Exklusiv-Umfrage von CW fokus Mittelstand und Pierre Audoin Consultants

Was hält der Mittelstand von seiner IT?

11.09.2003 von Christian Glas
Informationstechnik kostet Geld. Geld, das immer weniger Unternehmen haben. Umso wichtiger ist die Frage: Was bringt die IT für das Unternehmen? Mehr als 160 Anwender haben dazu im Rahmen einer Online-Befragung ihre Meinung gesagt.

AUF DER SUCHE nach neuen Wachstumsimpulsen stieß die ITIndustrie Anfang 2002 auf eine lang vernachlässigte Kundengruppe: den Mittelstand. Seitdem gilt er als der neue Hoffnungsträger für die darbende IT-Industrie. Kaum eine Woche, in der nicht neue Initiativen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) vorgestellt werden. Sie sehen sich umworben wie nie zuvor. Dabei wird gerne unterstellt, der Mittelstand habe einen großen Nachholbedarf in Sachen IT, weil er mit veralteten Systemen arbeite, die seine Prozesse nur ungenügend unterstützen. Doch die Teilnehmer der Exklusivumfrage von CW fokus Mittelstand und PAC sehen das anders: Prozesse und Funktionen in ihren Unternehmen bewerten sie größtenteils gut. Und wenn die Abläufe einmal schlecht abschneiden, kommt die dafür eingesetzte Software in der Regel besser weg.

Insgesamt am besten steht die Finanzbuchhaltung da. Die Teilnehmer der Untersuchung bewerteten Prozesse und Funktionen in diesem Bereich nach dem Schulnotenprinzip mit der Note 2,3, stuften sie also als „gut“ ein. Entsprechend zufrieden sind die Anwender mit ihrer eingesetzten Fibu-Software: Die Durchschnittsnote ist 2,29. Noch besser schnitt nur die Personalwesensoftware ab - mit 2,17. Einer der Gründe für die gute Beurteilung ist sicherlich, dass in beiden Bereichen bereits seit Jahren eine Vielzahl von Standardprodukten existiert. Angesichts dieser Situation überrascht es denn auch nicht, wenn die Anwender sich hier zurückhaltend mit neuen Investitionen verfahren: Fast die Hälfte (46 Prozent) wollen beispielsweise im nächsten Jahr gar nicht oder zumindest weniger Geld in IT für die Finanzbuchhaltung investieren. Industrieunternehmen sind dabei etwas spendabler als Dienstleister.

Wesentlich weniger zufrieden zeigten sich die Befragten mit ihren Prozessen im Bereich Logistik und Supply-Chain-Management (SCM). Sie brachten es gerade mal auf eine Durchschnittsnote von 2,9. Zu wenig, sollte man meinen, in einem Bereich, dem immer wieder erfolgskritische Bedeutung im Wettbewerb zugemessen wird. Trotzdem ist die Investitionsbereitschaft für diese Prozesse verhältnismäßig gering: 24 Prozent der KMUs werden 2003 gar nicht investieren, nur 22 Prozent haben vor, ihre Investitionen zu erhöhen. Misstrauen gegenüber der Technik aufgrund schlechter Erfahrungen kann dafür nicht der Grund sein. Denn die befragten Unternehmen gaben ihren bereits installierten Lösungen die Durchschnittsnote 2,37. So sind wohl eher die hohen Kosten für SCM-Lösungen ausschlaggebend für die Investitionszurückhaltung. Für 2004 sind denn auch höhere Ausgaben geplant. Die Mittelständler warten anscheinend auf bessere Geschäfte, um das Geld für diese teure Technologie aufbringen zu können.

Im Unterschied dazu sind die Unternehmen bei Marketing-, Sales- und Kunden-Management- Lösungen (CRM) deutlich investitionsfreudiger. So wollen nur zwölf Prozent der Mittelständler in diesem Jahr hier nicht investieren. In 2004 sind es sogar nur neun Prozent. Und in beiden Jahren planen mehr als 40 Prozent höhere Budgets dafür ein. Offensichtlich lebt das vielfach bereits totgesagte Thema CRM weiter und steht auch im Mittelstand ganz oben auf der Agenda der Anwender. Dabei sind die Unternehmen mit einer Durchschnittsnote von 2,36 auch in diesen Bereichen relativ zufrieden mit der bereits installierten Software. Deutlich weniger Handlungsbedarf sehen die Befragten im Einkauf und bei der Produktentwicklung. Zwar werden diese Prozesse mit 2,7 und 2,8 relativ schlecht benotet, aber es scheint, als könne der Mittelstand damit leben. Denn in beiden Bereichen planen mehr als ein Drittel der Unternehmen für dieses Jahr gar keine oder geringere Ausgaben. Vielleicht traut man aber auch den Lösungen in diesem Bereich weniger zu: Mit jeweils 2,6 schneiden auch die vorhandenen Systeme schlechter ab als der Durchschnitt.

