Ratgeber Open Source

Was ist das richtige CMS?

21.06.2010 von Timm  Beyer
Quelloffene Content-Manament-Systeme (CMS) wie Drupal, Joomla und Typo3 sind reif für den professionellen Einsatz.
Quelle: Fotolia/Phototom
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Der Einsatz von Content-Management-Systemen (CMS) hat sich in der Website-Erstellung schon vor geraumer Zeit durchgesetzt. Dabei haben sich auch einige Open-Source-Systeme als leistungsstarke Konkurrenten für kommerzielle CMS-Produkte etabliert. Angesichts dieser Vielfalt fällt die Auswahl schwer. In diesem Beitrag werden daher typische Einsatzfelder in Unternehmen skizziert und die jeweils passende Open-Source-Lösung dafür vorgeschlagen. In die Betrachtung wurden die Systeme Typo3, Joomla, Drupal und WordPress aufgenommen, insbesondere aus Gründen der großen Verbreitung. Folgende Fallbeispiele können als Entscheidungshilfe dienen.

Szenario 1: Mehrsprachige Internet-Präsenz und umfangreiches Intranet

In einem Unternehmen mit einer zentralen Web-Präsenz und mehreren Websites verschiedener Tochtergesellschaften ergeben sich häufig hohe Anforderungen an die Abstimmungsprozesse. Sollen neue Inhalte eingepflegt werden, ist ein hierarchisch angelegter und klar definierter Ablauf erforderlich. Die Freigabeprozesse für neue Inhalte können mitunter komplex sein, weil es verschiedene Nutzergruppen mit unterschiedlichen Rechten gibt, die Inhalte ändern und anlegen dürfen. Ein effizientes Handling von Mehrsprachigkeit wird vorausgesetzt.

Umsetzungsvorschlag: Typo3

Typo3 erfüllt die oben genannten Kriterien, wenngleich die Benutzerführung nicht ganz einfach ist. Das Open-Source-CMS pflegt eine strikte Trennung von Front- und Backend und bietet ein vergleichsweise hohes Maß an Flexibilität und Leistungsfähigkeit. Die zentralisierte Verwaltung ermöglicht ein strukturiertes Management der themenbezogenen Inhalte. Eine differenzierte Rechteverwaltung und die überwiegend ausgereiften Workflow-Elemente für den redaktionellen Freigabeprozess ergeben eine leistungsstarke Alternative zu kommerziellen CMS-Produkten. Die Erweiterungen sind vielfältig, so dass sich Typo3 flexibel ausbauen lässt. Im zentralen Typo3 Extension Repository sind über 3.000 Extensions abgelegt. Die Flexibilität hat ihren Preis: Typo3 erfordert von den hier genannten CMS-Systemen den höchsten Aufwand bezüglich der Konfiguration. Zudem genügt das Shop-Modul noch nicht höchsten Ansprüchen.

Bei der Umsetzung und der Weiterentwicklung haben Kunden die Möglichkeit, sich durch eine Vielzahl von erfahrenen Agenturen beraten und schulen zu lassen. Eine rege Community hilft bei der Weiterentwicklungen und Integration.

Szenario 2: Online-Community und Kampagnen-Website

Communities sind fester Bestandteil vom Web 2.0. Die Interaktion zwischen den Usern sowie die direkte Kommunikation zwischen Firmen und Kunden können für Hersteller bei der Kundenzufriedenheitsanalyse sowie der Weiter- und Neuentwicklung von Produkten nützlich sein. Daher ist der so genannte User Generated Content, also der von Nutzern gemeinsam erstellte, verwaltete und bearbeitete Inhalt, ein wichtiger Bestandteil von Websites. Ebenso bedeutend sind interaktive Elemente, damit sich User im Rahmen einer Community untereinander austauschen. Dabei sollte das Rechte-Management hierarchisch und flach sein, also kaum zwischen einfachen Benutzern und Administratoren (auf Oberflächenebene) trennen. Dennoch sind dedizierte Moderatorenrechte für das Community-Management erforderlich.

Einen Sonderfall mit Wachstumspotenzial stellen Websites mit aktuellem Produkt- oder Event-Bezug dar. Beispiele hierfür sind Websites für Kinofilme, Online-Spiele oder Konzerte sowie neue oder neu aufgelegte Produkte. Häufig gehen diese Websites mit Werbekampagnen einher, die zunehmend darauf abzielen, direkten Kontakt zu potenziellen und existierenden Kunden aufzubauen. Um die Kundenbindung zu erhöhen, bauen Firmen temporäre Communities auf, in denen sie die Mitglieder dazu animieren, eigene Meinungsbeiträge und Inhalte zu erstellen.

Umsetzungsvorschlag: Drupal

Das weltweit am häufigsten genutzte Open-Source-CMS Drupal bietet sich für Webseiten mit intensiven Interaktionen und ausgeprägtem Community-Charakter an. Drupal verfolgt ein modulares Konzept, das auf einer Grund-Distribution (Core) mit den wichtigsten Funktionen basiert, die wiederum als Module realisiert sind. Dazu gehören eine Reihe von Web-2.0-Funktionen wie ein Community- und ein Blog-Modul sowie eine Lösung für RSS-Feeds.

Darüber hinaus gibt es mehr als 2.500 Module, die die weltweit tätige User-Group ständig weiterentwickelt und verfeinert. Ein "Lock-In" aus Kundensicht droht bei Drupal-Installationen damit nicht. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile genügend Entwickler mit Drupal-Erfahrung.

