Hype um serviceorientierte Architekturen ist weitgehend vorbei. Nachdem sich der Pulverdampf um dieses Thema verzogen hat, wird folgendes deutlich: Die Anwender schauen stärker auf die Architektur und den Beitrag der vom ERP-Anbieter verwendeten Technologie zur Integrationsfähigkeit ihres ERP-Systems. Dabei ist nach wie vor die Funktionalität eines der wichtigsten ERP-Auswahlkriterien.
8. ERP wird mobiler
Der Trendreport der Universität Potsdam zeigt bei mobilen Lösungen einen deutlichen Unterschied zwischen den Interessen der Anwender und den Investitionsschwerpunkten der Anbieter. Während für Anbieter der Funktionsausbau für mobile ERP-Oberflächen den wichtigsten Entwicklungsschwerpunkt darstellt, ist das Interesse der Anwender noch eher zurückhaltend. 40 Prozent der befragten Unternehmen haben derzeit kein oder nur ein geringes Interesse an mobilen Lösungen.
9. Die Cloud bleibt wolkig
Kaum ein Thema wurde 2012 so intensiv diskutiert wie Cloud Computing. Wesentliche Hürden sind dabei, wie vertrauliche Informationen behandelt werden, und wie die Abrechnung der genutzten Services erfolgt. Folgender bisher weniger stark diskutierter Aspekt wird 2013 jedoch stärker ins Bewusstsein treten: die sehr stark branchenbezogene Cloud-Nutzung. Während die Serienfertiger zu fast 80 Prozent eine abwartende Haltung einnehmen, besteht bei 50 Prozent des stationären Handels und sogar 60 Prozent des Online-Handels ein starkes Interesse an Cloud-Lösungen.
10. ERP ist spannend
Das Schöne an den vorgestellten Trends und Entwicklungsperspektiven ist, dass Anbieter und Anwender durch ihr Marktverhalten dazu beitragen können, diese Trends zu gestalten. Insofern wird 2013 auch wieder ein spannendes ERP-Jahr werden.

Anwenderakzeptanz steigt

CRM, Verkauf, Marketing, Projekt-Management, Materialwirtschaft, Produktion, Dokumenten-Management, Finanzbuchhaltung - alle typischen ERP-Funktionen ließen sich heute in einer modernen Cloud-Lösung abbilden, sagt Pohl. Cloud-Lösungen spielten ihre Stärke aber weniger auf der Ebene der Funktionalität aus. Entscheidend seien vielmehr die Vorteile, die sich durch die schnelle Implementierung, den günstigen Betrieb, die hohe Datensicherheit und den mobilen Zugriff ergeben. Um in den Genuss dieser Vorteile zu kommen, müssten sich die Anwender allerdings auf Standards einlassen, was manchen Firmen noch schwerfällt.

Gerade im Dienstleistungssektor steige die Anwenderakzeptanz jedoch. Ähnlich sieht das Thomas Rosenstiel, Director Europe bei Plex Systems: "Cloud- und SaaS-Migrationen sind in Teilen disruptive Entwicklungsschritte. Sich für eine Cloud-Lösung als zentrale Unternehmensanwendung zu entscheiden verändert vieles, was in den letzten 20 Jahren als richtig gegolten hat." Sich darauf einzulassen erfordere Vertrauen. Deshalb vollziehe sich der Wandel nicht auf breiter Front mit einem Schlag. Doch in Teilen des Mittelstands habe er bereits begonnen. Einführungszeiten von wenigen Wochen anstelle von Monaten sowie transparentere Kosten dürften ihren Teil dazu beitragen, dass diese Entwicklung vorerst anhält.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation TecChannel. (mhr)