Dünnes Liquiditätspolster

Der Mittelstand als Goldgrube der IT-Branche - dieses oft beschworene Bild wackelt angesichts solcher Ergebnisse. Dennoch: Das IT-Budget 2003 entwickelt sich bei 43 Prozent der Befragten steigend, und 19,4 Prozent werden ihre Ausgaben in diesem Jahr sogar um mehr als ein Zehntel erhöhen. Weitere 29,9 Prozent halten das Vorjahresniveau. Nur 27,1 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine Kürzung ihrer ITAusgaben für 2003. Mehr als die Hälfte von ihnen streichen allerdings gleich über zehn Prozent. Interessanterweise sind die Aussichten bei Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern besser als bei den Unternehmen zwischen 100 und 1000 Mitarbeitern. Alles in allem erscheinen die Unterschiede zwischen den Unternehmensgrößen jedoch nicht auffällig.

Auch die wesentlichen Einflussfaktoren für die Entwicklung der IT-Ausgaben sind für alle Unternehmensgrößen im Mittelstand die gleichen: Das Liquiditätspolster von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist bekanntermaßen sehr dünn. Größere IT-Investitionen sind für sie in Zeiten einer siechenden Wirtschaft kaum zu stemmen. Während Großunternehmen in der Lage sind, antizyklisch in die IT zu investieren, um sich für den kommenden Aufschwung einen strategischen Vorteil zu verschaffen, tun sich Mittelständler hier schwerer: Immerhin 49 Prozent geben fehlende Budgets als Haupthemmnis für IT-Investitionen an. Die zu hohen Kosten für IT-Lösungen halten ein Drittel von weiteren Investitionen ab. Auch hier also spielt das Geld eine Rolle.

Bleibt die Frage: Welche Arten von Investitionsvorhaben werden unter diesen Bedingungen favorisiert? Hier zeigt sich, dass es auf dem Gebiet der Standardsoftware zurzeit tatsächlich einen Nachholbedarf bei mittelständischen Unternehmen gibt. So sagen nur 23 Prozent der Mittelständler, dass sie 2003 überhaupt nicht in neue Software investieren wollen. 26 Prozent der KMUs rechnen dagegen mit Mehrausgaben in diesem Bereich, und für Upgrades bestehender Software stellen sogar 28,5 Prozent der Befragten heuer mehr Geld bereit. Anders sieht es bei der Prozessberatung aus. Für 32 Prozent der KMUs kommt diese Dienstleistung in diesem Jahr überhaupt nicht in Frage. Auch die Entwicklung von kundenspezifischer Software ist für ein knappes Drittel ein Tabuthema.

Probleme haben die KMUs also offenbar nicht mit hohen Preisen von Softwarelizenzen, sondern mit den Kosten des damit verbundenen Projektgeschäfts. Dahinter steckt wohl die Erkenntnis: Eine teure Software, die sich leicht anpassen und integrieren lässt, kommt unter dem Strich oft billiger als günstige Software, die einen hohen Projektaufwand nach sich zieht.

Preis entscheidet nicht allein

Bei der Auswahl der Software stehen denn auch die Faktoren Preis (Lizenzen, Implementierungsaufwand) und Implementierungsdauer an erster Stelle. Mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen halten diese Kriterien jeweils für wichtig oder sehr wichtig. Das Thema Kompatibilität zu anderen IT-Systemen spielt ebenfalls für über 90 Prozent eine große Rolle, die Abdeckung möglichst vieler Themen im Sinne einer integrierten ERP-Software erwarten 86 Prozent. Die „möglichst weitreichende Anpassung an die eigenen Bedürfnisse“ halten immerhin noch 84 Prozent für wichtig. Ähnlich hohe Werte erreichen die Ausrichtung auf den Mittelstand (83 Prozent), Skalierbarkeit (82 Prozent) und Trainingsaufwand (81 Prozent). Geht es um die Auswahl der Softwareanbieter, ist finanzielle Stabilität mit 91 Prozent das meistgenannte Kriterium. Die spektakulären Insolvenzen einiger Softwarehersteller zeigen offenbar Wirkung. Kleine Unternehmen unter 100 Mitarbeitern messen dem zwar weniger Bedeutung bei. Das liegt wohl daran, dass bei ihnen mit der Software keine allzu hohen Investitionen verbunden sind, da kaum Projektgeschäft anfällt. Für Mittelständler zwischen 100 und 1000 Mitarbeitern jedoch hat die finanzielle Stabilität ihrer IT-Partner immense Bedeutung, weil eine Investition in Software mit den dazugehörigen Projektkosten eine große Herausforderung für das Unternehmen darstellt. Themenkompetenz und die Fähigkeit zur Implementierung der eigenen Software dürften aus ähnlichen Gründen auf Platz zwei und drei im Ranking der wichtigsten Auswahlkriterien für Softwareanbieter landen - mit jeweils über 90 Prozent.

Kompetenz ist gefragt

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Auswahlkriterien für ITDienstleister. Hier legt der Mittelstand vor allem Wert auf die Themenkompetenz, die 94 Prozent der Befragten als wichtig oder sehr wichtig einstufen. Branchen- und Technologiekompetenz sind für 85 Prozent entscheidend. Und natürlich spielt auch hier wieder das Geld eine Hauptrolle: Für 88 Prozent stellen die Kosten ein wichtiges Auswahlkriterium dar.