Neue Module werden mit hoher Frequenz hinzugefügt. Die Drupal-Gemeinde hat beispielsweise eine Twitter-Anbindung schnell zur Verfügung gestellt. Ein typisches und aktuelles Beispiel für die Vorteile des modularen Aufbaus von Drupal ist der Einsatz des Semantic-Web-Tools OpenCalais. Der Webservice der Nachrichtenagentur Thomson Reuters versieht Inhalte automatisch mit Tags. Die erzeugten Schlagworte sind verblüffend treffend und erlauben eine gute Zuordnung und Suche der Texte ohne mühsames manuelles Tagging. Installation und Einsatz dieses Tools ist in Drupal in wenigen Arbeitsschritten erledigt.

Szenario 3: Kleine Internet-Präsenz

In kleinen und mittelständischen Unternehmen ohne große IT-Ressourcen steht der IT-Entscheider häufig vor der Aufgabe, die eigene Internet-Präsenz so einfach und effektive wie möglich zu organisieren. Der Site-Administrator soll Inhalte schnell und ohne fremde Hilfe verändern können. Ausgefeilte Abstimmungsprozesse mit unterschiedlichen Rechtekategorien sind in diesem Szenario nicht erforderlich. Die Online-Präsenz beschränkt sich auf eine zentrale Web-Seite. Weitere Online-Sites von Tochtergesellschaften und Ländergesellschaften gibt es nicht oder sind nicht betroffen.

Umsetzungsvorschlag: Joomla

Hier bietet sich aufgrund der einfachen Installation, intuitiven Bedienbarkeit und geringen Einarbeitungszeit das Open-Source-CMS Joomla an. Es bietet nicht zuletzt dank seiner großen Community eine vielfältige Auswahl an Templates und Layout-Vorlagen. Ähnlich wie in Drupal lassen sich in Joomla viele verschiedene Module und Komponenten integrieren, wenngleich die Vielfalt nicht ganz so groß ist. Dennoch ist der Funktionsumfang erheblich und kann den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Joomla punktet in Bezug auf Unterstützung durch einen breiten Anwenderkreis, bedarf aber einer intensiven Einarbeitungszeit bei Anpassungen, denn es benötigt eine systemspezifische Scriptsprache. Auch für Workflow-lastige Implementierungen eignet sich Joomla nicht wirklich: redaktionelle Prozesse werden lediglich mit einem sehr einfach gehaltenen Freigabemodus und entsprechender E-Mail-Benachrichtigung abgebildet. Sollte es erforderlich sein, Inhalte verschiedener Autoren einzubinden, wäre Drupal eine sinnvolle Alternative zu Joomla.

Szenario 4: Kleine Internet-Präsenz mit Blog

Viele Anbieter betreiben Websites, um mit Kunden zu kommunizieren. Das kann für Freiberufler genauso gelten wie für kleine Firmen, die ihre Kompetenz darstellen und sich mit Interessenten und Kunden austauschen wollen. Die Firmenstruktur ist übersichtlich und das Rechtesystem kaum hierarchisch. Komplexere Interaktionselemente sind nicht erforderlich.

Umsetzungsvorschlag: WordPress

Aufgrund der starken Fokussierung auf die Blog-Funktionalität bietet sich für diesen Fall WordPress an. WordPress konzentriert sich auf Ästhetik und Usability, außerdem orientiert sich das Open-Source-CMS an Web-Standards. WordPress sollte als CMS ernst genommen werden. Zwar ist es funktional begrenzt, dafür zeichnet es sich durch einfache Bedienung bei Eingabe und Bearbeitung der Inhalte aus. Somit halten sich sowohl Einführungsaufwand als auch Einarbeitungszeit für die Anwender in Grenzen.

Tabelle: CMS-Systeme auf einen Blick

Die Fallbeispiele und Vorschläge können nur Hinweise auf ein geeignetes Content-Management-System geben. Wie in jedem Softwareprojekt sollte vor dem Projektbeginn eine genaue Analyse der gewünschten Anforderungen stehen, die dann in eine Spezifikation einfließen sollte. Diese Fragen sollten vor Projektstart geklärt werden:

• Technologie: Welche Programmiersprachen und Datenbanken werden möglicherweise aus internen Gründen favorisiert?

• Flexibilität: Welche Funktionen sind erforderlich? Ist eine spätere Erweiterung wichtig?

• Aufwand: Welches Budget steht zur Verfügung? Wie schnell und wie einfach lässt sich ein CMS integrieren?

• Komplexität: Ist ein differenziertes Rechtesystem erforderlich? Wie hoch ist der Einarbeitungsaufwand? Welche internen Kompetenzen sind vorhanden?

• Kompatibilität: Wie fügt sich das CMS in vorhandene und geplante Drittsysteme ein?

• Infrastruktur: Kann ein CMS in der vorhandenen IT-Infrastruktur problemlos betrieben werden?

Typo3

Drupal

Joomla

Wordpress

Programmier-sprache

PHP

PHP

PHP

PHP

Datenbanken

MySQL, PostgreSQL, Oracle

MySQL,
PostgreSQL

MySQL

MySQL

Modulangebot

Relativ hoch

Sehr hoch

Mittel

Niedrig

Rechtesystem

Ausgefeilt

Relativ
ausgefeilt

Weniger
ausführlich

Weniger ausführlich

Einführungs-aufwand

Relativ hoch

Mittel

Gering

Gering

Lernaufwand

Hoch

Mittel

Gering

Gering

Anwendung

Großes Unternehmens-portal, Intranet.

Community, Unternehmens-portal, Intranet, Kampagnen-Website.

Kleines Unternehmens-portal, Kleine Unternehmens-Website.

Kleine Unternehmens-Website, Blog.